Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 4. Sonntag der Osterzeit Lesejahr A 2014 (Johannes)

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11. Mai 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Verfügbare Billigware

  • Vor den Toren Hamburgs liegt eine Ski-Halle (weit vor den Toren, genau gesagt, auch wenn es sich "Hamburg-Wittenburg" nennt), mit Freestyle Park, Kindergelände und Gastronomie. Auf 330 Metern Länge kann man 57 Meter mit dem Snowbord in die Tiefe rasen - immerhin.
  • Obwohl das ein Abklatsch jedes Hügels in den Mittelgebirgen ist, rechnet sich solch eine Halle, denn sie ist nur ästhetisch inszeniert, sondern bietet vor allem eines: Ich entscheide, wann ich Ski fahren kann, und nicht irgend so ein Wetterfrosch, der Schnee nur im Winter ankündigt.
  • Das ist heute nicht untypisch. Die Produkte sind zwar nur zweitklassig, aber dafür jederzeit verfügbar. Obst und Gemüse außerhalb der Saison? Kein Problem, nur eben treibhauswässrig. Nette Unterhaltungen mit allen jeder Zeit? Das Internet macht es möglich - und lässt vergessen, dass ich nur auf einen Bildschirm starre. Der jederzeit verfügbare Sex passt da gut ins Bild - denn auch hier gibt es ja nur den selbstzentrierten Abklatsch.
    Die Qualität ist erkennbar wässrig, doch scheinen sich so viele damit abzufinden, denn das Hauptqualitätsmerkmal ist, dass ich bestimme, wann ich was tun, haben, konsumieren will. Leben on Demand.

2. Die Tür, hier und jetzt

  • Ganz anders das Evangelium. Jesus sagt: "Ich bin die Tür", und man kann getrost ein 'jetzt!' hinzu fügen. Gerade das Johannesevangelium vermittelt diesen Zug Jesu: Er präsentiert sich nicht als Auswahlmöglichkeit, eine unter vielen, sondern fordert die Entscheidung.
  • Das hat es zu allen Zeiten Menschen schwer gemacht. Gerne halten wir uns ein Hintertürchen offen. Heute aber vermarktet sich das Evangelium besonders schwer, wenn es keinen Aufschub zulässt - zu jeder Jahreszeit konsumierbar - sondern Heil und Unheil an diese eine Tür bindet. Dem gegenüber haben es die vielen, jederzeit erhältlichen Türchen leichter; man greift zu ihnen wie nach Buchtiteln im Esoterik-Regal, oder klickt mal hier mal dort ein Türchen an und spielt ein wenig Realität bis zum game over.
  • Ich werde den Verdacht nicht los, dass die Marketingstrategie hinter den Türchen zu treibehauswässriger Ware mittelmäßiger Qualität nicht das Heil der Menschen, sondern der Umsatz der Anbieter ist. Echtes Leben schmeckt anders und ist nicht zum Schnäppchenpreis zu haben.
    Daher ist das Evangelium weder einem Buchtitel noch einer beliebigen Webseite vergleichbar. Es gleicht vielmehr einem Menschen, dem ich begegne, einem Kind, das mich anschaut und fragt, ob es mir vertrauen kann, einem unter die Räuber Gefallenen, an dem ich vorüber gehen kann, der aber auch der Mensch sein kann, der mich in die Menschlichkeit ruft, die allein mein Leben lebenswert macht.
    "Der Dieb kommt nur, um zu stehlen; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben."

3. Die Tür zu den Schafen, die Tür der Schafe

  • Der Abschnitt, den wir gehört haben, ist nur eine Einleitung. Jesus greift das alte biblische Bild vom guten Hirten auf: "Gott ist mein Hirt", betet der Psalm 23, "nichts wird mir fehlen." Mit dem Bild von der Tür ergänzt Jesus das alte Bild vom Hirten mit einem Unterscheidungskriterium, nach dem wir Hirt und Dieb unterscheiden können.
  • Jesus formuliert seinen Vergleich mit der Tür in der Diskussion mit religiösen Autoritäten, die den Auftrag hätten, Gott als den guten Hirten erfahrbar zu machen. Statt dessen stellen sie sich selbst, ihre eigenen Interessen, ihr eigenes Ansehen und die Wahrung ihrer Autorität in den Mittelpunkt. Es ist diese Haltung zu allen Zeiten, die so sehr nur auf sich selbst fixiert ist, dass sie jedes Leben erstickt. Deswegen beharrt Jesus so deutlich auf der unbedingten Notwendigkeit eines anderen Weges.
  • Wer sich auf ihn einlässt, wird mit einem anderen Leben vertraut. Es kostet einiges, sich selbst so loszulassen und sich so auf Gott einzulassen. 'Und was wird aus mir?', heißt der natürliche Heide-Simonis-Reflex, wenn Jesus statt dessen das Kind, die Kranke, den Krüppel, den Fremden und die Ausländerin in den Mittelpunkt stellt. Ihn selbst hat es alles gekostet, bis zum Kreuz. Aber gerade darin hat er die Dynamik der Diebe durchbrochen und das Leben neu erschlossen. Wer sich in Gebet und Betrachtung, im Lesen der Bibel und im Vollzug des Gottesdienstes in diese Haltung Jesu vertieft, der lernt die Stimmen zu unterscheiden: Der gute Hirt, der zum Leben führt, klingt nach Jesus, seinem Leben und seiner Botschaft. Die anderen klingen nur nach sich selbst. Amen.