Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 4. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C 2022 (Offenbarung)

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8. Mai 2022 - St. Sebastianus, Sinzig-Löhndorf

1. Die Apokalypse kommt

  • Es ist an der Zeit, sich auf die Apokalypse einzustellen.
  • Wer den Kopf nicht in den Sand steckt, kann wissen, welche Probleme auf diesen Planeten zukommen. Sie sind schon da. Die Auswirkungen sind absehbar. Klimawandel, Artensterben, Dürren, Fluten und andere Wetterextreme, verseuchte Meere, globaler Wassermangel. In Syrien, Mali, in Mexiko, im Jemen oder jetzt auch in Europa überlagern schreckliche Kriege die anderen Krisen. Dazu kommen Millionen Menschen, die nur überleben können, wenn sie ihre Heimat verlassen. Wie sich die Wirtschaft durch die ausufernde Pandemie in China oder die Inflation zum Nachteil der Menschen gerade in den armen Ländern entwickeln wird, ist nur zu ahnen. Die Demokratie ist in ihren Stammlanden Polen, USA und Frankreich durch autoritäre Bewegungen unter Druck. Reicht das zur Schilderungen der nahenden Apokalypse?
  • Bleibt aber die Frage, was das für mich bedeutet. Genauer: Macht mein christlicher Glaube einen Unterschied dabei? Oder sollte es das zumindest? Immerhin das fällt auf: Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet 'Apokalypse' eine schreckliche Aussicht. Für die biblische Sicht ist die Apokalypse im Gegenteil der entscheidende Grund der Hoffnung. Wie kann das sein?

2. Das Unrecht ist da

  • Das griechische Wort "Apokalypse" ist die Übersetzung des Wortes "Offenbarung". Das letzte Buch der Bibel wird so benannt. In diesem Buch wird in geheimnisvollen, doch aus der jüdischen und biblischen Tradition verständlichen Bildern Jesus Christus als zugleich der Gekreuzigte und der von Gott her Herrschende offenbart. Es wird offenbar, enthüllt oder verkündet: Dieser ist der Anfang und das Ende, das Alpha und das Omega, der Ursprung und das Ziel.
  • In Bezug auf die genannten gegenwärtigen oder kommenden Katastrophen ist die Bibel daher ganz nüchtern: Das ist so. Das war auch absehbar. Schaut, wie die Welt ist und wie ihr lebt: wundert es Euch? Seit Jahren ist Krieg in Syrien, Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen. Aber erst mit dem Überfall auf die Ukraine sind wir aufgewacht. Die Klimaveränderung und die globalen Auswirkungen werden seit einem halben Jahrhundert erforscht und beschrieben. Was aktuell geschieht, macht nur offenbar, was schon lange ist.
  • Zugleich aber wird etwas Anderes offenbart, das ist der Kern des biblischen Buches. Inmitten dieser Apokalypse wird das Lamm offenbart, das geschlachtet ist. Gott selbst hält sich nicht fern, sondern hat sich im Kreuz unter die gestellt, deren Felder vertrocknen, deren Häuser in der Flut fortgeschwemmt werden, deren Familien vom Krieg auseinandergerissen und vertrieben werden.

3. Leben im Angesicht der Katastrophe

  • Daher noch einmal die Frage, was die Weltlage für mich bedeutet. Genauer: Macht mein christlicher Glaube einen Unterschied dabei? Wie verändert es meine Haltung, wenn ich inmitten all der Nachrichten den Blick auf Gottes Gegenwart in all dem richte? Was geschieht, wenn es mir gelingt, Gott zu vertrauen, ihm zu glauben und seinem Christus?
  • Mir scheint das Erste ist, dass es gelingt die Situation auszuhalten. Das ist nicht wenig. Ohne Vertrauen liegen Ignoranz oder Verzweiflung nahe: Tun, als wäre es gar nicht so, oder aber als "letzte Generation" verzweifeln über die Behäbigkeit der Menschen.
    Als Christ dagegen sage ich (und würde ich leben, in dem Maße, in dem ich glaube): Die Fakten sind, wie sie sind. Mit Gott frage ich vor allem nach den am meisten betroffenen Menschen. Wer zahlt den höchsten Preis für die globale Ungerechtigkeit? Auch wenn ich in der bequemen Lage eines Mitteleuropäers bin, kann ich diese Perspektive suchen, ohne dafür extra nach Bangladesch zu fliegen.
  • Und dann, als Zweites, tue ich einfach das, was mir im Rahmen meiner Möglichkeiten gegeben ist. Auch der kleinste Schritt ist nicht vergebens. Denn im Blick auf Gott weiß ich, dass Gott am Ende Herr der Geschichte ist. "Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten. Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen." –
    Ob sich diese Verheißung innerhalb unserer Geschichte erfüllt oder jenseits, das weiß ich nicht. Die Bibel hält diese Spannung aus.
    Indem ich Gott das letzte Wort der Geschichte überlasse, ziehe ich mich nicht zurück, sondern werde erst recht aktiv: Wenn der ukrainische Gast, den ich beherberge, das ist, was ich tun kann, dann tue ich es, auch wenn dadurch der Krieg noch nicht beendet ist. Wenn ich mich impfen lassen und die Maske tragen kann, dann tue ich das; auch wenn dadurch nur statistische Wahrscheinlichkeiten verändert werden, ist es doch jetzt das, was ich tun kann. Wenn ich die Heizung einschränke, mir dreimal überlege ob ich das Auto brauche oder Bus, Bahn und Rad Alternativen sind, wenn ich auf die Flugreise verzichte und mir die Zeit für Bahn und Fähre nehme, um auf die Insel zu kommen, dann tut das vielleicht sogar der Seele gut. Wenn ich Verpackungen vermeide, pestizidverseuchte Lebensmittel meide und den Fleischkonsum radikal reduziere, dann mache ich das. Das allein wird die Welt nicht retten. Aber es ist das Richtige getan. Und je mehr wir darüber reden, entfaltet es auch politische Wirkung. Und doch weiß ich und vertraue: Es ist an Gott, unser Tun zu vollenden. Amen.