Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 4. Sonntag im Lesejahr A 2008 (Matthäus)

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3. Februar 2008 - Hochschulgottesdienst Kaiserdom Frankfurt

1. Gratulation

  • Nicht schlecht. Gratulation, den Armen im Geiste. Eins-A den Trauernden. Sauber hinbekommen, die, die keine Gewalt anwenden. Wie ein Sechser im Lotto denen, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Das trifft es zwar alles nicht so ganz, klingt aber nicht so blutleer wie "selig, die...". Es gab mal eine Übersetzung mit "Wohl denen..."; dann doch lieber die Seligpreisungen. Obwohl von der Sache her, das gemeint ist: da haben Leute es ausgesprochen gut abbekommen. "Voll fett" hätten früher manche Kreise gesagt.
  • Aber wozu wird da gratuliert? Arm, trauernd, hungernd! Genauer gesagt: "Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit!" Und dazu wird gratuliert: Barmherzig, mit reinem Herzen und Frieden stiftend! Und schließlich heißt es: "Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich." Auffällig ist, dass das Stichwort "Gerechtigkeit" die beiden Teile der Seligpreisungen gliedern. Das Stichwort scheint wichtig zu sein.
  • Jesus gratuliert denen, die sich nach Gerechtigkeit ausstrecken und sich danach sehnen, danach dürsten und hungern. Ihnen verheißt er, dass sie "satt werden". Dann aber schaut er seine Jünger an und sagt ihnen, dass diejenigen das beste Los gezogen haben, "die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden". Ihnen gehört das Königreich der Himmel, der Inbegriff dessen, was ein Mensch sich wünschen kann. Nur: Sich nach Gerechtigkeit sehnsuchtsvoll ausstrecken und dennoch dafür verfolgt werden, passt das zusammen?

2. Gerechtigkeit

  • Wir tun uns leichter zu sagen, was ungerecht ist. Wenn wir ein gutes mitmenschliches Empfinden haben, dann spüren wir, wenn eine oder einer ungerecht behandelt werden. Aber Gerechtigkeit ist doch mehr als nur die Abwesenheit von Ungerechtigkeit. Für die Bibel zumindest ist es mehr. Deswegen sollte es auch für uns mehr sein.
  • Gerechtigkeit ist, wenn die Verhältnisse stimmen. Das ist weit mehr als unser "Gerechtigkeitssinn", der allzu leicht nur Rache fordert. Gerechtigkeit ist, wenn die Verhältnisse stimmen, zu aller erst zwischen Gott und uns. "Zu aller erst" ist wörtlich gemeint. Denn wenn ich die Achse von mir zu Gott verschiebe, wird es immer schief. Entweder mache ich mich selbst zu Gott. Wehe dann den anderen ("Sucht Gerechtigkeit, sucht Demut!" heißt es daher bei Zefanja) . Oder ich vergöttere etwas, das nicht Gott ist. Die Folgen sind nicht weniger fatal. Gerechtigkeit dagegen ist, wenn wir Gott im Himmel loben. Denn dann stimmen die Verhältnisse. Das ist nicht immer ungefährlich. Wenn irdische Herrscher sich zu Göttern machen, dann wittern sie die Konkurrenz Gottes und die Gefährlichkeit jener, die ihn loben. Dennoch ist nur der eine Gott, Schöpfer des Himmels und der Erden, wirklich Gott. Gerechtigkeit ist, Gott zu loben.
  • Und daraus wird gerechtes Tun. Wenn ich wirklich daraus lebe, Gott zu loben, dann weiß ich, dass mein Leben mir aufgetragen ist und ich Verantwortung habe. Auch dafür kann man schnell ins Abseits geschoben werden, weil es etwas kostet, weltweit und in dieser Gesellschaft, Gerechtigkeit zu verwirklichen, so dass nicht mehr einige die Götter sind und andere nur durchgefüttert werden. "Um der Gerechtigkeit willen verfolgt" werden Menschen, weil sie Gott und nicht menschengemachte Trends verehren. Verfolgt werden Menschen, die sich für die Gerechtigkeit auch dort einsetzen, wo das den Interessen irdisch Einflussreicher entgegensteht. Es gibt Märtyrer der Gerechtigkeit. Und dennoch haben diese Märtyrer einen Sechser im Lotto gewonnen.

3. Radikalität

  • Das ganze kommt schon recht radikal daher. Die Bergpredigt kennt kein "vielleicht" und kein "unter Umständen". Die Seligpreisungen legen sich fest, wer den Sechser im Lotto hat. Das Lukasevangelium überliefert parallel dazu Wehrufe Jesu über die, die nicht der Botschaft des Evangeliums folgen. Und wenn im Fortgang der Bergpredigt Jesus immer wieder sagen wird "...ich aber sage euch!", dann werden die Zuhörer Zeugen eines Lehrers, der seine Schüler auf eine eindeutige Botschaft festlegt.
  • Das wäre unerträglich. Wenn es da nicht noch eine andere Gerechtigkeit gäbe, die Gerechtigkeit Gottes, die Jesus gebracht hat. Gerechtigkeit ist, wenn die Verhältnisse stimmen. Von uns aus gesehen ist das das ehrfürchtige Lob Gottes. Nichts ist schlimmer als Menschen, die Gott für sich vereinnahmen und als Hurra-Gläubige anderen sagen wo's lang geht. Gottesmacht darf nicht in Menschenhände. Was aber ist, wenn Gott selbst auf einmal ganz anders daher kommt? Wenn Gott selbst die Verhältnisse umkehrt und nicht die erfolgreichen Gottskrieger selig und in Gottes Nähe sind? "Das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt", heißt es im Korintherbrief des Paulus. Von Gott selbst her sind Christen "in Christus Jesus, den Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung." Als Verfolgte, Schwache, Barmherzige, hungernd nach Gerechtigkeit, sind sie in Gottes heiliger Nähe.
  • Christus ist "unsere Gerechtigkeit". Mit ihm stimmen die Verhältnisse nicht mehr, weil oben und unten durch einander gewirbelt werden - und wir mit ihnen. Gerechtigkeit aber ist, wenn die Verhältnisse stimmen. Deswegen kann Jesus so radikal und eindeutig sein, weil Gott radikal und eindeutig die Verhältnisse umdreht. Nicht mehr die Reichen haben dann einen Sechser im Lotto, sondern die Armen. Nicht mehr die groß gepriesen werden sind zu beglückwünschen, sondern die klein gemacht, ja verachtet werden, weil sie sich zur Gottesordnung bekennen, die allein diese macht- und erfolgsverliebte Welt retten kann. Und uns mit ihr. Amen.