Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 5. Sonntag im Lesejahr B 2003

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9. Februar 2003 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt

1. Drei Texte

  • Drei Texte aus der Heiligen Schrift: verschieden und vielfältig sind diese drei, wie das ganze Buch der Bibel. Zugleich aber ist es wieder lohnend, diese Texte zu einander in Beziehung zu setzen, weil wir dabei spüren können, dass die Bibel ein Ganzes ist in der Vielfalt ihrer Teile.
  • Drei Lesungen:
    • Ein Evangelium vom Anfang des Wirkens Jesu in Galiläa. Die Menschen lernen Jesus kennen als einen der heilt. Und hier im Markusevangelium wird noch betont, wovon Jesus besonders heilt: Von der Besessenheit durch die Dämonen. Nichts von der Dramatik eines Horrorfilms steckt in der sachlichen Schilderung des Markus. Und, ein Hinweis noch: Die Dämonen erkennen Jesus, den Sohn Gottes, und er verbietet es ihnen zu sagen.
    • Eine Lesung aus den Briefen des Apostels Paulus, hier an die Gemeinde in Korinth. Sein Thema hier: Er verkündet das Evangelium in Schwäche, ja unbeholfen. Nicht aus eigener Kraft verkünde er, sondern gleichsam unter Zwang. Das klingt gar nach Understatement. Paulus muss uns ja auch nicht sympathisch sein. Wir sollen nur auf das schauen, was er verkündet. Und da sagt er: "Ich habe mich...."
    • Und schließlich die erste Lesung aus dem Alten Testament, dem Buch Hiob. Unverkennbar Hiob."Nie mehr schaut mein Auge Glück.", das ist die Klage des Hiob, nach dem ihn eine um die andere Hiobsbotschaft erreicht hat, ihm Vermögen, Familie und schließlich sogar Gesundheit genommen wurde. Ihm bleibt nur noch Klage. Jedes Wort Klage und Anklage - gegen Gott, dem Hiob sein Leid entgegen schleudert.
  • Wenn wir in diesen drei so unterschiedlichen Lesungen den einen Geist der Heiligen Schrift wiederfinden, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass dieser Geist auch für unsere Gegenwart von Belang ist.

2. In Schwäche

  • Es gibt Situationen, in denen wir - wie man sagt - am liebsten im Boden versinken möchte. Zu gut ist der Dozent in Erinnerung, der die mittelmäßige Hausarbeit vor dem versammelten Seminarpublikum genüsslich zerreißt. Wenn die Frage kommt "Wer hat das geschrieben?" und dann der eigene Name fällt, ist dies mehr als unangenehm. Manchen ist auch ein Kompliment in der Öffentlichkeit nicht sonderlich lieb. Aber letztlich tut dieses gut. Mehr jedenfalls als der Verriss.
  • Wenn daher Jesus in der Situation ist, dass die Dämonen, von denen er die Menschen befreit, bekennen, dass er der Sohn Gottes ist, dann könnte man vordergründig das als Bescheidenheit abtun. Nur, hier geht es nicht um Bescheidenheit, sondern um Verkündigung. Deswegen ist es so auffällig, dass Jesus in der ganzen ersten Hälfte des Evangeliums Wert darauf legt, dass nicht bekannt werde, wer er sei. Das ändert sich erst, als die Begeisterungswelle vorbei ist, als nicht mehr Scharen hinter ihm herlaufen, weil er Wunder tut, sondern sich die Menge gegen ihn aufwiegeln lässt. Wo wir uns am liebsten verstecken würden wird er offenbar. Erst als er hilflos und schwach ist, erst am Kreuz, wird öffentlich bekannt: "Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn." (Mk 15,39). Es ist ein römischer Hauptmann, der dieses Bekenntnis spricht.
  • Das wirft ein Licht auf den Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth. Zunächst erscheint es als Understatement, wenn Paulus von sich schreibt, er sei "ein Schwacher", ja "ein Sklave" geworden, um das Evangelium zu verkünden. Aber um dieses Evangeliums vom Sohn Gottes willen, kann Paulus gar nicht anders. Bewusst hat er sich entschieden Jesus nur "als den Gekreuzigten" (1 Kor 2,2) zu verkünden. Es geht beim Evangelium nicht darum, dass Christen moralisch oder sonst wie Supermänner wären. Es geht um den Menschen. Und damit um Gott.

3. Einfach nur Mensch - einfach nur Gott

  • Wir sind stolz auf unsere Leistungen. Warum auch nicht. Wir wollen lieber erfolgreich sein als erfolglos, selbstverständlich. Aber sind wir weniger Mensch, wenn wir keinen Erfolg, keinen Reichtum, keine Gesundheit haben? Die Erfolgreichen, die Begüterten, die Gesunden und Schönen müssen aufpassen, dass sie sich selbst nicht von daher definieren. Denn wenn nur noch die Hülle zählt und der Kern vergessen wird, fällt bald auch die Hülle zusammen.
  • Daher wird Gott als Mensch erst dann ohne Einschränkungen verkündet, als kein äußerer Glanz mehr verhüllt, dass Gott Mensch, einfach nur Mensch geworden ist. Gott ist nicht Wundertäter und nicht Starprediger geworden, sondern Mensch. Daher steht auch Ijob in der Bibel. Er ist ein notwendiges Gegengewicht gegen all die großartigen Glaubensgestalten, die so unheimlich tolle Erfahrungen machen. Ijob ist sauer auf Gott, weil ihm alles genommen wurde. Aber, das ist das Entscheidende, er wendet sich in seiner Anklage und Klage an Gott. Es ist der Mensch, der nackte Mensch, der in Ijob dieses einzigartige Glaubenszeugnis gibt, indem er mit Gott spricht. Nicht höflich, aber mit Gott.
  • Die drei Texte der Heiligen Schrift können von daher wirkliche Hilfe sein, mit meinem Leben vor Gott zu kommen. Ich bin es, ich als Mensch, den Gott meint und anspricht. Gerade der heilende Gott tritt mir nicht aus der Position des Überlegenen entgegen. Das allein heilt. Amen.