Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Hochfest Verklärung des Herrn 2000 (Lesejahr B)

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6. August 2000 - St. Michael Göttingen

1. Licht und Dunkelheit

  • In Deutschland wird das ökumenische Glaubensbekenntnis, das "große", leider selten in der Liturgie gesprochen. Es lohnt jedoch, sich ihm zu stellen. Von Christus bekennt die Kirche, er sei "Wahrer Gott vom wahren Gott" und "Licht vom Licht".
    Gott, das Licht. Christus, das Licht. So erscheint er den drei Jüngern auf dem Berg der Verklärung. Leuchtend weiß, wie kein Waschmittel Wäsche weiß machen kann, leuchtend hell: das Licht Gottes in der Welt.
  • Ob uns das Christus näher bringt, weiß ich nicht. Die Dunkelheit, das völlige Fehlen von Licht kann bedrückend sein, kann Angst erregen. Aber wer von uns kann es aushalten vor einem Licht, das man in Kilowatt nicht messen könnte, weil es nur Licht ist, reines, strahlendes, eben göttliches Licht?
    Solches Licht widerspricht zu sehr unserer Erfahrung und dem, was unsere Augen zu sehen sich gewöhnt haben. Es gibt Licht und Schatten, Grautöne, Zwischentöne, in schillernde Farben aufgefächerte Lichter, aber nicht das Licht.
    Auch unser Bild Jesu ist ein anderes. Jesus ist doch das Angesicht Gottes, das sich uns zuwendet, das wir schauen können, ohne zu erblinden. Gerade diejenigen, die ganz in Finsternis wohnen und im Schatten des Todes, können durch Jesus Gott schauen - ohne sich geblendet abwenden zu müssen. So fügt sich das, was wir von Jesus kennen in die Welt, die Licht kennt und Dunkelheit, in der wir uns selbst erfahren als Menschen, die dazwischen wohnen, nie ganz im Licht und hoffentlich nie ganz in der Dunkelheit.
  • Wir sollten uns sogar eine Skepsis gegenüber dem Licht bewahren. Es ist eine uralte Erfahrung, dass gerade das Böse sich in Licht gewandet, heller als tausend Sonnen, um uns zu blenden und zu betören. Das, was so eindeutig, hell, strahlend, überwältigend ist, muss uns aufmerken lassen, weil es keineswegs eindeutiges Zeichen der Gegenwart Gottes ist. Der Fanatismus gebärdet sich als Licht und Erleuchtung.
    Es ist viel eher des Bekenntnisses wert, dass Gott dort ist, wo die Dunkelheit herrscht. Der Karsamstag ist dieser Tag. An ihm taucht Gott in die Dunkelheit des Todes hinab. Der Verklärte, den die Jünger geschaut haben auf dem Weg nach Jerusalem, er strahlt in einem jenseitigen Licht, das die Zwiespältigkeit des Diesseits beleuchtet. Das Diesseits aber ist unsere Welt.

2. Aufstrahlen des Lichtes

  • Und dennoch das strahlend weiße Licht der Verklärung. Was dort auf dem Berg passiert ist einzigartig. Es ist wie ein kleiner Spalt, der sich aufgetan hat aus unserer Welt in eine andere Wirklichkeit, in die Sphäre Gottes. Bewusst hatte Jesus nur drei seiner Jünger mitgenommen, Petrus, Jakobus und Johannes. Und auch ihnen hat er auferlegt, darüber zu schweigen, zumindest "bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei". Das volle, ungeschmälerte Licht ist auch damals nicht ausgeströmt. Die Fülle des Lichtes wartet noch. Das Licht strahlt auf, aber in der Finsternis, "denn es ist ein Licht, das an einem finsteren Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in eurem Herzen."
  • Ich selber habe das Licht nie geschaut. Ich kann auf keine eigene Erfahrung verweisen wie Paulus, den das Licht vor Damaskus blendend hell überwältigte, wie Ignatius, den das Licht den Glauben innerlich erkennen lies noch bevor er angefangen hatte, ihn zu studieren. Ein solches Licht habe ich nicht geschaut. Dies bleibt die Ausnahme, selbst nur das Aufblitzen des göttlichen Lichtes.
  • Dieses Aufblitzen aber wird uns bezeugt in der Heiligen Schrift. Es ist der Moment, aus dem heraus das Ganze aufgebrochen wird. Das Jenseits scheint auf, befragt das Diesseits, weckt den Funken der Hoffnung, bricht an, aber nicht als volle Gegenwart, sondern als Verweis. Von seiner Vision bekennt der Prophet Daniel: "Ihm wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben. Alle Völker, Nationen und Sprachen müssen ihm dienen. Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Reich geht niemals unter." Das Licht erscheint ihm als Herrschaft der Gerechtigkeit - in einer Vision. Was Daniel geschaut hat ist zugleich Wirklichkeit und Hoffnung.

3. Hütten bauen oder schweigend ziehen

  • Die Haltung des Petrus lässt sich knapp in die Worte bringen: "Das war's". Petrus möchte das Licht festhalten, den Augenblick bannen, einen Tempel bauen und darin bleiben. "Das war's", was brauchen wir anderes oder mehr. Was lässt mich Gott sein Licht schauen, um es mir wieder wegzunehmen, um mich zurückfallen zu lassen unter einen mit Wolken verhangenen Himmel, an dem die Sonne zu spärlich ihr Licht auf die Erde wirft?
  • Gott zeigt sich am Berg in Christus, um das Ziel zu zeigen. Aber Gott überwältigt nicht. Gott zeigt sein Licht, aber nicht, um uns damit unbarmherzig unserer Zwiespältigkeit zu überlassen. Er, der das Licht ist, geht den Weg zum Licht mit uns, er verdunkelt sich, weil wir im Halbdunkel leben. Er ist das Licht. Aber den Weg dorthin geht er mit dieser Welt.
    Christus gebietet, von diesen Erlebnissen nicht zu sprechen, "bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei." Erst dann kann davon gesprochen werden. Petrus, Jakobus und Johannes haben den Auferstandenen erfahren und haben daher gesprochen. Davor aber haben sie das Kreuz erfahren. Besser gesagt: sie haben ihr eigenes Versagen im Angesicht des Kreuzes erfahren.
  • "In Christus ist alles geschaffen", sprechen wir im Glaubensbekenntnis. Daher geht er auch in allem und durch das Ganze der Geschichte seinen Weg - mit uns. In ihm ist alles geschaffen. In seinem Kreuz nimmt er das ganze Leid und Elend der Welt mit hinein in seine Erfahrung der Finsternis. Seit dem kann von dem aufstrahlenden Licht gesprochen, die verwandelnde Vision benannt werden. Die Welt wartet auf das Licht und wir sind berufen, als Erben des Lichtes zu leben, aber auf dem Weg.
    Es ist recht, dass die Kirche die Auferstehung Jesu preist. Nur darf sie es nicht an der Welt vorbei tun, sondern nur, wenn sie zugleich seinen Tod verkündet Wir sollen Zeugnis ablegen vom Licht. Aber wir sollten in unserem Sprechen vorsichtig sein. "denn es ist ein Licht, das an einem finsteren Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in eurem Herzen." Amen.