Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 6. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2000 (Apostelgeschichte)

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28. Mai 2000 -

1. Geschichte einer Bekehrung

  • Die lange Lesung, das zehnte Kapitel der Apostelgeschichte, erübrigt eine (allzu) lange Predigt. Denn man kann in der Lesung gleichsam dem lieben Gott, bei dem, was er macht, über die Schulter schauen - und einiges dabei lernen.
  • Da ist zunächst der römische Hauptmann Kornelius, der von allen ein denkbar gutes Lebenszeugnis ausgestellt bekommt. Nicht nur bei seinen eigenen Leuten ist er beliebt. Selbst bei denen, die die Römer als Besatzer im Land nun gar nicht sonderlich lieben, hat er sich den Ruf erworben, wohltätig und gottesfürchtig zu sein. Kornelius ist ein guter Mensch.
  • Was braucht es da eine Bekehrung? Kornelius kennt und lebt das "Gebot: Liebt einander". Kann Gott mit so jemand nicht zufrieden sein? Ja, vermutlich war Gott mit Kornelius zufrieden. Deswegen fordert Gott nicht etwas von ihm. Gott will dem Kornelius etwas schenken. Dass Kornelius gottesfürchtig ist, das heißt vor allem, er ist offen, auf das hin, was von Gott zu erwarten ist. Er hat ein Ohr für die Fülle des Lebens, die von Gott kommt und ist nicht in Selbstzufriedenheit vermauert. Zu solchen Menschen kann Gott sprechen. Und Gott sagt ihm: Treffe dich mit jenem Simon Petrus!

2. Auserwählt

  • Petrus ist nicht irgendwer. Petrus ist der von Christus als Felsen der Kirche beauftragte Apostel. Und Petrus nimmt diese Aufgabe ernst und bemüht sich, dass das Neue Volk Gottes, das Christus auf dem Fundament der Apostel erbaut, den Bund hält und die Gebote Gottes achtet. Dazu gehören auch die rituellen Speisegebote. Petrus ist nicht kleinkariert, Petrus ist treu. Dass Petrus Gott treu ist, das heißt vor allem, er ist offen, auf das was von Gott zu erwarten ist.
  • Die Vision, die Gott den Petrus schauen lässt, trifft auf einen Mann, der offen ist, für die Größe des Geschenkes Gottes. Gott will seinen Bund für alle Menschen, aus allen Völkern öffnen. Deswegen wendet er sich an Petrus, den Felsen, um ihn auf das, was geschieht, vorzubereiten. Jesus schon hatte die Gebote des Bundes Gottes auf das Zentrum hin durchsichtig gemacht: "Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe." Dieses "wie ich Euch" ist das Zentrum: aus der Gemeinschaft mit Gott in Jesus Christus rührt die Liebe und darin gründet der Bund.
  • Petrus ist damit - etwas - darauf vorbereitet, was er erlebt, als er Kornelius ruft und er ihn trifft. Gott schickt ihn zu einem Menschen, auch wenn dieser nicht zum Ersten Bund - Israel - gehört und auch wenn dieser daher nicht nach den rituellen Gebote des Ersten Bundes lebt, also bedenkenlos all das isst, was Petrus in seiner Vision sich zu essen zuerst weigerte. Das "Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe" wird für Petrus konkret: er geht zu Kornelius, weil Gott diesen sichtbar liebt.

3. Geschenk

  • Was dann bei Kornelius passiert, übertrifft aber doch die Erwartung des Petrus. Denn nachdem Petrus den Römern eine Predigt hält über das, was in Jesus Christus passiert ist, sind die Römer nicht nur einfach irgendwie beeindruckt. Nein, sie werden auf dieses Wort hin so offensichtlich vom Heiligen Geist erfüllt, wie es selbst bei alteingesessenen Christen nur selten vorkommt.
  • Hier zeigt sich jetzt, dass Petrus wirklich der Fels der Kirche ist: er sieht das, was Gott vom Himmel her tut, und trägt das Seine auf Erden dazu bei ("Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage"). Petrus stellt dem Kornelius kein Zeugnis für guten Lebenswandels aus - das hat der nicht nötig. Petrus entflammt nicht noch mal den Heiligen Geist in Kornelius, das hat der Heilige Geist schon selbst erledigt (allerdings etwas gegen die liturgische Ordnung, was daher - bitte! - die Ausnahme bleiben sollte...). Nein, Petrus stellt schlichtweg fest, dass dieser Kornelius und die anderen ganz offensichtlich getauft gehören. Und er tauft sie und macht sie zu einem Glied der Kirche.
  • Die Lesung aus der Apostelgeschichte ist also nicht wirklich die Geschichte einer Bekehrung. Aber beide, Petrus und Kornelius sind durch ihre Offenheit für Gott in der Lage etwas zu empfangen: Petrus die Vision einer Kirche, zu der Gott Menschen aus allen Völkern beruft; und Kornelius die Gemeinschaft mit Gott in der konkreten Gemeinschaft des Volkes Gottes, den er bisher nur "gottesfürchtig" verehrt hat, an dem er aber jetzt so unverhofft Anteil erhält. Amen.