Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 6. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2021 (Johannes 15,16)

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8. Mai 2021 - Gemeinschaftskrankenhaus St. Elisabeth, Bonn

Es ist wichtig, die Bibel vor Augen zu haben. Gut ist es, im Gottesdienst die Lesungen zu hören oder in der Bibel zu lesen. Doch ich empfehle zusätzlich immer mal wieder einen einzelnen Vers zu nehmen, ihn aufzuschreiben und daheim an den Spiegel oder an den Kühlschrank zu hängen, als Bildschirmschoner für das Handy oder das iPad. Denn es gibt solche Bibelverse, die dadurch, dass ich sie über Wochen immer wieder lese und damit konfrontiert werde, überhaupt erst anfangen für mich Bedeutung zu entfalten. In den wenigen Worten eines Satzes steckt dann auf einmal ganz viel für mein Leben. In diesem Sinne empfehle ich Ihnen den Vers 16 im Kapitel 15 Johannesevangeliums den wir heute gehört haben.

Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt
und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht
und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt.


1. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt

  • Nicht wir, sondern er zuerst. Das widerspricht ziemlich unserem Lebensgefühl, nachdem wir es ein sollten, die die Initiative ergreifen und dass alles unsere Verantwortung ist. Dort, wo es um die Beziehungen unter Menschen geht, ist das auch richtig.
  • Aber hier geht es um Gott. Und da ist es eine ebenso richtige wie richtig gute Botschaft, dass Gott am Anfang steht: Nicht wir haben ihn erwählt, sondern er hat uns erwählt. Wir mögen nach ihm tasten und fragen und nur einen brüchigen Glauben haben. Das ist alles ganz in Ordnung. Denn bevor wir auch nur anfangen an Christus zu glauben, hat Gott in Christus schon sein Vertrauen in uns gesetzt. Er hat uns erwählt.
  • Das ist kein Satz der übermütig macht, sondern zutiefst dankbar machen kann und mir in meinem Leben eine entscheidende Sicherheit gibt. Nichts kann uns von dieser Liebe trennen, denn sie hängt nicht von meiner Entscheidung ab, sondern von Gottes Liebe. Die Liebe besteht zuerst darin, dass er uns erwählt hat.

2. … und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht

  • Christus hat seine Freunde nicht dazu erwählt, dass alles beim Alten bleibt. Ausdrücklich heißt es: Ich habe euch dazu erwählt "dass ihr euch aufmacht". Das mag nicht immer und in jeder Situation willkommen sein, aber das ist das Evangelium.
  • Gott drängt es danach, dass in diese Welt die Bewegung der Liebe kommt, die er uns schenkt und anvertraut. Viele meinen, die Gemeinschaft der Kirchen sei dazu da, zu bewahren und Tradition zu festigen. Das ist eine Überzeugung, die Freunde wie Gegner haben, einfaches Kirchenvolk und mancher in der Leitung. Aber es ist falsch.
  • "Ich habe euch dazu bestimmt ,dass ihr euch aufmacht", dass ihr neugierig bleibt, dass ihr die vielen Weisen entdeckt, in der Gott in dieser Welt schon gegenwärtig ist und euch so verwandeln kann zu Menschen, die sich aufmachen.

3. … und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt.

  • Und schließlich hat er uns dazu erwählt, dass wir Frucht bringen und dass diese Frucht bleibt. – Frucht, das klingt zunächst wie Äpfel und Birnen. Das ist nicht falsch. Äpfel und Birnen sind Dinge die hervorgebracht sind, damit sie andere erfreuen und zum Leben stärken. Christus hat uns dazu erwählt, dass wir Frucht bringen. So sehr wir meinen, der Glaube sei unsere Privatsache und es gehe darum, wie unsere Gefühle sind. Doch erwählt sind wir dazu, Frucht zu bringen, von der andere leben können. Frucht zu bringen, die das Leben reicher und wertvoller macht für uns und in Gemeinschaft mit anderen.
  • Und spätestens das ist die Stelle, wo wir sehr darauf achten sollten, dass Jesus seine Freunde als Gruppe anspricht. Wir sind da nicht allein, sondern miteinander unterwegs.
  • Zuletzt steht da, dass Gott will, dass diese Frucht bleibt. Das ist gegen alle Verzagtheit gesprochen, die durchaus realistisch sieht, wie wenig wir letztendlich verändern, wie klein die Früchtchen sind, die wir oft nur zustande bringen. Dagegen diese Zusage, dass auch das Geringste bleibt. Unser Mühen ist geborgen in den liebenden Händen Gottes und daher bleibend, nicht nur in dieser Zeit, sondern auch in seiner Zeit, der Ewigkeit. Amen.