Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigten zum 7. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C 2022

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29. Mai 2022 - St. Sebastianus, Sinzig-Bad Bodendorf

1. Wie wir die Hl. Messe feiern

  • Große Kirche, wenig Leute – und diese verteilen sich, als hätten sie das mit der hochansteckenden Pandemie schon immer gewusst. Bloß nicht jemandem zu nahe kommen! Das Bild ist überdeutlich: Hier sind Menschen aus irgendeinem Grund versammelt, aber sicher nicht aus dem Grund, dass sie irgendetwas miteinander zu tun haben wollen.
  • Ich kenne auch das andere: Eine geistliche Gemeinschaft ist seit einiger Zeit in einer Gemeinde aktiv. Sie haben viele Leute motiviert, ihren Glauben bewusst zu leben. Sie haben neue Lieder eingeführt, die aus der Tradition dieser geistlichen Gemeinschaft stammen, und ein Marienbild aufgestellt, das die Gruppen dieser Gemeinschaft verbindet. Das alte Marienbild der Kirche wurde entfernt. Wer heute in diese Gemeinde kommt, kann sofort sehen, dass hier eine aktive Gemeinde ist. Erst auf den zweiten und dritten Blick wird man fragen, ob hier eine Gruppe auf Kosten der Vielfalt ihren Stil durchgesetzt hat, die Sprache einer Gruppe zur Sprache der ganzen Gemeinde gemacht hat und andere dadurch ausgrenzt hat – man sieht nur die, die da sind, nicht die, die rausgedrängt wurden.
  • Am letzten Abend, den Jesus mit seinen Jüngern zusammen ist, hinterlässt er ihnen sein Testament. Es ist der "neue Bund", das "neue Testament in seinem Blut", den auch wir feiern. Jesus spricht lange zu seinen Jüngern. Es ist Abschied, und Jesus legt den Jüngern all das ans Herz, was ihm wichtig ist. Vor allem das eine Gebot "Liebt einander, wie ich euch geliebt habe". Dann spricht Jesus ein Gebet. Alles, was er getan hat, vertraut er Gott, dem Vater, an. Auch die Jünger, auch die Kirche die entstehen wird, wenn die Jünger die Frohe Botschaft verkündigen werden. Für alle "die durch ihr Wort an Jesus glauben" betet er: "Alle sollen eins sein".

2. Was wir feiern

  • Keine der beiden Erfahrungen, die ich geschildert habe, sind unsere hier. Die ebenso prägende und begeisternde, wie zugleich alle andern ausgrenzende geistliche Gemeinschaft ist nicht unser Problem. Die erste Beschreibung der Kirche mit quarantäneähnlichem Abstand zueinander kommt unserer Realität wohl näher.
    Es gibt immer die Tendenz, sich im weiten Kirchenraum zu verteilen und ich verstehe sehr gut warum. Die Mitfeier der Messe ist für viele in der Woche ein sehr wichtiger und persönlicher Ort, wo das Leben ausgerichtet werden kann und in eine Ordnung hineingebracht wird, die keiner von uns - auch wir alle zusammen nicht! - erschaffen können. Nicht umsonst rede ich betont von der "Heiligen Messe". Zum geselligen Schunkeln gehe auch ich woanders hin.
  • Wir müssen dennoch gut achtgeben, was wir feiern. Als Katholiken sollten wir ein waches Gespür dafür haben, dass äußere Formen nicht gleichgültig sind, sondern in lebendiger Beziehung zu dem stehen, was wir glauben: An den einen Gott, der durch Jesus Christus in unserer Lebensrealität gegenwärtig ist und durch seinen Geist eine heilige, allgemeine Versammlung bilden will.

3. Wozu wir feiern

  • Es geht Gott um uns. Es geht Gott aber nicht einfach um unser individuelles Wohlbefinden. Acht Mal kommt in dem kurzen Abschnitt des Evangeliums das Wörtchen "damit" vor (hina - in der Übersetzung ist das nicht ausgedrückt). Jesus macht deutlich, dass das alles kein Selbstzweck ist: Die Einheit.
    Die Liebe zueinander hat Jesus den Jüngern aufgetragen. Um die Einheit der künftigen Kirche betet Jesus zum Vater. Die Einheit ist also nicht nur kein Selbstzweck; die Einheit ist etwas, das nicht aus uns heraus machbar, sondern nur in dem Maße, in dem sie aus Gott heraus kommt: Wenn wir in ihm sind. Dieses „damit“ ist also nicht, dass auch das Heilige verzweckt wird: In dem Sinne muss die Messe zweckfrei bleiben, um heilig zu sein. Das „damit“ zielt aber auf Beziehung, weil Gott Liebe ist, respektvolle Beziehung.
  • Das hilft uns vielleicht, die Mitte zu finden zwischen erzwungener Uniformität und Zerstreuung zwischen den Kirchenbänken.
    • Nicht nach dem Maßstab einer uniformierten Truppe - "Alle sehen gleich aus, alle denken gleich, alle sprechen gleich" - sollen wir eins sein.
    • Nicht wie eine Büffelherde - "Wird einer angegriffen, senken alle die Hörner" - sollen wir eins sein.
  • Wir sollen eins sein, wie Jesus im Vater ist und der Vater in Jesus - also in Beziehung: Du - ich - wir. Die Liturgie sieht vor, dass der Friede, den Christus uns hinterlässt in einem Zeichen ausgedrückt wird: Früher war es der Kuss, heute ist es die Hand, die wir einander geben.
    Aber auch hier steht ein "damit": "damit die Welt glaubt" und "damit die Welt erkennt". Nicht dass wir uns wohl fühlen ist das Ziel, sondern damit die Weise, wie wir den Glauben leben und zeigen, für andere ein Zeugnis dafür wird, dass wir hier nicht uns selbst verkünden, weder als Individualisten noch als Schmuseclub, sondern als Beginn einer Gemeinschaft, in der Gott diese Welt verändert. Amen.