Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 8. Sonntag im Lesejahr C 2001

Zurück zur Übersicht von: 08. Sonntag Lesejahr C

25. Februar 2001 - khg Göttingen, Universitätskirche St. Nikola

1. Freundesworte

  • Beleidigungen sind das Ende jedes vernünftigen Gesprächs. Wenn jemand anfängt, mir Schmähworte an den Kopf zu werfen, sinkt jedenfalls meine Lust, mich noch sachlich zu unterhalten. Natürlich nehme ich für mich in Anspruch, selbstkritisch zu sein und Kritik einstecken zu können. Aber bitte: immer höflich bleiben! Den Ausdruck „Du Heuchler" würde ich zu den Beschimpfungen zählen, die es mir nicht leicht machen, weiter zuzuhören. Jesus wird gewusst haben, welche Wirkung so ein Wort haben kann. Es sind auch andere Ausdrücke dieser Art von ihm überliefert („Weg von mir, Satan!" zu Petrus).
  • Aber gerade weil es Jesus ist, kann man ja noch einmal nachdenken. Es ist Evangelium, das uns verkündet wird. Das griechische Wort bedeutet: Gute Nachricht. Jedes Wort will Gute Nachricht sein. Jedes Wort will gehört sein wie das Wort eines guten Freundes, der mein Vertrauen hat. Natürlich bin ich verwirrt, vielleicht vor den Kopf gestoßen, wenn er etwas sagt, was so gar nicht in mein Bild von ihm passt. Natürlich muss ich schlucken, wenn er mir deutliche Vorhaltungen macht. Aber um der Freundschaft willen werde ich zuhören.
  • Wie auch schon bei den beiden anderen Teilen, die wir an den vergangenen Sonntagen im Evangelium aus der Predigt Jesu gehört haben, spricht er zu seinen Jüngern. Er spricht ausdrücklich sie an. Mit den Aposteln ist er vom Berg gekommen, um uns als seinen Jüngern und seiner Kirche etwas zu sagen und zu geben, das unser Leben tragen soll. Gute Nachricht, Evangelium eben. Wenn wir uns die Predigt Jesu sagen lassen, dann ist das Glauben. Sich etwas sagen lassen ist nicht dasselbe wie zuhören oder lesen. Sich sagen lassen heißt, bereits verstanden haben, dass Jesus es ist, der uns das sagt.

2. Blinde Jünger

  • Jesus überfällt uns nicht mit dem „Du Heuchler". Wir müssen hören, was er uns - als Christen - zunächst sagt. Er beginnt mit einem Bild: „Kann ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen?" Er spricht uns also gar nicht alleine an. Jesus spricht von zwei Menschen, die gemeinsam einen Weg gehen wollen. Er sagt nicht, dass es schlechte Menschen sind. Er spricht von einer Behinderung, von Blindheit. Den Zweien ist das Licht genommen, ihr Leben zu leben. Die Grube ist ihre Gefahr.
  • Weiter sagt Jesus „Der Jünger steht nicht über seinem Meister; jeder aber, der alles gelernt hat, wird wie sein Meister sein." Die Blindheit ist also nicht unabänderlich; sie kann geheilt werden. Wenn wir uns einreden, wir seien nicht blind, wir wüssten alles, dann wären wir in großer Gefahr. Jesus will zu Jüngern sprechen, Menschen also, die schon den ersten Schritt gegangen sind, auf Gott zu hören und sein Wort auf sich zu beziehen. Das Faszinierende ist, dass Jesus uns nicht in Abhängigkeit von sich, dem Meister halten will, sondern uns mündig machen will. Indem wir von ihm lernen, können wir teilhaben an dem was er ist: „Jeder, der alles gelernt hat, wird wie sein Meister sein."
  • Jesus ist Realist. Er weiß darum, dass die Nachfolge ein Prozess ist, der das ganze Leben umfasst. Vor allem kann uns so leicht wieder verloren gehen, was wir vielleicht schon einmal hatten. Er steuert daher gezielt auf einen Punkt zu, der für ihn so zentral ist, dass er uns mit dem massiven „Du Heuchler!" aufrütteln will. Selbstgerechtigkeit gegenüber anderen, dem Bruder oder der Schwester, die mit mir Jesu Jünger sind, ist der Tod des Glaubens. Was ich durch die Nähe zu Jesus an Offenheit gewonnen habe, kann so schnell wieder verloren gehen. Wie schnell wird aus der Liebe, mit der ich versuche Jesus nachzufolgen, ein Hochmut, mit dem ich auf andere herunter schaue. Der Balken im eigenen Auge und der Splitter im Auge des anderen sind Bilder für eine Wahrnehmung, die nicht stimmt. Es sind Bilder für einen Menschen, der sich in der Wirklichkeit nicht mehr zurecht findet.

3. Früchte

  • Die ganze Predigt am Berg, dieses 6. Kapitel bei Lukas, will uns als Menschen verändern, indem Jesus uns in die Nähe Gottes holt. Jesus begnügt sich nicht mit wohlfeiler Weisheit und moralinsauren Ermahnungen. Jesus will die Wirklichkeit von Menschen verändern - durch Glauben. Das wird so deutlich an dem Abschnitt des heutigen Evangeliums. An Gott glauben wir nicht in der Weise, wie wir daran glauben, dass es den BSE-Erreger gibt oder ein fernes Sonnensystem. Der Glaube fügt unserem Wissen nicht eine Tatsache hinzu. Gott ist nicht ein zusätzlicher Gegenstand. Glaube bedeutet, sich von der Wirklichkeit Gottes verändern zu lassen, zu sehen und zu hören. „Ihr, die ihr mir zuhört", hatte Jesus diesen Abschnitt seiner Predigt begonnen. Jesus spricht uns an, deren Glauben darin beginnt, dass wir ihm zuhören, auch wo er uns Unangenehmes sagt.
  • Das Hören führt zum Sehen, und das Sehen führt zum Sein. Im Hören auf das, was Jesus sagt, besteht die Chance, dass wir aufmerksam werden auf die Balken in unserem Auge. Die Balken der Betriebsblindheit, die Balken des Hochmuts, die Balken des Kleinmuts, die Balken des Egoismus. Dem Evangelium zuhören, weil es Gute Botschaft Gottes ist, ist der erste Schritt. Er führt zum Sehen der Wirklichkeit Gottes. Es führt zum Sehen der Weise wie Gott ist. Es führt dazu, dass wir in Jesus einen „Meister" haben, dem nachzufolgen uns ihm ähnlich macht. So führt das Sehen zum Sein. Das Sein aber ist entscheidend dafür, ob das Leben gelingt, denn nur ein guter Baum bringt gute Früchte. Nur ein Mensch, der sich in seinem Innersten verwandeln lässt, kann Frucht bringen. Die harte Rede Jesu will uns auf diesen Weg bringen.
  • Mit dem heutigen Sonntag brechen wir die Reihe der Sonntage im Jahreskreis ab. Es folgen die Sonntage der Fastenzeit oder der Osterzeit. Erst nach Pfingsten wird wieder kontinuierlich aus dem Lukasevangelium Sonntag für Sonntag gelesen. Daher will ich jetzt das Ende der Predigt nachtragen, die Jesus am Berg gehalten hat. Dieser Abschluss ist die beste Erläuterung dafür, dass Jesus uns nicht sinnlos beschimpfen will, sondern unser Leben verändern will, damit es gelingt:

Ich will euch zeigen, wem ein Mensch gleicht, der zu mir kommt und meine Worte hört und danach handelt. Er ist wie ein Mann, der ein Haus baute und dabei die Erde tief aushob und das Fundament auf einen Felsen stellte. Als nun ein Hochwasser kam und die Flutwelle gegen das Haus prallte, konnte sie es nicht erschüttern, weil es gut gebaut war. Wer aber hört und nicht danach handelt, ist wie ein Mann, der sein Haus ohne Fundament auf die Erde baute. Die Flutwelle prallte dagegen, das Haus stürzte sofort in sich zusammen und wurde völlig zerstört. (Lk 6,47-49)