Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 9. Sonntag im Lesejahr A 2002 (Matthäus)

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2. Juni 2002 - Hochschulgottesdienst im Kaiserdom Frankfurt/Main

1. Das Bild vom Haus

  • Das Bild vom Haus ist gut gewählt. In welchem Haus ist mein Glaube zu Hause? Häuser haben Stockwerke, Dächer, Untergeschosse, Fassaden und Fundamente. Nicht anders ist das Lebensgerüst gebaut, das ich mit mir rumschleppe. Auch da gibt es verschiede Stockwerke, wichtigere und weniger wichtigere. Auch da gibt es Kammern im Inneren des Hauses, die selten Tageslicht sehen und andere, die ihr helles Fenster nach außen haben.
  • Häuser können gelungen sein oder ungemütlich und unansehnlich. Manche gelten - eine zeitlang - als letzter Schrei der Architektur. Wenige Jahre später braucht es hartgesottene Denkmalschützer, um diese Betonbauten vor dem wohlverdienten Abriss zu bewahren. Manche Häuser werden schlicht baufällig. Von daher ist es eine legitime Frage, wie ich mein Haus gebaut habe. Welche Stützstreben habe ich eingezogen, wie stellt sich die Fassade da, hat das Haus genug Fenster und Türen? Das Gebäude aus Überzeugungen und Wahrheiten, in dem ich lebe ist nicht nur subjektiv, nicht nur mein Schneckenhaus. Es steht mitten in der Stadt.
  • Zum Schluss der Bergpredigt bringt Jesus das, was er verkündet, für die Zuhörer auf den Punkt. Ist das Haus, in das wir uns eingerichtet haben, auf Fels oder auf Sand gebaut?

2. Das Fundament

  • Jesus spricht zu denen, die ihm zuhören. Er fordert diejenigen, die seine Lehre bejahen und annehmen, zu einer entscheidenden Reflektion auf. Er will uns zur Annahme des Evangeliums bewegen; er will uns überzeugen von dem, was seine Lehre ist. Die Bergpredigt ist Verkündigung des Glaubens.
  • Das alles aber kann für die Katz sein, wenn das Haus kein solides Fundament hat. Ich kann allen Wahrheiten des Glaubens aus vollem Herzen zustimmen - und dennoch mir ein Haus ohne Bestand gebaut haben. Wenn es auf Sand, nicht auf Felsen gebaut ist, dann wird es von der nächstbesten, oder doch zumindest von der alles entscheidenden letzten Flut weggespült. Es fällt in sich zusammen, wenn es nicht auf solidem Grund gebaut ist. Wenn groß "Herr, Herr!" auf die Fassade gemalt ist, mag das schön anzusehen sein. Das allein aber trägt nicht.
    "Wer diese meine Worte hört und danach handelt", der allein, so sagt Jesus, hat für das Haus seines Glaubens auch ein Fundament. Die Praxis des Glaubens, das Handeln nach dem Evangelium, ist letztlich das einzige solide Fundament. "Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt."
  • Das ist letztlich der Unterschied zwischen Fundament und Fundamentalismus. Im Fundamentalismus ist auch das Fundament nur Theorie. Diese muss dann verteidigt werden, notfalls mit Gewalt. Die schöne Theorie der Gerechtigkeit, der schönste Glaube an den allmächtigen Gott schlägt dann um in Dogmatismus und Gewalt. Es sind ja nicht die falschesten Lehren, die zum Fundamentalismus werden, sondern hehre und anerkennenswerte. Die Rückfrage Jesu aber lautet schlicht: Lebt ihr auch danach?

3. Den Glauben leben

  • In der Antwort auf diese Frage kann sich letztlich nur jeder selber versuchen. Die Antwort wird sich letztlich erst dann geben, wenn die Stürme kommen und an dem Haus rütteln und wenn die Flut auf das Haus einstürmt. Dann zeigt sich, ob mein Glaube ein nacktes theoretisches Gerüst, ein Haus mit leichter Fassade ist, oder ob es trägt.
  • Menschen geben sich die größte Mühe für den oberen Teil des Hauses. Für Christen und für die Kirche gilt das ganz besonders. Auch für mich? Man sollte sich still in seiner Kammer einmal hinsetzen und die Bergpredigt zur Hand nehmen, um sich zu fragen: Was davon lebe ich? Wie viel von dem, was ich für wahr halte, setze ich in meinem Leben um?
  • Der Glaube, den Jesus verkündet, will nicht mit Geboten und Verboten erschlagen. Gerecht macht allein Gott. Aber der Glaube, den Jesus verkündet, kann auch nicht ohne Konsequenzen bleiben. Die Begegnung mit ihm drängt danach, sich in das Leben auszuwirken. Und das allein, daran besteht kein Zweifel, kann Fundament sein für das Ganze des Hauses. Amen.