Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 9. Sonntag im Lesejahr C 2013 (Galaterbrief)

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2. Juni 2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg,

1. Fuchsig werden

  • Ich denke ich bin ein friedlicher Mensch. Zumal in meiner Aufgabe hier in der Gemeinde versuche ich friedlich zu sein. Dennoch gibt es Situationen, in denen man mich konfliktfreudig erleben kann. Das geschieht verlässlich dann, wenn es um den Kern des Evangeliums geht.
  • Diese Seite an mir kennt etwa das Gemeindemitglied, das versucht, den Leuten die Bedeutung der Konstellation der Sterne für die Zukunft zu erklären. Oder jene, die uns von diesen oder jenen neuen Offenbarungen und Visionen Christi und Mariens überzeugen wollen, ohne die es keine Rettung gebe.
    Offenbarungen dieser Art finden sich zuhauf, nicht erst seit es das Internet gibt. Das Tragische ist, dass die Anhänger dieser Seherinnen und Propheten sich für die Katholischten aller Katholiken halten. Wenn ich den Eindruck habe, dass so etwas in der Gemeinde verbreitet wird, dann kann ich schnell fuchsig werden, weil hier das Evangelium verdreht wird - zu Lasten der Menschen!
  • Von solchen Evangeliumsverdrehern schreibt Paulus an die Gemeinden in Galatien, dass sie aus der Versammlung ausgeschlossen werden sollen. Das scheint mir der präzise Sinn dessen zu sein, was in der Einheitsübersetzung mit "Er sei verflucht" wiedergegeben ist. Es ist nicht an mir, wie der Apostel Paulus es konnte und musste, jemanden zu exkommunizieren, aber es gehört zu meinen Aufgaben, deutlich zu sprechen, wenn das Evangelium verdreht wird.

2. Gleichgültigkeit

  • Kann denn nicht jeder nach seiner eigenen Façon selig werden? Keine Frage. Jeder muss vor Gott für sein eigenes Leben einstehen. Aber das ist doch dann noch nicht alles. In den beiden Schrifttexten, die sich um die Lesung aus dem Galaterbrief gruppieren, geht es um das Verhältnis des Volkes Israel zu seinem Gott und zu den anderen Völkern. Gott hat sich dieses eine Volk erwählt.
    Hier will Gott sich den Menschen zeigen. Hier offenbart Gott das Vertrauen, das er in uns Menschen hat. Hier ist der Tempel, der Ort seiner Anbetung. Aber so sehr dies ein Geschenk Gottes an sein Volk Israel ist, so sehr war und ist diesem Volk der Verheißung immer klar, dass dies auch ein Auftrag ist.
  • Übertragen auf uns bedeutet das: Keiner von uns ist nur für sich selber hier. Keine Erfahrung der Liebe Gottes wird jemandem nur für sich selbst geschenkt. Gerade wenn es eine Erfahrung der Liebe Gottes ist, dann ist es immer zugleich etwas, das mir anvertraut ist für andere. Hinter dem Satz, jeder möge nach seiner Façon selig werden, steckt vielleicht manchmal primär Bequemlichkeit und spiritueller Egoismus.
  • Die katholische Kirche kann sich der Kritik sicher sein, wenn sie - was ohnehin eher selten vorkommt - einem Theologieprofessor die Lehrerlaubnis entzieht. Mag sein, dass da auch schon mal Machtstreben das Motiv ist. Aber man sollte die Möglichkeit zumindest in Erwägung ziehen, dass das kirchliche Amt auch schon mal wie Paulus aus der leidenschaftlichen Verantwortung für das anvertraute Evangelium spricht und handelt, nicht um seiner selbst, sondern um der Menschen und um der Botschaft der Liebe willen. Nicht um einzuengen kämpft Paulus gegen die Verdrehung des Evangeliums, sondern im Gegenteil, um die Freiheit zu bewahren, die die Wahrheit schenkt.

3. Leidenschaft für das Evangelium

  • Wir werden in den kommenden vier Wochen weitere Abschnitte aus dem Brief des Paulus an die Galater hören. Der Galaterbrief ist sicher keine leichte Kost, und die Übersetzung aus dem Griechischen birgt manche Schwierigkeiten. Aber es lohnt die Mühe.
  • Denn Paulus streitet hier nicht um Nebensächlichkeiten. Vielmehr geht es darum, wie unser Leben gelingt in Zeit und Ewigkeit.
    Dafür hat er den Christen aus Galatien (Heute in etwa das Gebiet um Ankara in der Zentral-Türkei) verlässlich ein Evangelium, eine Gute Botschaft, verkündet. Dazu weiß er sich von Gott beauftragt: Menschen etwas von dieser einzigartigen Erfahrung weiter zu geben, die ihm anvertraut wurde. Wen die Leidenschaft des Paulus stört, hat vermutlich diese Erfahrung nie selbst gemacht und hält das für ein intellektuelles Glasperlenspiel. Weit gefehlt. Es geht um die Erfahrung, dass Gott das Leben trägt und heilt und verwandelt und uns eine Liebe erfahren lässt, die auch uns drängt, sie weiterzugeben.
  • Der Glaubwürdigkeitstest dafür sind die eigenen Kinder. Mir sagte ein Vater, er wolle, dass sein Kind getauft wird, weil der Glaube auch für ihn in seiner Kindheit prägend gewesen sei. Ich frage nach, was ihm davon heute wichtig sei. Das seien, meinte er, die christlichen Werte - und wenn sie bei den Großeltern sind, gingen sie in den Gottesdienst. Zu deutsch: Das Evangelium ist hier nur noch geliehene Nostalgie. Und aus der Frohen Botschaft, die wir im Gottesdienst feiern ist ein Katalog von Werten geworden, der aus Nostalgiegründen zu befolgen sei.
    Diesem Vater wird niemand vorwerfen, wie Paulus leidenschaftlich für das Evangelium zu kämpfen. Paulus hat es aber auch nicht mit der Nostalgie. Für ihn ist es vielmehr lebendige Erfahrung, dass Gott uns Menschen in Christus liebend und vertrauend begegnet. Feier des Gottesdienstes ist für einen wie Paulus nichts weniger als Nostalgie. Es ist vielmehr aus ganzem Herzen die Feier der Gegenwart Gottes, der uns vertraut und dem wir vertrauen und glauben dürfen. Amen