Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Hochfest Allerheiligen 2022 (Matthäus)

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1. November 2022 - St. Peter, Sinzig

1. Allerheiligen

  • Fast die ganze Kirche kennt dieses Fest. Es kommt aus den orthodoxen Kirchen, ist bei den altorientalischen Kirchen bekannt und unter den reformatorischen Kirchen feiern auch die Lutheraner und Anglikaner das Gedenken aller Heiligen.
  • Wir sind diese? Die Heiligen, die ihre eigenen Feste haben, deren Figuren bei uns in den Kirchen stehen und deren Geschichten wir erzählen, sind auch dabei.
  • Aber heute geht der Blick ausdrücklich darauf, dass es viele mehr sind, mit denen zusammen wir das Sanctus singen: Alle Heiligen im Himmel, die Freunde Gottes allzugleich.

2. An der Seite Gottes

  • Wir haben jede Tradition, unsere Helden und Vorbilder im Glauben zu feiern. Aber wie alle Menschen tut sich leider auch unsere Gemeinschaft der Kirche schwer damit, sich daran zu erinnern, dass es in unserer Mitte auch Menschen gibt und gab, die anderen schweres Leid zugefügt haben.
  • Auch wenn die Verbrechen des Christentums bei weitem nicht das Ausmaß haben, das von manchen Kirchenkritikern gerne gemalt wird, so bleibt genug. Und wenn es nur ein Priester, ein Bischof, ein Papst, ein katholischer Familienvater, ein einziger, sich katholisch nennender Diktator oder was auch immer gewesen wäre, es bliebe die Frage, ob wir nur die heiligen Helden des Glaubens feiern oder auch die Schattenseiten erinnern können? Es waren und sind viele. Das Unrecht geschieht nicht nur draußen, außerhalb unserer Familien und Kirchen. Es geschieht auch hier und tarnt sich oft genug sogar mit dem frommen Schein.
  • Müssen wir neben den Heiligen auch des Unrechts gedenken? Ich denke, wir müssen es um derentwillen, denen in der Vergangenheit aus unserer Mitte heraus Leid geschehen ist. Wir müssen es aber auch um derentwillen, die dies auch heute erleiden. Denn durch dieses Gedenken wird deutlich, dass nicht die Täter von Manipulation und Gewalt, sondern ihre Opfer die Mitte der Kirche sind. So wie das Kreuz die Mitte unseres Kirchenraums bildet, so sind diejenigen die Heiligen Gottes, an deren Seite sich Gott gestellt hat.

3.  Seligpreisungen

  • Ist das nicht genau auch der Sinn der Seligpreisungen? In diesen Zeilen spricht Jesus doch von sich selbst und zugleich von denen, deren Schicksal er teilt.
  • Es gibt eine Quelle aus der Zeit Jesu (Qumran), in der die Formulierung von "denen die Arm sind vor Gott", die selig sind, erklärt wird als eine Bezeichnung für die Menschen, die klein gemacht wurden. Wir würden heute sagen: zur Schnecke gemacht. Nicht das, was ihnen geschieht hat irgendetwas mit Seligkeit zu tun. Aber die Nähe, die Gott zu ihnen sucht, klagt das Unrecht, das ihnen geschehen ist an. Wegen dieser Nähe, die Gott zu ihnen sucht, sind sie Heilige, Mitte der Kirche.
  • Wir feiern das Fest aller Heiligen. Das Fest derer, deren Glauben vorbildlich ist und die so durchlässig sind für die Gnade, die Gott ihnen geschenkt hat. Wir feiern aber auch das Fest der Heiligen, die ohne gefragt zu werden zu Zeugen des Glaubens gemacht wurden. Märtyrer ist das griechische Wort für Zeugen. Die Mächtigen, die anderen Gewalt angetan haben, haben sich oft genug selbst ihre Denkmäler errichtet. Das heutige Fest stellt Gottes Gerechtigkeit in den Vordergrund: seine Heiligen.