Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Sonntag Christkönig Lesejahr C 2016 (Kolosserbrief - Europ. Tag zum Schutz von Kindern vor Missbrauch)

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20. November 2016 - St. Cyriakus, Habitzheim

Am 18. November 2016 ist erstmalig der "Europäische Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch" Die Katholische Kirche hat dazu ermutigt, diesen Tag zu nutzen, das Thema zu erinnern und zu vertiefen

1. Licht und Dunkel

  • "Denn die einen sind im Dunkeln / Und die andern sind im Licht. / Und man siehet die im Lichte / Die im Dunkeln sieht man nicht." Brecht fügte 1930 diese Schlussstrophe seinem Moritat aus der Dreigroschenoper hinzu.
  • Es ist schwer, dem zu widersprechen. Es stimmt leider. Einige werden ins Licht gestellt. Einige stellen sich ins Licht. Das sind die, die sich durchsetzen können, die angesehen sind, die als einflussreich oder erfolgreich gelten, die laut genug sind. Die werden gesehen. Die anderen, die nicht dazu bereit sind oder nicht dazu in der Lage, dieses Spiel mit zu spielen, bleiben im Dunkeln.
  • Und es gibt auch diejenigen, die gewaltsam ins Dunkel abgedrängt werden. Die ihnen das antun, stehen oft in bestem Licht da. Sie verdächtigt niemand. Denen, die im Dunkel bedrängt und erniedrigt werden, bleibt die Leere, die Verletztheit und oft genug auch noch das schlechte Gewissen, als seinen sie selbst schuld an dem, was ihnen angetan wurde.

2. Anteil am Licht

  • Aus dieser Perspektive ist der Lobgesang am Anfang des Kolosserbriefes, den wir heute als Lesung gehört haben, spannend. Es ist wahrscheinlich ein ganz alter christlicher Hymnus an Gott, der unser eigentlicher Vater ist, der im Himmel: "Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind. Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes."
  • Wo Menschen andere in den Dreck stoßen wollen, erhebt Gott Menschen in die Gemeinschaft mit den Heiligen und Engeln im Himmel. Und das hier schon, auf dieser Erde, in diesem Leben. Im Glauben wird eine Zugehörigkeit geschenkt, die der Finsternis entreißt, die Menschen zu verbreiten suchen. Die Botschaft an die Christen in Kolossä ist: Durch die Taufe ist hier, bei Euch, in euer Gemeinschaft der Ort, an dem das laut verkündet und gelebt werden soll: Christus "ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten". Mit ihm feiert ihr in Euren Gottesdiensten die Auferstehung zum Licht. Ja, man siehet die im Lichte; aber: Die im Dunkeln sieht man auch!
  • Dabei sind wir uns bewusst, dass es das Unheil auch in unserer Mitte geben kann und gibt: Dass Menschen andere verletzen, die klein machen, sie missbrauchen, um sich selbst groß zu fühlen. Das gibt es auch in unseren Familien und unserer Kirche zu allen Zeiten. Es ist die Ausnahme. Aber diese Ausnahme betrifft viel zu viele, man schätzt dass einer aus fünf in unserem Land als Kind so oder so solche Gewalt erfahren hat - ein Fünftel! All das könnte viel seltener sein, wenn wir diese traurige Wirklichkeit nicht verdrängen und leugnen, sondern verstehen, dass Christus das Leiden derer ans Licht bringt, denen heute wie damals ihm das Kreuz aufgelegt wird.

3. Christus, König

  • Am Ende des Kirchenjahres, am letzten Sonntag vor dem Ersten Advent, feiern wir seit 1925 in der katholischen Kirche den Christkönigsonntag. Die anglikanischen Christen haben das Fest übernommen; die deutschen Protestanten haben die alte Tradition bewahrt, an diesem Tag den Totensonntag zu begehen. Dass dieses Jahr zum ersten Mal in der Woche zuvor ein "Europäischer Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch" ausgerufen wurde, verbindet in gewisser Weise die beiden Traditionen: Vor dem Anspruch, dass Christus der König ist, gedenken wir nicht nur der Toten, die verstorbenen sind, sondern auch der Menschen, in denen schon in der Kindheit durch Gewalt so viel ertötet worden ist.
  • Nein, Christus ist nicht der lichtbringende König, der mal eben den kosmischen Lichtschalter bedient, und alles wird hell. Sein eigenes Schicksal lässt keinen Zweifel daran, wie real die Dunkelheit und der Tod sind. Aber gerade die Szene am Kreuz, die wir dieses Jahr am Christkönigsonntag gehört haben, lässt ahnen, dass dennoch das Licht siegen wird. Denn im Sterben, am Kreuz, im größten Schmerz spricht Jesus das Wort zu dem, der neben ihm hingerichtet wird: "Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein." Der andere, der Jesus noch verspottet, obwohl ihn "das gleiche Urteil getroffen" hat, steht für all die, die ihr Unrecht bis zuletzt verschleiern und verleugnen; hier kann keine Vergebung stattfinden - und nur im Letzten bleibt die Hoffnung, dass auch diesen noch Gottes Leben erreicht.
  • Das ist der Grund, warum wir als Christen fähig sein sollten, uns der Realität des Dunkel zu stellen: Weil wir wissen, dass das Licht stärker ist. In Christus hat Gott uns sein "Ebenbild" gezeigt; er ist der Anfang aller Schöpfung, das Urbild und das Ziel. Das alte Kirchenjahr geht zu Ende, nicht ohne dass wir uns daran erinnern. Amen.