Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Sonntag Christkönig Lesejahr C 1989 (zum Fest)

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26. November 1989 - St. Evergislus, Bonn Bad-Godesberg

Zielsatz: Das Königreich Christi vollendet sich unter uns in unserer Geschichte wie es in der Geschichte des Menschensohnes Wirklichkeit wurde.

1.

  • Am Anfang der Predigt Jesu (bei Mk) steht der Satz: Das Reich Gottes ist nahe! Kehrt um!
    Am Ende des Evangeliums vom Christkönigssonntag (Lk), am Ende des Lebens Jesu steht der Satz, den wir eben gehört haben: Jesus steht an der Pforte seines Königreiches: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.
  • Das verkündet der Titel des Festes: Christus ist König, Christus ist Herrscher, alle andere Gewalt ist gebrochen, sein Herz ist die Mitte der Welt. - Aber: Als Pius XI dieses Fest einführte, galt dieselbe Erfahrung, die wir heute machen: Von dieser Herrschaft Christi ist weit und breit so wenig zu sehen.
  • Wer aufmerksam das Neue Testament liest, wird unschwer feststellen, dass die Schriften dieses Buches aus der Erwartung der unmittelbaren Nähe des Reiches Gottes stehen. Ganz unzweifelbar hat Jesus dies selbst gesagt: Das Reich Gottes ist nahe. Eigentlich kann man sagen, ist das durch die Geschichte leidlich widerlegt.

2.

  • Verstehen können wir diese Erwartung Jesu und der frühen Kirche aber nicht historisch. Diese Erwartung hat den ganzen Alltag der frühen Christen umgekrempelt. Sie ist daher keine Prognose, sondern im Zentrum des Glaubens beheimatet.
  • Der erste und oberste Satz unseres christlichen Glaubens heißt: Gott wurde aus Liebe zu uns Mensch in Jesus Christus. Der, der die ganze Welt und ihre Geschichte umfasst, realisiert in sich das Mensch-Sein, so wie jeder von uns Mensch ist. Mit Geburt, Leben und Sterben.
  • Wenn aber Gott selbst Mensch wird, dann ist dies Menschsein schlechthin. Dann ist in diesem Menschen unser aller Existenz mit umfangen. In Jesus von Nazareth ist die Geschichte der ganzen Welt brennpunktartig zusammengefasst, erlitten und erlöst.

3.

  • Drei Fragen will ich von hier aus nachgehen: Was bedeutet dies für das Reich Gottes? Was bedeutet das für die Reiche dieser Welt? Was bedeutet das für uns?
    • Wenn Christus ruft, dass das Reich Gottes nahe ist, dann ist dieses nicht in der Weise nahe, wie jetzt für manche eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten nahe ist. Wenn Christus ruft, dass das Reich Gottes nahe ist, dann ist dies viel unmittelbarer. Das Reich Gottes steht vor der Tür. Das Reich Gottes rückt auf den Leib. Das Reich Gottes bestimmt Jesu ganze Existenz.
      Und: Es ist im Werden. Vom Kind im Stall zu Betlehem zur Schädelstätte: so weit ist der Weg des nahenden Reiches. Und auf diesem Weg zerstört es alle Vorstellungen anderer Reichs-Träume.
    • Das Reich Gottes zerstört die Träume vom unabhängigen Reich Israel. Das Reich Gottes zerstört die Träume vom Theologen-Reich der Pharisäer. Das Reich Gottes zerstört die Träume vom immer reicher werdenden Zöllner. Das Reich Gottes zerstört die Träume vom sicheren Leben.
      Das Reich Gottes ist kein Traum. Es ist die Wirklichkeit dieser Welt, auf die Gott sich einlässt. Und diese Wirklichkeit ist für uns ein Alb-Traum, wenn wir den Weg nicht mit Jesus gehen, der ihn von Gott her geht.
    • Das letzte Stück Weges ist kein Mit-gehen mehr; das letzte Stück trägt er uns. Die traditionelle Lehre, dass Christus nach seinem Tode und vor seiner Auferstehung in die Hölle hinab geht ("hinabgestiegen in das Reich der Toten") hat hier ihren präzisen Sinn: Selbst die absolute Gottferne wird von Gott noch einmal heim-geholt, in seiner Liebe geborgen.
      Das Königreich Christi vollendet sich in Tod am Kreuz und Abstieg in die Hölle. Teilhabe an diesem Reich kann nur Mitgehen mit Christus sein.
  • Die Reiche dieser Welt werden dadurch prinzipiell in die Schranken gewiesen. Wo das Königreich Christi jeden Menschen und die gesamte Geschichte einlädt, mit ihm zu gehen und so auf dem Weg der Geschichte zu Gott selbst zu kommen, da bleibt für die politischen Reiche dieser Welt nur noch der praktische Nutzen.
    Auch die freiheitlichste demokratischste Grundordnung ist nicht mehr (aber auch nicht weniger) als nützlich oder unnütz für die Gestaltung des öffentlichen Lebens. Jedes politische Reich kann und muss vor dem Königreich Christi fraglich bleiben.
  • Das bedeutet die Menschwerdung für mich: Es kann kein Stimmzettelchristentum geben. Das Reich Christi fordert mein ganzes Leben, um mit ihm und mit den leidenden Schwestern und Brüdern den Weg Christi zu gehen. Dieser Weg führt durch die Geschichte hindurch und auf Gott zu.
    Durch die Geschichte hindurch: Ich darf keinen Teil dieser Welt aus diesem Weg auf Gott zu ausklammern. Das menschgewordene Wort Gottes stirbt nicht in der Kirchenbank, sondern am Kreuz.
    Auf Gott zu: Wenn ich nicht Tag für Tag um den Geist Gottes bete, verfehle ich das Ziel. Wenn ich nicht ängstlich auf die Fußstapfen Jesu schaue, versinke ich in meinen Fußstapfen des Egoismus.

Liebe Schwestern und Brüder. Wir beten: Dein Reich komme. Das ist Christus-König: Den ungewissen Weg gehen und ganz im Heiligen Geist von der Liebe getragen sein, die uns der Vater im Sohn schenkt. Amen.