Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Das Ignatiusbild von Montserrat Gudiol (1991)

Die spanische Künstlerin Montserrat Gudiol (1933 - 2015) hat 1991 zum 500. Geburtstag des Heiligen Ignatius ein ungewöhnliches Portrait geschaffen. Es hängt heute in der Kirche in Manresa, Spanien, die an jenem zurückgezogenen Ort entstanden ist, wo Ignatius die entscheidende Zeit seiner tieferen Bekehrung durchlebt und durchlitten hat.

Gudiol hat ansonsten ganz überwiegend Frauen dargestellt. Aber 1983 war sie gebeten worden, für die Benediktiner-Abtei Montserrat, die wie Manresa nahe bei Barcelona liegt, ein Bild des Hl. Benedikt zu schaffen. Es zeigt Benedikt aus dem Halbdunkel kommend, die Ordens-Regel in der Hand, den Blick halb zu Boden mit dem rechten Fuß voraus auf den Betrachter zuschreitend. Er trägt – wie die Benediktiner – ein schwarzes Gewand, aber ganz einfach geschnitten.

Vor allem ist dies eine der ganz wenigen Darstellungen, die Benedikt bartlos und jung zeigen. Er hat zwar schon ein Buch – die Ordensregel – in der Hand. Aber man hat den Eindruck, dass auch dieses Buch noch nicht fertig ist. Benedikt hält die rechte Hand, als wolle er noch einmal danach greifen.

Acht Jahre später entsteht ihr zweites Portrait eines Heiligen. Auch dieser ganz neu interpretiert und als junger Mann. Soweit ich sehe, sind dies die einzigen beiden Heiligen-Bilder in ihrem Werk und gehören sie zu den seltenen Darstellungen Gudiols von Männern.

Gudiol lässt häufig den Hintergrund ihrer Figuren aus und ersetzt ihn durch eine Farbe, aber selten mit so wenig Licht. Bei ihrem Ignatius ahnt man lediglich ein wenig rechts oben ein Aufhellen des Schwarz.

Ignatius hat in seiner Zeit in Manresa bis an die Grenze des Erträglichen die innere Dunkelheit erlebt. Je mehr er versuchte, nach dem Ablegen der Waffen des Ritters und des Gewands eines Edelmanns radikal neu als Christ zu leben, desto mehr hat es ihn in die Depression getrieben. Erst eine von ihm selbst nur ganz vorsichtig angedeutete Schau der göttlichen Dreifaltigkeit hat ihm einerseits die Gelassenheit geschenkt, von religiös-extremer Askese abzulassen, und andererseits eine innere Schau der Wirklichkeit und Gegenwart Gottes eröffnet, die seine ganzen künftigen Studien und sein mystisches Leben prägte. Gudiol zeigt Ignatius nicht als Lichtgestalt, hebt aber doch deutlich den Moment von dem Dunkel dahinter ab. Auch wenn die Füße nicht zu sehen sind, ist es jetzt Ignatius, der Pilger: ein von Gott beschenkter Mensch, der sich aufmacht.

Die Jesuiten haben kein Ordensgewand, aber der erste Freundeskreis um Ignatius während der Studien in Salamanca hatte sich wohl ähnlich wie hier dargestellt gekleidet. Sie wollten einfache Pilger sein. Das Gewand ist in der Mitte leicht aufgebauscht. Das ist die Stelle, wo Bettler Brot, das ihnen geschenkt wird, in Ermangelung einer Vorratstasche aufbewahren. Ignatius wollte für sich und später den Orden keine Absicherung, die bequem macht, sondern wollte immer das Beschenkt-Werden durch Menschen, die ihm den Lebensunterhalt ermöglichen, weil es ihm half, sich darin einzuüben, das ganze Leben als Geschenk zu empfangen.

Dieses Empfangen-Wollen drückt auch ganz die rechte (die aktive!) Hand aus. Die erste Aktivität des Pilgers ist Empfangen, Hören, Aufmerksamkeit. Erst daraus entwickelt sich das Tun, das Ergreifen, das Gestalten. Daher ist das Empfangen auch mit dem Etwas-zu-geben-haben verbunden. Gerade ein Mensch, der wirklich hört und wach dabei ist, kann daher ein Mensch sein, der was zu geben hat. In der Hand kann man damit auch die "Möglichkeit etwas zu geben" und vielleicht sogar ein "Hinweisen" auf eine nicht malbare Dimension sehen.

Die linke Hand (die bei Rechtshändern weniger aktive) ist hier die aktive. Die ignatianische Kurzformel "contemplativus in actione" findet sich in diesen beiden Händen dargestellt.

Der konzentrierte und offene Blick geht in die Ferne. Er entspricht der leicht zur Seite hin gehenden Körperhaltung, die den Eindruck von Bewegung hinterlässt. Aus Manresa kommt uns der Mystiker entgegen, der sich in der von ihm erzählten Biographie "der Pilger" nennt. Sein "Pilgerbericht" ist daher auch weniger eine Biographie, als eine Erinnerung die am Beispiel des eigenen Lebens erzählt, wie Gott einen Menschen ergreift und führt, wie Gottes Geist ein Leben umgestalten kann und so dazu befähigt, Christus zur Seite gestellt zu werden und unter seinem Banner zu dienen.

Martin Löwenstein SJ, 2023