Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Dreifaltigkeits-Sonntag im Lesejahr A 2005 (Exodus)

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22. Mai 2005 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt/Main

1. Ein wenig mehr

  • Darf es ein wenig mehr sein? Im Zeitalter der normierten Wurstpackungen aus dem Supermarkt hört man die Frage seltener. Ansonsten aber darf es in der Regel gerne etwas mehr sein, wenn es denn nichts kostet. Mehr von allem, wo es geht. Aber, darf es auch von Gott ein wenig mehr sein, drei Götter vielleicht statt nur einem. Oder vielleicht gleich eine bunte Vielfalt von Göttern, jedem den seinen im schillernden Pantheon?
  • Dabei ist es gar nicht ausgemacht, ob ein "mehr Gott" sich in der Zahl der Götter niederschlägt. Neben der postmodernen Vielgötterei ist auch der strikte Monotheismus nicht ohne Reiz. Auch hierzulande findet das Anklang. Gott wird strikt als einer gedacht, weit erhaben über die Welt und unanfechtbar in seiner Macht und Autorität.
  • Der biblische Gott ist "mehr" auf andere Weise. Was immer unsere Vorstellung von Gott sein mag, Gott ist mehr, als wir uns erdenken können. Ja, Gott ist größer als jede Vorstellung von Gott. Zugleich aber hält die Bibel daran fest, dass dieser alles übersteigende Gott auch in unserem Leben mehr gegenwärtig ist, als wir erfassen können oder wahrhaben wollen. "Der Herr steigt in der Wolke herab und stellt sich neben" den Menschen. Das ist die unglaubliche Botschaft der Bibel. Das ist es, was wir am Dreifaltigkeitssonntag feiern.

2. Gottes Gegenwart

  • Gott wendet sich den Menschen zu. Dies zieht sich als roter Faden durch alle Bücher der Bibel, Altes wie Neues Testament. Das zentrale Glaubensbekenntnis steht an verschiedenen Stellen, so auch in unserer heutigen Lesung aus dem Buch Exodus: "Der Herr ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue". Dies betet der Psalm 103, dies beten wir im Vater Unser: Gott, Du bist treu, dein Reich komme!
  • Die Bibel erzählt uns vom Kommen Gottes. Das Unvorstellbare ist wahr geworden. Der Gott, der in der Höhe über allem thront, wird von seiner Liebe zu den Menschen dazu getrieben, herabzusteigen und sich zu uns zu stellen. Nicht in der Ferne lässt Gott sich finden, ganz nahe ist er seinem Volk. Ganz nahe ist er dem Herzen eines jeden Menschen.
  • Ob wir uns dieser Nähe öffnen, liegt an uns. "Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat." Wer sein Vertrauen darauf setzt, dass inmitten unseres Lebens Gott so gegenwärtig ist, dass wir unser ganzes Leben auf ihn bauen können, der hat Anteil an Gottes Gegenwart. Unzählige Menschen, von den ersten Zeiten, über die die Heilige Schrift berichtet, bis heute haben diese Erfahrung gemacht. Ihr Leben ist zum Weg geworden, diesem Gott nahen zu dürfen.

3. Der fehlende Vers

  • Die Auswahl der Lesung aus dem Buch Exodus hat einen Vers ausgelassen. Man war wohl der Ansicht, dass damit ein neues Thema angesprochen wird, das zu sehr vom Wesentlichen des Textes ablenkt. Wenn Gott vom Himmel herabsteigt, um mit Mose den Bund zu erneuern, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat, dann offenbart er sich nicht nur als der gnädige, barmherzige und treue Gott. Er spricht auch unumwunden an, wodurch dieser Bund gefährdet ist: In unserer Übersetzung heißt es: "Der Herr bewahrt Tausenden Huld, nimmt Schuld, Frevel und Sünde weg, lässt aber (den Sünder) nicht ungestraft; er verfolgt die Schuld der Väter an den Söhnen und Enkeln, an der dritten und vierten Generation". (siehe die alternative Übersetzung)
  • Die ganze Bibel setzt Gottes Barmherzigkeit voraus. So ist auch dieser Vers zu verstehen. Gott ist treu und barmherzig. Gerade deswegen aber verschließt er die Augen nicht vor der Schuld und der Untreue des Menschen. Gottes Treue geht über unzählbare, über tausend Generationen. Gerade deswegen stellt er den, der durch Gewalt und Schuld diesen Bund gefährdet. Und wenn es heißt: "er verfolgt die Schuld der Väter an den Söhnen und Enkeln" meint das gerade nicht, dass er die Enkel bestraft für die Schuld der Großväter, sondern dass Gott der Sünde nachgeht. Gott weiß darum, dass Heil und Unheil immer auch die anderen betrifft, die mit uns im Haus wohnen, seien es drei, seien es vier Generationen. Wie der gute Hirt dem verlorenen Schaf geht Gott dem Sünder nach, in all seiner Treue und Barmherzigkeit.
  • Gott ist so viel mehr, als wir uns vorstellen. Gottes Liebe ist mehr, als uns möglich scheint. Wo Gemeinschaft und Zusammenleben durch unser Tun gefährdet ist, dort wird Gott selbst gegenwärtig. Er überlässt es nicht anderen. In Jesus Christus, dem eingeborenen Sohn, schenkt Gott uns seine Gnade. In ihm wird offenbar die Liebe des Vaters. Diese Liebe ist es, die unter uns Menschen Gemeinschaft schafft. "Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!" Amen.