Predigt zum Dreifaltigkeits-Sonntag im Lesejahr C 1992
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14. Juni 1992 - Schulmesse im Aloisiuskolleg Bonn-Bad Godesberg
Einleitung zum Gottesdienst:
Am Freitag abend habe ich einen Satz aufgeschnappt. Ein Jugendlicher in
einer Discothek. Vielleicht 18 oder 20 Jahre alt.
Vielleicht arbeitet er oder ist noch in der Ausbildung oder geht aufs
Gymnasium - ich weiß es nicht. Ich weiß auch sonst
nichts über ihn. Der Satz war nicht zu mir gesprochen, ich habe ihn nur
aufgeschnappt. Ich weiß nicht einmal, in welchem
Zusammenhang er gesprochen war.
Der Typ hätte sich blöd angemacht gefühlt, wenn ich auf seinen Satz
reagiert hätte. Ich weiß auch bis heute nicht, was ich
darauf hätte antworten sollen. Mich würde es interessieren, was Ihr
darauf geantwortet hättet. Der Satz, Satzfetzen lautete:
Wenn du kein Egoist bist, verpasst du dein Leben.
1. Phantasie
- Ich studiere in Bonn an der Universität. Schüler mögen über ihre
Lehrer denken, was sie wollen, wenn sie aber an die Uni
kommen, merken sie, dass Professoren sich zumeist nicht sonderlich darum
kümmern, wie sie den Leuten etwas
beibringen. Sie leiern ihren Stoff runter - Ausnahmen ausgenommen.
Auch an der Schule gibt es solche Lehrer bei denen man merkt, dass den
weder die Schüler interessieren, noch ob diese
etwas lernen.
Man stelle sich vor, jemand wäre gleichermaßen phantasielos, wenn es
darum geht, um eine Freundin - einen Freund - zu
werben. Recht unvorstellbar.
- Die Dreifaltigkeit ist die Phantasie Gottes im Liebeswerben um
uns.
- Da ist zunächst die Phantasie der Schöpfung: Die Lesung spricht
von der Vielfalt des Geschaffenen, in dem Gottes
Geist gegenwärtig ist.
- Da ist die Phantasie der Menschwerdung: Man muss als Gott erst
einmal auf die Idee kommen, unter Menschen als
Mensch zu leben, um in unserer Sprache von seiner Liebe zu reden.
- Da ist die Phantasie, in der Menschen manchmal ganz unvermittelt
erfahren, dass eine Kraft und Begeisterung da
ist, die weit über ihr persönliches Ego hinaus geht.
- Und doch ist es der eine, ewige Gott. Dieses Geheimnis nennen wir
Dreifaltigkeit.
2. Interesse
- Was treibt Gott an? Was will er? Was ist sein Interesse?
- Die Lesung spricht von Gottes Weisheit, das heißt von dem, was
Gott von innen her bestimmt. Diese Weisheit,
"wie Gott ist", ist nach der Lesung "immer bei ihm".
Genauerhin
- vor aller Zeit - ist die Weisheit bei Gott.
- bei der Schöpfung der Welt - ist die Weisheit bei Gott.
- und schließlich steht da: "sie spielt voll Freude unter den
Menschen"
- Das bedeutet: Für Gott, den Unendlichen, ist es eine "Freude"
endlich zu sein. Hätte er die Welt nicht geschaffen,
hätte er sich um nichts kümmern brauchen.
Zunächst einmal, vernünftig gedacht, gilt: Ein sinnvoller Begriff von
Gott, dem Absoluten, sollte doch davon
ausgehen, dass Gott "sich selbst genügt". Dagegen aber steht die
unerhörte Aussage der Heiligen Schrift: Gott will
abhängig sein, er will Beziehung, er will dass über ihn bestimmt wird
(ein fast absurder Gedanke).
- Wim Wenders hat das in seinem Film "Der Himmel über Berlin" in´s
Bild gebracht: Die Freude der Engel ist es, unter den
Menschen zu sein, die höchste Freude ist es zu spüren, zu schmecken,
sogar zu leiden wie ein Mensch.
- Noch einmal: Was treibt Gott, was ist sein "Interesse"?
Die Menschwerdung in Jesus Christus ist kein Zufall. Es ist die Freude
Gottes von den anderen Menschen her zu leben -
selbst auf die Gefahr hin, dass es "weh tut".
Der "Egoist", der das Leben nicht verpassen will (von dem ich in der Einleitung
erzählt habe), verpasst eine Freude, die er
sich überhaupt nicht vorstellen kann: die Freude, sinnvoll und für etwas
zu leben. Diese Freude lässt sich nur von Gott
lernen.
3. Gesinnung Gottes
- Der große Theologe Romano Guardini hat das in einem Satz
zusammengefasst, den man zwei mal hören muss, um ihn zu
verstehen: "Nicht die Macht, sondern die Gesinnung Gottes ist es,
was den Menschen in liebender Verehrung zur Erde
neigt." Viele stellen sich den Glauben als ein Sich-Beugen unter
die Macht Gottes vor. Statt dessen ist der Glaube das
Entdecken der Gesinnung Gottes.
- Die Dreifaltigkeit Gottes hat damit unmittelbar zu tun. Wollte
Gott für sich bleiben, allmächtig, unnahbar, dann bliebe
Gott einfältig als das ewig unwandelbare Prinzip der
Philosophen. Gott aber geht aus sich heraus, in die Schöpfung
hinein, in die Geschichte der Menschen hinein, um wie ein Liebender um
uns zu werben, voll Phantasie. Gott geht aus
sich heraus - und in unsere Beziehungen hinein und unsere Herzen, nicht
zuletzt in unsere Gemeinschaft als Kirche hinein.
Gottes Gesinnung macht Gott dreifaltig, sich verschenkend und
voll Freude unter den Menschen zu sein.
- Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis lässt sich nur tun, nicht
studieren oder erzählen. Ich kann nicht beweisen, wer von
den beiden "sein Leben verpasst", der Egoist oder der, der von Gott her
zu leben lernt; aber ich habe mir vorgenommen,
mit meinem Leben, den zweiten Weg zu versuchen. Amen.
Literaturhinweis:
Guardini, Romano: Theologische Briefe an einen Freund. Einsichten an der
Grenze des Lebens. Herausgegeben aus dem Nachlass. Paderborn,
München, Wien, Zürich (Ferdinand Schöningh). 2 Auflage 1977.