Predigt zum Dreifaltigkeits-Sonntag im Lesejahr C 2007
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3. Juni 2007 - Hochschulgottesdienst Kaiserdom Frankfurt
Der Film
"Voll das Leben" (Reality
Bites, USA 1994) von Ben Stiller gehört nicht zu den
größten
Filmen, die man unbedingt gesehen haben muss. Aber das Spiel von
Winona
Ryder und Ethan Hawke bietet doch die anregende Geschichte junger
College-Abgänger
auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. Der Film hat Stichwörter
für
diese Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag geliefert. |
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1. Suche
- Welcher Traum ging Ihnen mit 18 oder 19 durch den Kopf, als sie
die Schule
verlassen haben? War da vielleicht doch die Idee, im Leben etwas
Bedeutendes
zu leisten - oder etwas zu tun, was Bedeutung hat, für Sie und für
andere? Oder gar ein Mensch zu sein, der Bedeutung hat, für
sich selbst oder für andere? Und wenn es nicht mit 19 nach der
Schule
war, gibt es vielleicht sonst einen Moment, in dem ein jeder Mensch
sich traut,
den Gedanken zu denken, dass das eigene Leben nicht nur darin
besteht, als
Durchschnittsgröße in der statistischen Masse aufzugehen, nicht
nur irgendwas zu tun, sondern etwas, das Bedeutung hat, weil es für
mich
Bedeutung hat und ich mir wünsche und hoffe, dass es auch für andere
Bedeutung hat. Früh genug wird dieser Gedanke für die meisten durch
die so genannten Realitäten im Keim erstickt; bei anderen traut sich
der Keim erst gar nicht an die Oberfläche.
- Ich habe trotzdem den Eindruck, dass diese Hoffnung nicht
auszurotten ist.
Ich glaube nicht, dass das Wunschdenken meinerseits ist. Denn diese
Hoffnung
heißt nicht, dass jeder Mensch eine herausragende, weltbewegende
Persönlichkeit
werden will. Da würden viele sich selbst überschätzen. Vielmehr
heißt die Hoffnung: Ich möchte etwas tun oder gar jemand sein,
was nicht belanglos ist; ich möchte nicht einer sein, bei dem es
keinen
Menschen etwas bedeutet, was ich tue oder bin, mich selbst
eingeschlossen.
Zum Glück dürfen jedoch die meisten Menschen zumindest als Kind
durch ihre Mutter oder gar ihren Vater diese Erfahrung machen, dass
sie doch
jemanden etwas bedeuten. Das kann eine Erfahrung sein, die weit in
das Leben
hineinträgt. Aber es ist noch nicht jenes unverwechselbar Eigene,
von
dem ich möchte, dass es Bedeutung hat.
- Das Studium ist selten dazu angetan, dieser Moment des Besonderen
zu sein.
Zumal in den Massenstudienfächern geht der Einzelne unter, sieht den
Professor kaum einmal von Angesicht zu Angesicht. Meist kann man nur
darauf
hoffen, dass irgendein pflichtschuldiger Assistent die Seminar- oder
Diplom-Arbeit
liest, in die ich Wochen und Monate harter Arbeit gesteckt habe. Ob
das, was
ich bin und kann später auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden
wird,
muss sich auch erst erweisen. Die einen sind überqualifiziert, die
anderen
unterqualifiziert und Dritte falschqualifiziert.
Das alles soll nicht ein Schlechtreden der Realität sein, zumal
Akademiker
immer noch weit bessere Möglichkeiten im Leben haben als etwa
Menschen
ohne Ausbildung, die zwischen Billigjobs und Hartz IV ihre prekäre
Existenz
haben. Dennoch gibt es ja auch die andere Erfahrung, dass etwas
gelingt, dass
Menschen ihr Studium Spaß macht oder es ihnen gelingt, die Aufgabe
zu
finden, in der sie Erfüllung finden. Vor allem aber finden doch
erstaunlich
viele Menschen einen anderen, dem sie, ganz privat, wichtig und
wertvoll sind,
weil er oder sie liebt.
2. Begegnung
- In der Liebe des anderen erfährt der Mensch die eigene Bedeutung.
Der
Satz lässt sich so allgemein sagen, weil er fast tautologisch ist.
Denn
das ist der Liebe zu eigen: dass ein anderer Bedeutung hat. Deswegen
können
wir ein und das selbe Wort gebrauchen, wenn wir von Mutterliebe
sprechen oder
von der Liebe zweier Verliebter, von der Liebe, die Christen
zueinander haben
("Liebt einander" Joh 13,34) und die aufscheint, wenn einer
am Wegrand meines Lebens in einer Situation für mich Bedeutung
gewinnt,
weil ich seine Not sehe - die Nächstenliebe (Lk 10,30f). Ja selbst
noch in der Feindesliebe geschieht das, dass selbst im Feind ich den
Menschen
erkenne, der wertvoll ist und dem ich zugestehe, dass er jenseits
unserer
Feindschaft Bedeutung hat.
- Hier berühren sich die Dimensionen von Glaube, Hoffnung und Liebe.
Denn nicht darin besteht der Glaube, dass ich irgend etwas in der
"wahr/falsch"-Matrix
meiner Grundannahmen ankreuze. Nicht darin besteht die Hoffnung,
dass ich
hoffe, irgendwie werde das Ganze schon nicht schief gehen. Vielmehr
heißt
zu glauben: Dass Gott für mich Bedeutung hat; und heißt das
christlich
zu hoffen: Dass ich für Gott Bedeutung habe. Ja, ich hoffe so sehr,
dass
mein Leben nicht scheitern kann, so lange ich festhalte an diesem
Glauben
und an dieser Hoffnung, weil dies bedeutet festzuhalten heißt an der
Liebe: Dass Gott für mich von Bedeutung ist und dass ich für Gott
von Bedeutung bin.
- Glaube ohne Liebe ist ein Selbstwiderspruch. Man kann daher so
wenig ein
nichtpraktizierender Glaubender sein, wie ein nichtpraktizierender
Liebender,
wie eine nichtpraktizierende Jungfrau. Alles andere ist Camouflage.
Man macht
sich selbst was vor. Für eine Zeit mag es gut gehen, dass Liebende
getrennt
leben müssen. Aber es muss eine Erfahrung davor geben und eine
Hoffnung
auf neues Zusammensein. So mag auch der Glaube an Gott für eine Zeit
gut gehen, ohne dass ich die Beziehung pflege. Aber auf Dauer kann
ich nicht
Glaubender sein und dies nicht praktisch werden lassen. Ob diese
Praxis des
Glaubens immer sonntäglicher Kirchenbesuch ist, sei damit gar nicht
behauptet.
Aber wenn da von meiner Seite gar nichts läuft zwischen Gott und
mir,
wenn Gott nur noch vage behauptete Tatsache als Baustein meines
Weltbildes
ist, dann hat das mit Glauben nicht mehr viel zu tun.
3. Größeres
- Jesus ist ein Glaubender. Denn Jesus ist in erster Linie ein
Betender. Wenn
er sagt, "Ich und der Vater sind eins", (Joh10,30), dann
ist dies
damit gemeint: Dass er ganz aus Gott, seinem Vater lebt, ganz aus
dem Gebet
und ganz aus der Einheit zwischen dem Weg Gottes und seinem eigenen
Weg. Jesus
betet und ist das "Dein Reich komme!" (Mt 6,10). In unseren
Gottesdiensten sprechen wir die Gebete immer "durch Christus,
unsern Herrn",
weil wir uns als Christen dem Glauben und dem Gebet Jesu
anschließen,
der ganz aus Gott lebt. Das macht Jesus bedeutend, in dem was er ist
und in
dem, was er tut. Für ihn ist Gott von Bedeutung und er ist für Gott
von Bedeutung. In ihm, so glauben wir, drückt sich aus und
realisiert
sich, dass der Mensch für Gott von Bedeutung ist. Gott ist ein
praktizierender
Liebender. Jesus ist die Praxis, das Tun der Liebe Gottes. Im
Handeln Jesu
handelt Gott, im Sein Jesu ist Gott.
- Von daher war es sehr bescheiden, wenn ich eingangs meinte, wir
suchten,
dass wenigstens etwas in unserem Leben von Bedeutung ist.
Die Verheißung
des Glaubens ist viel umfassender. Das Leben eines Menschen lässt
sich
nicht zerlegen in kleine Happen, Reality Bites, die zu einem
Video-Clip zusammen
gesetzt werden könnten. In jeder kleinen Liebe ist die große, alles
umfassende Liebe gegenwärtig, in der Liebe der Eltern zu ihren
Kindern,
in der Liebe der Verliebten, in der Liebe zur Schwester und zum
Bruder im
Glauben, in der Liebe zum Nächsten und zum Feind, ja in der Liebe
zur
ganzen Schöpfung. Als Menschen sind wir natürlich begrenzt, sind
hier privat, dort im Studium, dort bei der Arbeit, hier bei diesem
und dort
bei jenem. Aber jedes Kleine kann Bedeutung haben, wenn darin das je
Größere
gegenwärtig ist und wirkt. Gott hat diese Welt geschaffen. Wir
glauben,
dass er in dieser Welt gegenwärtig ist und wirkt. So bekommt das
Kleine
Bedeutung und kann das Große geliebt werden, ohne es absolut zu
setzen
und zu vergöttern, weil Gottes Liebe je größer ist.
- Der die Liebe praktizierende Gott ist der dreifaltige Gott.
Dreifaltigkeit
ist kein abstraktes oder entbehrliches Theologenkonstrukt. Es ist
vielmehr
der Name für die Erfahrung des christlichen Glaubens.
- Die Erfahrung, dass Gott die Welt nicht wie eine Billardkugel
angestoßen
hat, die nun nach seinen Gesetzmäßigkeiten durch das Weltall
fliegt. Vielmehr ist die Schöpfung der Welt durch Gott das, was
immer
stattfindet, wo Leben ist und Gegenwart.
- Die Erfahrung, dass Jesus Christus nicht einfach ein
gescheiter und
vorbildlicher Mensch war, sondern dass er bleibend der ganz mit
Gott verbundene
Mensch ist, in dem wir Gott erfahren und der überall dort wirkt,
wo wir als Christen aus ihm leben.
- Und schließlich die Erfahrung, dass diese Beziehung, die wir
Liebe
nennen, die Beziehung von Jesus zu seinem Vater, zu dem er
betet, die
Beziehung Gottes zu uns, jede Beziehung, in der ein anderer für
einen
Menschen Bedeutung hat: dass all dies Gottes Gegenwart ist,
Gottes Heiliger
Geist, Gott selbst. Amen.