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26.12.2004 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt
1. Heile Familie
• Das deutsche Wort "heil" bedeutet "unversehrt"
oder "vollständig". Die Heilige Familie ist keines von beiden.
So feiern wir denn auch heute das Fest der Heiligen Familie, nicht das einer
Heilen Familie. Denn diese Kleinfamilie war weder unversehrt noch vollständig.
• Das Fest der Heiligen Familie gehört zu den Neuerungen des 20.
Jahrhunderts. Es wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg eingeführt. Seit
dem feiern wir es in der Kirche am Sonntag nach Weihnachten. Dem Fest stecken
die Schrecken der letzten zwei Jahrhunderte in den Knochen. Die Industrialisierung
der Wirtschaft und des Krieges hat nicht zuletzt die Familien hart getroffen.
Die Familie war zwar nie die Heile Welt. In der Zeit der systematischen Vereinzelung
aber könnte die Familie so etwas wie ein Lernort für Gemeinschaft
sein.
• Das heutige Evangelium stellt klar, dass die Heilige Familie bereits
das Schicksal Jesu teilt: Die Vertreibung nach Ägypten steht symbolisch
für das Schicksal, das jede Familie und Gemeinschaft riskiert, die sich
auf den Weg Jesu einlässt. Denn Jesu Weg führte ihn zu den Vertriebenen
und Flüchtlingen.
Wir riskieren aber nicht nur das Schicksal Jesu, wir teilen auch seine Berufung:
"Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen." Dies bezieht
sich auf den Ruf der Befreiung Israels aus der Knechtschaft des Pharaos und
den Weg durch die Wüste.
2. Heilige Familie
• "Heilig" ist etwas anderes als "heil",
auch wenn die beiden Wörter eng verwandt sind. Heilig bedeutet nicht "unversehrt",
sondern "Gott zugehörig". Heilig ist, was Gott zu seinem Eigentum
angenommen hat. Heilig ist, wen Gott unter seinen Schutz genommen hat.
• Im Idealfall unserer Wünsche fallen "heil" und "heilig"
zusammen. Wir bitten Gott darum, dass wir unversehrt bleiben mögen. Dies
ist so legitim wie die Bitte Jesu im Garten Gethsemane, der Kelch möge
an ihm vorüber gehen. Jesus aber fügt die Bitte aus dem Vater Unser
daran an: "Dein Wille geschehe". Auf dem Weg Jesu ist die
Heiligkeit wichtiger als die heile Unversehrtheit. Lieber einäugig oder
mit nur einer Hand in das Reich Gottes als mit beiden Augen und beiden Händen
die Gemeinschaft mit Gott verlieren (Mt 18,8).
• Die Rumpffamilie Jesu ist heilig, weil Gott sie als sein Eigentum angenommen
hat. Joseph stellt Maria und das Kind unter Gottes Schutz, alle drei als Gottes
Eigentum. Nicht dem König Herodes, sondern Gott ist diese Familie ausgeliefert.
Diese Familie ist hineingetauft in die neue Gemeinschaft mit dem himmlischen
Vater, die Jesus Christus schenkt.
3. Gottes Weg
• Die Heilige Familie nur als moralisches Beispiel ist eher
platt. Als das Fest 1921 eingeführt wurde, stand sicher das moralische
Vorbild im Vordergrund. Die heutigen Familie sollten sich ein Beispiel nehmen
an der Familie, die man sich in Eintracht und Liebe verbunden in Nazareth vorstellte.
• Eine Familie mit diesem Schicksal taugt vielleicht wirklich auch als
moralisches Vorbild. Ob es immer Eintracht und Liebe waren, sei dahingestellt.
Ich bin mir aber sicher, dass Menschen die so stark von Gottes Führung
geprägt waren wie Maria und Josef, auch in ihrem Verhalten ein Vorbild
sind. Wichtiger aber als das Bild einer heilen Familie in Nazareth ist für
mich, dass Jesus in eine Heilige Familie hinein geboren wurde, eine von Gott
geführte Familie.
• Die Gemeinde in Kolossä spricht Paulus in der heutigen Lesung an:
"Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen."
Dieser Gruß gilt jeder kirchlichen Gemeinde. Denn heilig zu sein bedeutet
zu aller erst, sich in die Gemeinschaft Gottes hinein nehmen zu lassen. Josef
und Maria trauen den Boten Gottes. Darin sind sie Vorbild. An Pfingsten wird
Maria mit den Aposteln das Kommen des Heiligen Geistes erwarten. Denn diese
neue Familie, die Familie des Glaubens, garantiert uns kein heiles und unversehrtes
Leben in unserer Geschichte. Aber sie bewahrt uns in dem, was das Heiligste
und Wertvollste ist: Die Gemeinschaft mit Gott, dem Ursprung und Ziel allen
Lebens. Amen.