Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Gründonnerstag 2022

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14. April 2022 - St. Peter, Sinzig-Westum

1. Keine Fußwaschung

  • Keine Fußwaschung in Westum am Gründonnerstag! Mehrfach wurde ich darauf hingewiesen, dass ich da gar nicht erst auf dumme Ideen kommen sollte. Auch wenn es drei Mal im katholischen Messbuch für heute vorgesehen ist, hier machen wir das nicht. Es gab mal, hat einer sich erinnert, einen Kaplan, der das mit Jugendlichen versucht hat, aber das muss lange her sein.
  • Nun ist das keine Besonderheit von Westum, sondern gibt es in vielen Gemeinden in Deutschland: Weder die Freiheit gegenüber dem katholischen Messbuch im allgemeinen noch das Weglassen der Fußwaschung im Gottesdienst vom Gründonnerstag (der ohnehin nur fakultativ ist: "Wo die seelsorglichen Verhältnisse es anraten", heißt es). Daher muss ich vielleicht erklären, was das ist.
  • Das Messbuch erklärt: "Die Altardiener geleiten die Männer, an denen die Fußwaschung vorgenommen werden soll [es brauchte Papst Franziskus um durchzusetzen, dass das selbstverständlich auch ein Dienst an Frauen ist!], zu den an geeigneter Stelle bereitgestellten Sitzen. Falls erforderlich, legt der Priester das Meßgewand ab. Dann gießt er jedem einzelnen Wasser über die Füße und trocknet sie ab; die Altardiener sind ihm dabei behilflich." Zwölf Gemeindemitgliedern wäscht der Priester, der Bischof und auch der Papst heute Abend die Füße. Ganz wörtlich, auch wenn diese Füße in der Regel bereits davor so sauber sind, wie selten im Jahr.
    Für Jesus ist die Fußwaschung nicht fakultativ. Er schreibt sie verbindlich vor: "Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen."
  1. Zu seinem Gedächtnis
  • Das Johannesevangelium nimmt diese Erinnerung an den Moment, als Jesus sich hinkniete und seinen zwölf Aposteln die Sandalen auszog um ihnen den Staub von den Füßen zu waschen, und erzählt ihn an der Stelle, an der nach dem Bericht der anderen Evangelien das Brechen des Brotes steht: Nehmt hin, das ist mein Leib, gebrochen für euch! Nehmt und trinkt von diesem Becher, denn in ihm ist mein ganzes Leben. In diesem Mahl erneuere ich den Bund Gottes mit seinem Volk, der erneuerte und Ewige Bund. – Das müsst auch ihr zu meinem Gedächtnis tun!
  • Unter dem Namen des Johannes ist uns das Evangelium überliefert, das tiefer sieht als die drei anderen, Matthäus, Markus und Lukas. Auch hier wird die Bedeutung des letzten Abendmahls erschlossen durch einen tieferen Blick: Erzählt wird die Fußwaschung. Erzählt wird, dass Jesus den Dienst des Sklaven übernommen hat, der vornehmen Herrschaften, wenn sie nach Hause kommen, den Staub der Straße von den Füßen wäscht. Hochnäsigen Herrschaften kam dies wahrscheinlich nicht nur damals selbstverständlich vor. Aber es kam auch nicht nur uns heute merkwürdig vor, sondern schon den Aposteln.
  • Wenn es uns schwerfällt, zu verstehen, was im heiligen Sakrament der Eucharistie passiert, dann können wir darüber gelehrte und hilfreiche Bücher lesen (oder Predigten hören). Oder aber wir nehmen, was Jesus uns zur Erklärung gegeben hat: wascht einander die Füße!

3. Berührungsängste überwinden

  • Wenn wir heute nicht wirklich die Füße waschen, können uns es zumindest einen Moment vorstellen. Sie können sich vorstellen, es hätte Sie erwischt, sie säßen jetzt hier auf einem Stuhl, hätten Schuhe und Socken ausgezogen und säßen da mit blanken Füßen. Und dann komme ich, der Priester, der sonst auf der Kanzel und am Altar steht. Ich lege das feierliche Messgewand ab. Ich knie vor Ihnen nieder, nehme Ihren rechten Fuß in meine linke Hand und mit der anderen Hand gieße ich aus einem Krug Wasser darüber, mit dem ich Ihren Fuß wasche. Danach dasselbe mit dem anderen Fuß.
    Sie ahnen, ich habe das schon öfters gemacht. Nach meiner Erfahrung ist es nicht so sehr das Unangemessene der sozialen Position: Ich als Priester knie vor Ihnen und wasche Ihnen die Füße. Für die meisten Leute ist das größere Problem, so berührt zu werden. –
  • Die Psychologie lehrt uns, dass wir von Natur aus Berührungsängste haben gegenüber dem, was bedrohlich sein kann, dem Unbekannten, dem Fremden – und Spinnen. Berührung und Vermeidung ist sicher kulturell verschieden. Dank Corona sind wir alle da alle etwas ostasiatischer geworden. Doch auch mediterrane Menschen würden sagen: Wenn mir im Alter nichts Anderes übrigbleibt, weil ich selbst nicht mehr drankomme, ist das schlimm genug, aber an den Füßen so berühren lasse ich mich nur von jemandem, den ich kenne, dem ich vertraue .
  • Ich stelle mir vor, dass es den Jüngern damals nicht anders ging, als es mir heute geht. In der Geste der Fußwaschung ist nicht nur das demütige Dienen, dass offenbar typisch ist für Gott. Es ist zugleich die Einladung, die Berührungsängste zu überwinden, mich von Gott berühren zu lassen, zärtlich und intim. – Und Sie erinnern sich: Die Fußwaschung ist der tiefer Blick auf das Abendmahl, die Eucharistie, die Heilige Kommunion! Nehmen wir also das innere Gefühl des Berührt-Werdens mit in den Augenblick, wenn wir heute den Heiligen Leib empfangen und verstehen wir: So will Gott mir begegnen. Amen