Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Geschenkte Freiheit für einander

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20. September 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Gottes Schöpfung des Menschen Freiheit

  • Ich sehe hier ein Dilemma, also eine Situation, in der zwei Aspekte einander ausschließen. Einerseits ist eine gültige kirchliche Hochzeit nur möglich, wenn die Brautleute sich in Freiheit dazu entscheiden. Deswegen ist es meine Aufgabe die Brautleute, bevor sie einander das Sakrament der Ehe spenden, streng zu befragen, ob sie wirklich in Freiheit sich entschieden haben. So wichtig nehmen wir die Freiheit.
    Aber gerade deswegen sehe ich ein wirkliches Dilemma, denn man braucht M. nur zu sehen, um Zweifel zu haben, ob F. irgend eine Wahl bleibt, als die Chance zu ergreifen, einem solchen Wesen alle Tage in Liebe und Treue verbunden bleiben zu wollen. Ist, lautet die Frage, bei so einer Braut der Bräutigam noch frei, etwas anderes als ganz laut 'Ja' zu sagen?
    Es ist also gar nicht so abwegig, dass F. für diesen Gottesdienst aus der Bibel nach langem Suchen eine Lesung ausgesucht hat, in der es um die Freiheit geht. M., so haben mir die beiden versichert, wurde in die Suche und Entscheidung einbezogen.
  • Es handelt sich um einen sehr späten Teil des Alten Testaments, das Buch Jesus Sirach. Darin stellen sich gläubige Juden den großen Fragen der Philosophie ihrer Zeit und suchen Antworten aus ihrer Erfahrung mit Gott. (Dass Luther das Buch Jesus Sirach in seine Bibelausgabe nicht übernommen hat, hat keine inhaltlichen Gründe, sondern erklärt sich nur daraus, dass es zur Zeit Luthers nur in Griechisch, nicht in Hebräisch wie der große Rest des Alten Testaments, vorlag.)
  • Der Abschnitt, den die Brautleute für diese Feier, für sich und für uns ausgewählt haben, berührt die tiefsten Fragen des Menschen. Es steht dahinter die Hoffnung und der Zweifel, ob wir dem Leben und seinem Urheber vertrauen dürfen, angesichts von so viel Leid und Unrecht auf der Welt. Man merkt dem biblischen Text an, dass hier nicht kalte Theorie betrieben wird, sondern dass hier Menschen mit sich und mit Gott ringen. Es ist die Erfahrung, dass Gott sie anspricht, der sie verstehen lässt, dass die einzige Antwort auf die großen Fragen des Lebens die unverstellbare Freiheit des Menschen ist, wie ich mit meinem Leben antworte auf den Ruf, mit dem mir Gott in meinem Leben begegnet. Nicht um alle Last dem Menschen aufzubürden reden wir über die Freiheit, sondern weil nur in Freiheit wirkliche Begegnung und treue Liebe möglich ist.

2. Wo Vertrauen gelebt wird

  • In der Ehe wie im Glauben geht es zutiefst um Vertrauen. Deswegen feiern wir die Ehe als Sakrament, als Zeichen der lebendigen Gegenwart Gottes. Denn Gott ist der letzte, alles übersteigende Grund dafür, dass wir uns selbst und einer oder einem anderen - dem geliebten Menschen - so sehr vertrauen dürfen, dass so ein Eheversprechen möglich ist.
    Gott, der letzte, alles übersteigende Grund, das bedeutet, es gibt viele Erfahrungen, die wir machen und die uns helfen, in das Vertrauen hinein zu wachsen. Aber hinter diesen Erfahrungen ist ein sie tragender Grund: "Er hat im Anfang den Menschen geschaffen", in allem konkreten Vertrauen im Einzelnen ist der Horizont dessen gegenwärtig, der alles Einzelne schafft und erhält.
  • Das Evangelium, das sich die Brautleute zu der Lesung aus Jesus Sirach ausgesucht haben, läuft eigentlich immer auf eines hinaus: Die selbstverständliche Weise, wie Jesus von seinem "himmlischen Vater" spricht und damit den allmächtigen Gott meint, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Für ihn selbst war das der Grund und die Mitte seines Lebens. Allen Bindungen und Erfahrungen, die ihm Halt gegeben haben, hat er von hier her vertraut. Deswegen hatte er diese unbeschreibliche Freiheit zu lieben, deswegen hatte er diese Freiheit gegenüber allen Autoritäten und Machthabern dieser Welt.
  • Man könnte Christsein so beschreiben: Mit Jesus Christus unterwegs sein zu einem solchen Vertrauen in Gott, unseren "himmlischen Vater": "Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn um all das geht es den Völkern, die nicht wissen, dass Gott ihr Vater ist. Euer himmlischer Vater jedoch weiß, dass ihr das alles braucht. Euch muss es daher zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben."

3. Gottes Willen zu tun ist Treue

    • Die Freiheit, mit der M. und F. einander heute die Treue versprechen, ist daher nicht die ängstliche, immer hektisch nach dem immer noch Besseren schielende Freiheit, die sich panisch immer alle Optionen offen halten will, um nur ja nichts zu verpassen. Die Freiheit, in der die beiden heute heiraten ist vielmehr unterwegs zu einem gelassenen Vertrauen, dass Gott den beiden zur rechten Zeit die rechte Kraft schenken wird, die Liebe in Treue, die sie einander versprechen, auch zu leben.
    • Und auch in schlechten Zeiten, wenn es gilt, einander zu ertragen und immer wieder zu verzeihen, ist das Vertrauen die entscheidende Ressource, die hilft an einander dran zu bleiben. Das Vertrauen in Gott ist der Urgrund und Horizont jedes Vertrauens in meine eigene und des anderen Fähigkeit zu lieben.
    • Das Buch Jesus Sirach schreibt: "Gottes Willen zu tun ist Treue". Was M. und F. heute tun, macht es uns möglich zu verstehen, was hier gemeint ist. Die beiden verwirklichen ihre Freiheit, indem sie Gottes Willen und darauf aufbauend einander trauen.
      Gott hat Sie beide geschaffen. Gott hat Sie zusammen geführt und Ihnen die Liebe ins Herz gelegt. Gott hat Ihnen seine Treue zugesagt, und Sie dürfen ruhig, gelassen, freudig und in Freiheit einander sagen: F., M., ich will Dich in Treue lieben, achten und ehren, alles Tage meines Lebens, bis dass im Tod sich Gottes Leben für uns erfüllt, offenbart und vollendet. Amen.