Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Liebe durch Vertrauen

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14. April 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Essen, Trinken und hochzeitliche Kleidung

  • Ich habe nicht den Eindruck, dass die Hage-Stiegler-Herde besonders furchtsam wäre. "Fürchte dich nicht, du kleine Herde!" hatte es am Ende des Evangeliums geheißen, das Isabella und Simon für ihre Hochzeit aus der Bibel ausgewählt haben. Die beiden mögen heute ein wenig nervös sein, wie wir das von Brautleuten am Hochzeitstag auch erwarten. Aber furchtsam kann ich mir die beiden nicht vorstellen. Und auch das "du kleine Herde" könnte sich ja auf natürlichem Wege für diese Familie bald ein wenig mildern. Warum also der Zuspruch, man möge sich nicht fürchten?
  • Jesus benennt zwei Themen: Essen und Trinken einerseits, Kleidung andererseits. Für viele Menschen nicht nur in fernen Ländern ist das ganz wortwörtlich die tägliche Sorge. Essen und Kleidung verweist aber auch symbolisch auf zwei Dimensionen: Die Sorge, dass ich genug bekomme (Essen) und die Sorge, wie ich vor anderen dastehe und erscheine (Kleidung). Beide Fragen sind völlig berechtigt. Wer nicht auch für sich selber Sorge trägt, dem geht bald die Kraft aus, auch für andere da zu sein; wer sich nicht darum sorgt, wie er vor anderen erscheint und dasteht, könnte auch sonst keinen Respekt vor anderen haben.
  • Jesus hatte keine Probleme ausgelassene Hochzeitsfeste zu feiern (Joh 2,1) und auch ein festliches Hochzeitsgewand war ihm selbstverständlich (Mt 22,11f). Dennoch hält Jesus daran fest: Seht auf die Vögel des Himmels und die Lilien auf dem Feld. Auch für diese sorgt Gott. "Wenn aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, das heute auf dem Feld steht und morgen ins Feuer geworfen wird, wie viel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen!" Man könnte Jesu Haltung so auf den Punkt bringen: Der größere Genuss einer Hochzeitsfeier und eines guten Essens hat der, der sich nicht ängstlich darum sorgt.

2. Einander genießen

  • Diese Fähigkeit zum Genuss ist ein zutiefst christliches Lebensgefühl. Deswegen haben Simon und Isabella dieses Evangelium ausgesucht. Sie stehen nicht im Verdacht, den Freuden des Lebens griesgrämig gegenüber zu stehen. Noch nicht einmal einem Schwaben käme das in den Sinn (zumindest wenn er aus der schönen Bodenseegegend kommt), um wie viel weniger einer Oberbayerin. Die angereisten Gäste müssen also keine Angst haben, dass die Auswahl des Evangeliums ein versteckter Hinweis auf eine karge Feier heute Abend sein soll. Feiern und genießen können die beiden. (Und sie waren auch bereit, hart für die Finanzierung des Events zu arbeiten.)
  • Das Geheimnis dahinter ist das Vertrauen. "Euer Vater weiß, dass ihr das braucht", sagt Jesus, und meint mit dem familiären Wort "Vater" den allmächtigen Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat.
    Zum Zwischengesang hatten wir die Vertonung eines Textes aus den Exerzitien des Heiligen Ignatius von Loyola: "En todo amar y servir". Der Satz "In allem lieben und dienen" fasst den Höhepunkt seiner geistlichen Übungen (der "Exerzitien") zusammen. Darin wird zu einer Meditation eingeladen, das eigene Leben und die Dinge dieser Welt, alle Begegnungen und Erlebnisse, anzuschauen und darin den Schöpfer zu entdecken, der mir Mensch in all dem dienen will und seine Liebe erweisen möchte. Er ist der "Vater", auf den wir vertrauen. Dies ist eine grundoptimistische Lebenssicht.
  • Gerade für Sie beide in Ihrer Ehe meint dies: Entdecken Sie jeden Tag, welches Geschenk Sie beide für einander sind, ein Geschenk, das Gott Ihnen gemacht hat, um Ihnen seine Liebe zu erweisen.
    Dass Gott Sie so einander geschenkt hat, bedeutet auch: Sie dürfen einander annehmen, wie Sie sind. Sie dürfen sein, wer Sie sind, ohne jeden Tag Leistung bringen zu müssen, weil das Ja-Wort nur gegeben wäre unter dieser Bedingung. Wer anfängt, ängstlich zu fragen. 'Bin ich noch gut genug für den anderen? Ist der andere noch gut genug für mich?', hat in solcher ängstlichen Sorge schon den Grund verloren, auf den das Sakrament der Ehe gestellt ist: Das Vertrauen, dass Gott, der himmlische Vater, weiß, was Sie brauchen, und Ihnen geben wird, was Ihre Liebe trägt.

3. Feststehen in der Liebe

  • In diesem Zusammenhang ist der Termin der Hochzeit sehr passend. Die Kirche feiert in diesen acht Tagen das Osterfest: Jesus Christus, der von Menschenmacht am Kreuz hingerichtet wurde, ist durch die Macht Gottes zum Leben erweckt. Die Lesung aus dem Brief an die Kolosser beginnt daher den Abschnitt mit der Zusage an die Getauften: "Ihr seid mit Christus auferweckt!".
    Ostern bedeutet für Christen, dass selbst in dem Extrem des Kreuzes, wo einem Menschen alles Ansehen und sogar das physische Leben genommen wurde, das Leben den Sieg davonträgt, wo es im Vertrauen auf Gott gelebt wird. Jesus, der problemlos Hochzeiten feiern und genießen konnte, war nicht erpressbar. Es wurden ihm die Kleider vom Leib gerissen und nur noch bitterer Essig zu trinken gegeben. Dennoch hat er an seiner Liebe zu Gott und den Menschen festgehalten.
  • Ein wenig wird das mitklingen, wenn Isabella und Simon nachher einander die Treue versprechen "in guten und in schlechten Tagen".
    Keiner von uns wünscht Ihnen schlechte Tage, schon gar nicht so schlechte! Ich wünsche Ihnen aber in jeder Situation das, was Paulus den Christen in Kolossä schreibt: dass Sie sich in jeder Situation ausstrecken "nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt". In diesem Blick auf ihn können sie genießen, was Ihnen gegeben ist - und zugleich wissen, dass selbst, wenn Ihnen alles genommen würde - Gesundheit, Beruf, Ansehen oder was auch immer - Ihnen das Wichtigste bleibt: Die Liebe, die Sie einander versprochen haben, und die Liebe, mit der Gott Ihr Herz öffnet für diese Welt.
  • Die beiden fürchten nicht das Wagnis dieser Ehe, denn sie haben sie auf einen guten Grund gebaut. Sie machen sich keine Illusionen. Sie wissen auch, dass in puncto Sorge um Äußerlichkeiten noch Spielraum für mehr Vertrauen ist.
    Entscheidend ist nicht, ob alles ideal ist, sondern ob die Entschiedenheit in die richtige Richtung geht. Und da habe ich keine Sorge. Isabella und Simon sind entschieden, alle Kraft der Liebe in ihre Beziehung zu investieren - und zu vertrauen, dass Gott, der himmlische Vater, ihnen jeden Tag gibt, was sie dazu brauchen. Amen.