Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Sklaven der Liebe

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12. Februar 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Wort Gottes für eine Familie

  • Es sei vorab bemerkt, dass die Auswahl der biblischen Lesungen für diesen Gottesdienst beim Brautpaar lag, die das offenbar in einer Art Familienrat entschieden haben. Wer in den Beratungen eher initiativ, und wer eher still hinnehmend war, entzieht sich meiner genauen Kenntnis - und über meine Vermutungen will ich nicht spekulieren.
  • Meine Hoffnung, wenn Paare sich 'ihre' Lesungen aussuchen ist, dass sie - manchmal mehr zufällig, manchmal mehr systematisch - auf die Texte der Bibel stoßen, denen sie sich an diesem Tag und für ihre Ehe stellen wollen. Daher sollte man in die Auswahl nicht zu viel hinein interpretieren, außer dem einen, dass B. und F. denken, es lohne heute über genau dieses Wort Gottes nachzudenken.
  • Das Evangelium erzählt von den Erfahrungen der Jünger bei der Überfahrt über stürmische See. Die Schilderung führt sehr genau zu den Punkten, an denen Menschen aller Zeiten mit ihren Erfahrungen anknüpfen können: Die Gruppe, die sich aufmacht. Die Stimmung die von Zuversicht in Besorgnis umschlägt, ob das noch zu schaffen ist. Die 'irgendwie' erfahrene Gegenwart Gottes - und doch zugleich die Angst davor: ".... erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst". An der Stelle tritt einer hervor; wahrscheinlich hat er sich daran erinnert, dass er ja eine Aufgabe und ein Amt hat. Petrus wagt und geht den Schritt raus aus dem immer schon Gewohnten im Boot. Und dann setzt eine ganz persönliche Geschichte von Petrus und Jesus, von Scheitern und Rettung ein. Doch diese persönliche Geschichte führt auch die anderen im Boot aus dem Sturm heraus und in eine neue Beziehung zu Gott.
    Sie merken, man muss nur in das Neu-Erzählen kommen und schon wird deutlich, es könnte auch die Geschichte einer Familie sein - oder eine Geschichte, nach der eine Familie versuchen kann, ihre eigene Geschichte zu erzählen und zu verstehen. Hatten sie einen von den Fünfen hier innerlich vor Augen in der Petrus-Rolle dessen, der es wagt auf den See zu gehen? - Dieses Evangelium lohnt und es wäre alles prima und ausreichend für den Anlass heute.

2. Das Los der Sklaven

  • Aber dem Familienrat war das offenbar noch nicht genug. Daher haben sie die Latte noch eines höher gelegt: Sie haben davor die Lesung aus dem Kolosserbrief gesetzt. Das ist ein Text, der offensichtlich von Gesellschaftszuständen und Rollenbildern geprägt ist, die wir mit gutem Recht für uns heute ablehnen. Ich hatte den Eindruck, dass F. und B. diesen Abschnitt lustvoll ausgesucht haben. Er ist eine Provokation, die sagt: Und wenn die Bibel noch so schräg daher kommt, das ist dann immer noch ein spannender Weg, auf dem Gott uns etwas zu sagen hat.
  • Ich könnte mich jetzt blamieren, indem ich die Haustafel aus dem Kolosserbrief ausbuchstabiere: "Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter" - F. würde seine Frau nicht wieder erkennen! "Ihr Männer, liebt eure Frauen" - Was denn sonst! "Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern" - Da wären wir wieder beim Thema Stillung des Seesturmes! "Ihr Väter, schüchtert eure Kinder nicht ein" - J. wird wohl einwenden, das müsse man vor allem den größeren Brüdern sagen!
    Sie merken, so ganz erhaben prickelndes 'Wort Gottes' ist das nicht. Wo steckt da der Biss drin?
  • "Ihr Sklaven, gehorcht euren irdischen Herren in allem! Arbeitet nicht nur, um euch bei den Menschen einzuschmeicheln und ihnen zu gefallen, sondern fürchtet den Herrn mit aufrichtigem Herzen!" Das klingt schon spannender. Denn Sklave-Sein bedeutet ja: Ich muss in einer Situation leben, die ich mir so nicht ausgesucht habe. Ich muss Dinge tun (und sei es nur um Geld zu verdienen), die ich freiwillig nicht tun muss. Das Thema heißt also: Wo bleibt Gott und wie leben wir als Christ, wenn das Leben es eines Tages nicht mehr nur gut mit uns meint?
    Denn wenn ich nur an sonnigen Hochzeitstagen guter Laune bin? Das bekommen auch andere hin. Aber wenn es gelingen sollte, in guten und in schlechten Tagen treu zu sein und das volle Leben zu erfahren, das wäre schon hilfreich.

3. Das Leben ausrichten

  • F. und B. ist diese Feier heute aus zwei Gründen wichtig. Zum einen wollen sie das, was sie nun schon so viele Jahre gemeinsam leben, ganz ausdrücklich in die Beziehung zu Gott hinein nehmen. Deswegen feiern Katholiken die Hochzeit als Sakrament. Die Ehe baut auf der Taufe auf. Im Sakrament der Ehe wird das ganze Leben der Getauften von Gott in Dienst genommen als ein Heiliges Zeichen: Ich, Gott, heilige den Bund Eures Lebens und will durch Eure Liebe meine Liebe den Menschen mehr und in besonderer Weise erfahrbar machen. Es war von daher für die Familie ein echter Verzicht und ist der Fastenzeit geschuldet, dass heute nicht dauernd Halleluja und Lobpreislieder gesungen werden!
  • Zum anderen aber hat vor allem B. gesagt: Diese Feier gehört für sie dazu, die Dinge im Leben zu sortieren; als Frau und Mutter, als Vater und Mann ordentlich verheiratet zu sein. - Ich denke, ich habe das verstanden. Weil ich den Eindruck habe, dass das bei den beiden nicht im mindesten zwanghaft ist, hat mich das aufrichtig gefreut. Ich finde, katholisch zu sein sollte immer auch ein Schuss Pragmatisches an sich haben.
    Vor allem aber: Mit dieser doppelten Motivation passt es verblüffend gut, was der Apostel Paulus denen rät, die als Sklaven Christ geworden sind. Denn, auch wenn die Fesseln der Liebe etwas sehr anderes sind als die Fesseln der Sklaverei: Immer geht es doch darum, sein Leben nüchtern in Ordnung zu halten, aber zugleich von ganzem Herzen auf Gott auszurichten und sich von da her erfüllen zu lassen.
  • Die Antwort der Bibel an Sklaven heißt, knapp gesagt: Wenn es möglich ist, frei zu werden, dann ergreife die Möglichkeit. Wenn das aber - wie häufig - nicht möglich ist, dann setze dich nüchtern hin und frage dich, was für dich wichtig ist. Das ist nämlich nicht die äußere Fremdbestimmung, sondern die innere Freiheit, die aus der Taufe kommt; das ist nicht die Lieblosigkeit in der Welt um dich herum, sondern die Liebe, die Gott in dein Herz gelegt hat. Ihr müsst also alles, was ihr tut, die innere Ausrichtung auf Christus geben, ihn zum Herrn des Herzens machen (das meint: "fürchtet den Herrn mit aufrichtigem Herzen"). Dann bereitet ihr euch durch Freiheit von innen darauf vor, die äußere Freiheit zu erkämpfen, und durch Liebe und Frieden die von innen kommen, die Gerechtigkeit und den Frieden auch nach draußen zu leben.
  • Ich kann mir vorstellen, dass Ihr das ganz gut hin bekommt! Denn die christliche Ehe ist ja nicht zuletzt, dass Ihr die Liebe zu einander - Ehepartner und die ganze Familie! - als Sakrament der Liebe zu Gott leben dürft. Egal ob es gute oder schlechte Zeiten sind, ob in den Ferien oder im Sklavendienst des Alltags: Lasst Euch einfach die Richtung von Eurer gemeinsamen Liebe vorgeben, richtet das Leben darauf aus. Und selbst wenn es Zeiten gibt, wo die Gefühle zu einander allein das nicht hergeben: In der Taufe habt ihr eine Ausrichtung auf die größere Liebe gewonnen, die Euch immer wieder zu dem zurück führen kann, was Ihr heute vor Gott und der Kirche feierlich und festlich erklärt. Amen.