Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Karfreitag 2010

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2. April 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Beteiligte

  • Es sind viele an der Hinrichtung Jesu beteiligt. Verantwortliche können benannt werden. Sie treten mehr oder weniger deutlich in Erscheinung. Alle aber sind sie beteiligt.
  • Hannas ist die graue Eminenz im Hintergrund. Offiziell hat er kein Amt inne. Aber er ist das Oberhaupt der Sippe, die die Macht am Tempel in Jerusalem an sich gerissen hat. Zu ihm wird Jesus zuerst gebracht. Er bleibt im Hintergrund, hält aber die Fäden in der Hand. Dann erst wird Jesus vor den amtierenden Hohenpriester, Kajaphas gebracht. Der aber macht nur, was die graue Eminenz von ihm fordert und liefert Jesus an Pilatus aus. Der Statthalter der Römer laviert und versucht sich herauszuwinden, bis auch er sich beugt, und den Unschuldigen verurteilt.
  • Beteiligt sind aber auch die Soldaten. Ein Hauptmann führt den Befehl. Auf ihn ist Verlass. Die Soldaten führen die Befehle aus. Sie tun was man ihnen sagt. Sie alle sind beteiligt. Die Liste wäre aber unvollständig, wenn nicht noch der eine benannt würde, der in der Passionsgeschichte auch eine Rolle spielt: Der Angst hat, sich zu Jesus zu bekennen. Der seinen Freund und Herrn drei Mal verleugnet.

2. Papst

  • Der Papst hat Jesus verleugnet. Seine Motive könnten ehrenwert gewesen sein. Immerhin ist er nicht einfach geflüchtet, sondern hat versucht, in der Nähe Jesu zu bleiben. Aber als er konfrontiert wurde, hat er geschwiegen. Schlimmer noch: Er leugnet je mit Jesus zusammen gewesen zu sein.
  • Eigentlich ist Petrus, der erste Papst, in dem Geschehen eine Randfigur. Es hat einen Grund, warum dennoch so ausführlich von ihm erzählt wird. Es gäbe so viele andere, die man beim Namen nennen könnte. Die vielen Anderen, die weggelaufen sind. Die vielen Anderen, die am Straßenrand standen und Jesus verspottet haben, nachdem er in ihren Augen keinen Glanz mehr hatte. Mit Namen benannt ist aber nur Petrus, scheinbar eine Randfigur.
  • Soll man dem Evangelisten unterstellen, dass er den Papst diffamieren will? Petrus stand nicht an der Seite des Opfers der Gewalt. Da doch viele, viele andere viel mehr versagt haben, wäre es nahe liegend, dem Evangelisten zu unterstellen, dass er jede Gelegenheit nutzt, dem Papst eins auszuwischen.

3. Berufung

  • Petrus mit seiner Schuld hat eine Aufgabe. Dazu hat ihn Jesus berufen. Hier wird es konkret. Seine Berufung ist es, vor der Öffentlichkeit und zu allen Zeiten als der dazustehen, der nicht den Mut hatte, sich zu Jesus zu bekennen. Gewalt und Verbrechen gab und gibt es an vielen Orten, an denen Petrus nicht beteiligt war. Seine Berufung aber ist es sichtbar zu machen, dass neben den Gewalttätern andere stehen, die versagt haben. Dies ist seine Berufung und sein Dienst an den Menschen.
  • Sicher würden sich viele wünschen, Petrus käme in den Evangelien besser weg. Schließlich ist er derjenige, den Jesus als Felsen seine Kirche eingesetzt hat. Der Auferstandene wird dies bestätigen: "Weide meine Schafe" (Joh 21,17). Petrus aber ist Felsen der Kirche als Sünder. Mehr noch: Er ist Felsen der Kirche als der, von dem mehr als von jedem Anderen in den Evangelien berichtet wird, dass er versagt habe. Petrus ist der Felsen der Kirche. Der Eckstein aber, der Stein, der allein gewährleistet, dass der Bau steht, ist ein Anderer.
  • Es fällt schwer vom Herzen her diese Berufung anzunehmen. Wir würden als Kirche gerne anders dastehen. Wir könnten aber durch das Evangelium lernen, dass Gott zum Heil der Welt die Kirche dazu beruft, dass in ihr und an ihr sichtbar wird, was wo anders verborgen bleibt: Die Schuld, die Gott heilen will. Ich bin nicht Hannas, nicht Kajaphas und nicht Pilatus. Aber ich bin Petrus, der versagt hat. Nicht meine Leistung und meinen Erfolg soll ich verkünden, sondern dass Gott um meine Schuld weiß - und mich doch mit seiner Liebe trägt. Es ist schlimm, zu erfahren, dass Amtsträger der Kirche schwere Schuld auf sich geladen haben. Es ist schlimmer zu wissen, dass Verantwortliche geschwiegen und verleugnet haben. Gemessen an dem was, sonst in dieser Welt Vergleichbares geschieht, mag das statistisch wenig erscheinen. Es könnte aber die Berufung der Kirche sein, die Schuld sichtbar zu machen, zu lernen, dass man darüber sprechen kann, zu zeigen, dass nicht wir selbst der Eckstein sind, vielmehr der, den sie ans Kreuz gehängt haben, als uns der Mut ausging. Amen.