Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt Ostern Lesejahr A - In der Nacht 2014

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19. April 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Keine Illusionen

  • Es ist nicht alles wieder gut.Ostern ist nicht das Happy End, in das der Held reitet, nachdem er beinahe von den Schurken bezwungen wurde.
  • Wer meint, mit Ostern sei alles wieder in Ordnung, was Karfreitag zerbrochen ist, treibt ein gefährliches Spiel mit Illusionen. Denn zum einen ist das Leid des Menschen, das am Karfreitag sichtbar wird, nicht eine vorübergehende Krise.Es ist das echte Leid der Menschen, die weltweit gefoltert und in die Verzweiflung getrieben werden.Und Karfreitag ist der echte, schäbige unumkehrbare Tod, den wir Menschen sterben. Ostern leugnet nicht den Karfreitag, als sei alles doch gar nicht so schlimm gewesen.
  • Die andere Illusion wäre zu meinen, mit der Auferstehung Jesu sei jetzt alles gut. Wenn Leute mich im Vorbeigehen fragen, ob alles in Ordnung sei, antworte ich gerne mit einem klaren Nein. In dieser Welt und auch in meinem Leben ist nicht "alles in Ordnung", sondern im Gegenteil liegt vieles im Argen, trotz Ostern.

2. Das leere Grab

  • Mit dieser Sicht liege ich auf der Linie der biblischen Osterberichte. Die Evangelisten versuchen hier eine sehr komplexe Erfahrung weiter zu geben. Ich bin ganz froh, dass sie das nicht in der Sprache deutscher Gelehrten-Theologie machen, sondern in fassbarer Erzählung.
  • Zunächst wird nirgendwo in den Evangelien eine Auferstehung Jesu geschildert, als sei das ein Vorgang, den man beschreiben oder verfilmen kann. Vielmehr ist das "Ereignis" einfach nur die Tatsache, dass da nichts ist. Die Auferstehung des Gekreuzigten hinterlässt ein leeres Grab; ansonsten bleiben nur ein paar Leinenbinden.
  • Gerade das Matthäus-Evangelium ist da völlig klar. Nicht ein Spektakel, dass ein wiederbelebter Leichnam leuchtend aus dem Grabe hervortritt, wirft die Wächter zu Boden, sondern die Tatsache, dass das Grab leer ist, das sie doch zum Beweis der Überlegenheit der Hinrichtungsgewalt hätten bewachen sollen. Statt dessen ist da nur das leere Grab.
    Alles andere, was Matthäus in gewaltigen Bildern bis hin zum Erdbeben schildert, ist nicht eine Begleiterscheinung eines Auferstehungsvorganges, sondern setzt das leere Grab bereits voraus. Oder anders gesagt: Alles andere, was die Osterevangelien schildern, hängt mit dem weiteren Leben der Jünger zusammen.

3. Aufbruch in das österliche Leben

  • Und damit ist Ostern auf einmal nicht mehr nur das ferne Ereignis, sondern zugleich Gegenwart.
    Das leere Grab ist die sichtbar, historische Seite. Äußerlich hat sich in der Welt der so genannten Fakten nichts verändert außer dieser Leerstelle. Aber von diesem Augenblick an machen Menschen - die mitten im Leben stehen, die Schmerz, Hunger und Einsamkeit leiden, wie jeder andere Mensch auch - die Erfahrung, dass dennoch alles anders ist.
    Durch das leere Grab ist die Gewissheit angeknackst, dass der Tod und die Vernichtung das letzte Wort haben; der Gottessohn am Kreuz öffnet für die Erfahrung, dass Gott in all dem gegenwärtig ist, was bislang mit gutem Grund als Inbegriff der Gottesferne galt.
  • Die Leerstelle des Grabes schafft aber vor allem Raum für eine neue Schöpfung. Da ist nicht schon alles in Ordnung und fertig. Österliche Menschen sind unterwegs, nicht am Ziel.
    Von daher kommen mir mulmige Gefühle bei der Akzeptanz, die eine Putinsche Basta-Politik nicht nur in Russland, sondern offenbar auch verbreitet hierzulande hat. Harte, klare Lösungen wie die Annexion der Krim sind oft populärer als das mühsame, ausgewogene, ergebnisoffene Ringen der Demokratie. Genau für Letzteres sollten aber Christen aus genuiner Überzeugung einstehen. Denn es ist österlich, nicht auf das Gemache zu vertrauen, das doch Christus an das Kreuz gebracht hat, sondern auf das Keimende, das noch Offene des ersten Tages der neuen Schöpfung.
  • Den vier, die in dieser Nacht in unsrer Mitte die Heilige Taufe empfangen, soll das daher auch unser Willkommensgruß sein. Vor ihrer Taufe mag es einen Weg gegeben haben, den sie bis hier her gegangen sind. Doch die Taufe und die Firmung sollen vor allem ein Anfang sein, mit Christus ins Leben hinein aufzuerstehen, neue Wege zu wagen und dabei gestärkt werden durch die Gemeinschaft der Kirche und durch die Heiligen Sakramente des Weges, durch die Gott uns mit Christus zum Leben erweckt. Amen.