Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt Ostern Lesejahr B - In der Nacht 2000

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23. April 2000 - Pfarrei Mariä Himmelfahrt Slavgorod (Altai/Sibirien), Station Schumanowka

1. Suchen in der Nacht

  • Die Leute von Schumanowka sind etwas besonderes und Schumanowka ist nicht ein Dorf wie jedes anderes in Sibirien! Hier gibt es etwas, was man in Sibirien selbst in vielen Städten vergeblich sucht: Hier hat jede Straße am Abend ihre Straßenbeleuchtung. Das ist in Schumanowka ein kleiner Versuch (vielleicht auch ein wenig ein stolzer Versuch), die Wege in der Dunkelheit zu bahnen. Hier soll keiner ins Ungewisse stolpern, wenn er abends unterwegs ist, um jemand anderen im Dorf zu besuchen.
  • Nicht immer reicht eine Straßenbeleuchtung, um den Weg von einem Menschen zum anderen zu finden. Manchmal ist das größte Hindernis nicht das Kreuz, über das man im Dunkeln stolpert, sondern das Kreuz, das wir Menschen tragen. Menschen sind fremd, sind einsam, sind im Tod gefangen. Schon hier braucht es ganz anderes Licht als eine elektrische Straßenbeleuchtung, damit ein Mensch den Weg zum anderen findet.
  • Den Weg zu Gott schließlich werden wir mit Lampen allein nie finden. Der Mangel an Mitleid und der Hass haben Gott an der Einsamkeit des Kreuzes sterben lassen. Endgültiger können wir uns von Gott nicht lossagen. Die Menschen haben die Welt in die Dunkelheit gestürzt, indem sie Gott ins Grab verbannt haben. Ohne alles Licht, außer den jämmerlichen Leuchten am Straßenrand.

2. Die Nacht, die Gott und Menschen verbindet

  • Das Grab hat immer noch etwas endgültiges. Dorthin fällt kein Licht. Von dort gibt es keinen Weg zurück. Sagen wir. Aber mitten in dieser Nacht geschieht das Unerwartbare.
  • In vier Lesungen werden wir auf die Botschaft von Ostern vorbereitet: aus dem Nichts schafft Gott die Welt. Aus der Gefangenschaft befreit Gott das Volk. Die Armen werden beschenkt und belohnt - und Gott überwindet sogar die Nacht des Todes. Ostern ist die Auferstehung aus dem Nichts, der Gefangenschaft, der Armut, dem Tod.
  • Es mag Winkel geben, die die Straßenlampen von Schumanowka nicht ausleuchten. Nachdem der Abgrund des Kreuzes überwunden ist, gibt es nichts mehr, was von Gottes Liebe nicht erreicht werden kann. Er hat in die Tiefe des Grabes sein Licht geworfen, um den Tod zu überwinden.

3. Taufe in die Gemeinschaft der Kirche

  • In den Katechismusstunden habe ich mich redlich bemüht, unseren Taufbewerbern ein paar kleine Lichtlein aufzustecken. Manchem ist das nicht leichtgefallen. Aber das große Licht wird Ihnen in dieser Nacht Gott selbst anzünden. Die Taufe verbindet uns mit Gott, in ihr erhalten wir das Licht der Osterkerze anvertraut für unser Leben. Durch die Taufe werden wir eingefügt in die Gemeinschaft der Kirche, in der trotz aller Menschlichkeit doch immer eines aufleuchtet: sein Licht.
  • Zu allererst schafft die Taufe so einen Weg zu Gott. Den Weg ist Israel gegangen, als das Volk aus der Knechtschaft befreit wurde und Gott es durch die trostlose Wüste führte. Diesen Weg ist aber vor allem Gott selbst gegangen in Jesus Christus. Als Getaufte sind wir daher aufgefordert, in der Gemeinschaft der Kirche, im immer neuen Betrachten der Geheimnisse im Kirchenjahr den Weg Christi nachzugehen, damit wir nicht im dunklen Abseits landen, sondern von Gottes Licht geleitet werden.
  • Es ist dies aber zugleich der Weg zur ganzen Schöpfung. Alle Menschen sind in das neue Volk gerufen: Das verbindet uns nicht nur mit den Brüdern und Schwestern, die wie wir getauft sind, sondern mit allen Menschen. Das hat es dann wieder mit den Straßenleuchten von Schumanowka gemeinsam. Die leuchten auch allen Menschen, die hier langgehen (selbst wenn der Gang wodkabedingt nicht mehr ganz aufrecht ist). Amen.