Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt Ostern Lesejahr B - In der Nacht 2006

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15. April 2006 - Oberschwappach/Knetzgau

1. Der Stein war schon weg gewälzt

  • Dieser kleine Junge ist nun schon zwei Monate alt. Einige Monate davor hat es wohl erst die Mutter festgestellt und es dann dem Vater gesagt: Wir bekommen ein Kind. Vielleicht war es eine Überraschung. Vielleicht haben sie sich schon lange ein zweites Kind gewünscht. Auf jeden Fall aber ist da einer, der sich auf dieses Kind gefreut hat, noch bevor die Mutter überhaupt wusste, dass sie schwanger war: Gott. Auch der Prophet Jesaja kann daher von sich sagen: "als ich noch im Schoß meiner Mutter war, hat Gott meinen Namen genannt." (Jes 49,1)
  • Unsere Phantasie reicht nicht hin. Wir haben Wünsche und Träume. Wir haben Hoffnungen, von denen wir manchmal nicht wagen, sie laut zu sagen. Manchmal spüren wir sogar nur die Hoffnung und können doch gar nicht sagen, was genau unsere Hoffnung ist. Das erste, was wir einander wünschen, ist dann "Gesundheit", als wären wir schon glücklich, wenn wir vor Gesundheit strotzen. Was aber ist wirklich die Hoffnung? Was die Sehnsucht? Ist es Ansehen, dass die Menschen uns loben, oder Reichtum, dass wir uns alles leisten können? Sind dann all unsere Hoffnungen und Wünsche in Erfüllung gegangen?
  • Was war die Hoffnung der Frauen, die am Karfreitag unter dem Kreuz ausgehalten haben (die Männer pflegen in Oberschwappach in sicherer Distanz auf der Empore zu bleiben)? Die Frauen damals waren zumindest nicht weggelaufen, wie die meisten Männer. Sie wollten Jesus einen letzten Dienst tun: den Leichnam einbalsamieren. Aber auch sie haben keine Hoffnung mehr. Die größte Sorge lautet: "Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes weg wälzen?" Auch diese Frauen waren auf Ostern nicht vorbereitet. Ihre Überraschung ist: "Als sie hinblickten, sahen sie, dass der Stein schon weg gewälzt war." Und der Evangelist betont: "Er war sehr groß".

2. Auf den Namen Jesu Christi getauft

  • In dieser Nacht werden wir ein kleines Kind taufen. Wir tun dies im Auftrag Jesu und im Namen des Gottes, den er uns offenbart hat. Das ist für uns alle eine Erinnerung an unsere eigene Taufe. In ihr sind wir hineingenommen worden in das Schicksal Jesu. Und keiner von uns, ob wir nun als Kind oder als Erwachsener getauft wurden, hat gewusst, worauf wir uns dabei einlassen. So schreibt es Paulus im Römerbrief: "Wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, sind auf seinen Tod getauft worden."
  • Jesus ist der, dem alles genommen wurde. Seine Gesundheit ist unter den Geiselhieben und am Kreuz restlos zerstört worden. Von Reichtum war keine Spur mehr. Selbst die letzten Kleider hatten sie ihm vom Leib gerissen. Sein Ansehen war dahin - verspottet wurde er öffentlich und unter die Verbrecher gezählt. In die Gemeinschaft mit diesem Jesus wurden wir getauft. Ich hätte Verständnis, wenn die Eltern unseres kleinen Täuflings unter diesen Umständen mit ihrem Kind die Flucht ergreifen. Selbst die Apostel hatten das getan.
  • Auch die Frauen wussten, dass Jesus alles verloren hatte. Aber sie wenigsten hatten die Kraft, zum Grab zu gehen. Sie wollten um Jesus weinen am Ort, wo er begraben war und mit ihm alle Hoffnung auf Gesundheit, Wohlstand und Ansehen. Sie wollten zum Leichnam im Grab und sorgten sich um den schweren Stein davor. Fassungslos sehen sie: der schwere Stein ist schon beiseite gewälzt. Und der Platz, an dem Jesus gelegen hatte, ist leer.

3. Der Platz ist leer, damit die Hoffnung lebt.

  • "Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte." Ein Engel, ein Bote des Himmels, zeigt ihnen die Stelle, die leer ist. Und sie verkünden die unfassbare Botschaft: "Er ist auferstanden!". Beides gehört zusammen: Die Stelle der gescheiterten Hoffnung ist leer. Der Herr ist auferstanden. Erst wenn der Platz leer ist, entsteht Platz für das, was alle unsere Wünsche und Hoffnungen übersteigt.
  • Im Glauben erfahren wir, dass es etwas gibt, das größer ist als Gesundheit, Wohlstand oder Ansehen. Wir freuen uns, wenn es uns gut geht. Aber wir wissen, dass das weitaus größere Gut die Gemeinschaft mit Gott ist, die Jesus uns schenkt in unserer Taufe. Dieses Gut kann uns niemand nehmen. Dieses Gut erfüllt das Leben auch über die Grenze der gescheiterten Wünsche, ja bis über die Grenze des Todes. Christus ist auferstanden und ist unsere Verbindung zu Gott im Himmel. Noch einmal Paulus: "Und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so können auch wir als neue Menschen leben."
  • Wenn wir heute Nacht ein Kind taufen, dann wird es in diese Gemeinschaft hinein genommen. Es hat einen Vater im Himmel, der den Tod durchbricht. Es hat eine Familie von unzähligen Schwestern und Brüdern, in der Kirche hier auf Erden und in den Heiligen im Himmel. Es wird ein Kind Gottes in dieser Familie und ein Freund und Bruder Jesu. Wenn es heranwächst, wird es das Geschenk erfahren können, Christus im Sakrament des Altares zu empfangen. Es wird wissen: noch vor allen guten Wünschen der Menschen hat Gott es beim Namen gerufen. Noch während wir mit unserer menschlichen Kraft uns sorgen, wie die großen Steine weg gewälzt werden können, ist da ein Engel, der uns verkündet: Ihr seid zum Leben auferstanden und Gott selbst geht euch voraus auf dem Weg eures Lebens. Erschreckt nicht! Gott ist euer Vater, Christus euer Freund und Bruder. Er lebt, hier bei uns. Amen.