Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Ostern am Tage 2008

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23.März 2008 - Universitätsgottesdienst St. Antonius

1. Neue Identität

  • Aus gewöhnlich gut unterrichteten Filmen weiß ich, dass es so etwas wie ein Zeugenschutzprogramm gibt. Wenn Zeugen vor Gericht gegen besonders böse Verbrecher aussagen müssen, dann werden sie geschützt, indem sie eine neue Identität bekommen, einen neuen Wohnort und Arbeitsplatz, vielleicht sogar ein neues Aussehen. Es ist, als seien sie gestorben und als neue Menschen auferstanden.
  • Die Idee hat etwas Verlockendes und etwas Erschreckendes. Verlockend die Idee, noch mal neu anfangen zu können. Ich wüsste schon einige Dinge, die ich gerne anders gemacht hätte und von denen ich mir in Anflügen von Naivität vorstelle, ich würde sie anders machen, wenn ich noch mal neu anfangen könnte. Zugleich aber ist die Idee schon erschreckend. Wenn ich mir vorstelle, was es bedeutet aus Sicherheitsgründen komplett mit dem Alten Leben brechen zu müssen und alle Brücken abzubrechen.
  • Das Ideal scheint in der Mitte zu liegen. Aber die gibt es nicht. Ich kann mir meine Identität nicht einfach neu aussuchen. Ein Bisserl von dem nehme ich mit, ein Bisserl von dem lasse ich gerne zurück. Heraus kommen soll ein Ideal, das Beste an mir. Herauskommen dürfte ein böses Erwachen. So läuft das nicht.

2. Mit Christus auferweckt

  • Paulus versucht zu erklären, was die Auferstehung Jesu für uns bedeutet. In seinem Brief an die christliche Gemeinde in der griechischen Stadt Kolossä beginnt er damit, ihnen klar zu machen, dass sie auferweckt sind. Durch die Taufe haben sie Anteil an der Auferstehung: "Ihr seid mit Christus auferweckt"; ein eigentümlich starkes Wort, "Miterweckte". Ganz nahe zur Auferstehung Christi, obwohl wir gar nicht dabei waren.
  • Solche "Miterweckung" hat Folgen und Voraussetzungen. Mit den Folgen fängt Paulus an: Wenn wir in der Taufe zusammen mit Christus von Gott zum Leben auferweckt werden, dann hat das - wenn wir aus diesem Glauben leben! - eine Lebensrichtung zur Folge: Zum Himmel, wörtlich steht an dieser Stelle "Nach dem Oben, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt". Der Himmel, das ist der Bereich Gottes. Oben ist die Richtung, aus der Christus zu uns gekommen ist (Joh 8,23). Und ich kann mich schon hier nach oben, zum Himmel hin ausrichten. Denn schon hier ist Bereich Gottes. Und der Himmel ist dadurch ausgezeichnet, dass wir dort Christus erkennen, als Thronerben "zur Rechten Gottes". Das bedeutet: Alles, was wir von Christus gehört haben und wissen, seine Reden und seine Heilungen, aber auch sein Leiden und sein Kreuz, gehören in den Kern des Wesens Gottes. Darauf richtet sich aus, wer mit ihm auferweckt wurde.
  • Wie aber kommt es zu diesem "auferweckt werden mit Christus"? Paulus sieht deutlich, dass Kreuz und Auferstehung zusammen gehören. "Ihr seid gestorben", sagt er. Ja, er meint das wirklich, dass wir "gestorben" sind. Und gleichzeitig leben wir ein neues Leben. Ein altes ist gestorben, damit ein neues entstehen kann. Und dieses neue Leben, heißt es, "ist mit Christus verborgen in Gott.".

3. Miterweckte Christen

  • Auf den ersten Blick hat das Ähnlichkeit mit unserem halberten Zeugenschutzprogramm: Ein wenig ist das Alte weg und doch nicht alles. Die Ähnlichkeit trügt. Denn Paulus meint ja uns, die Getauften, die da sind und nicht 'irgendwie weg' oder halbert vergessen. Keineswegs denkt er, dass sozusagen die Christen als Eingeweihte einen inneren lebendigen Leib sehen, während die böse Welt draußen nur den eigentlich toten äußeren Leib sähe - oder ähnlichen spirituellen Unsinn, wie er nicht nur damals populär war.
  • Wir sind mit unserem irdischen Leib Auferweckte. Wie der auferstandene Christus die Wundmale trägt, tragen wir alle Male unseres Lebens an uns. Die Narben unserer Biographie sind da. Jeder kann sie sehen. Manche sind vielleicht richtig hässlich Narben von Schuld, die wir auf uns geladen haben. Manche sind vielleicht nur die Narben eines Lebens in Mittelmaß und Verbitterung. Aber genau dieser Leib, mit seinen Narben darf leben. Dieser Leib soll leben. Die Richtung ist eben nicht das "von unten", sondern das "von oben". Weil wir an einen glauben, der zu den todeswürdigen Verbrechern gerechnet wurde, brauchen wir nichts an uns zu verstecken, wenn wir uns mit diesem Gekreuzigten von Gott mit-auferwecken lassen.
  • Das ist nicht immer sichtbar. Schon gar nicht strahlend herrlich. Der Glaube kann nach außen hin ganz unscheinbar sein. Er wird nicht prahlen und groß tun. Er wird wachsen, langsam wie ein Samenkorn. Aber er kann wachsen und uns Halt geben: Das Alte kann sterben, denn wir sind mit Christus auferweckt. Wir brauchen unser Leben nicht schönzureden, denn schön sind wir in den Augen Gottes allemal. Das ist vielfach verborgen, nicht nur anderen, auch mir. Aber ich darf diese Zuversicht haben, diese Hoffnung und diesen Glauben. Denn, "wenn Christus, unser Leben, offenbar wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit". Amen.