Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Ostern am Tage 2011

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24. April 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Engel oder Mensch

  • Maria von Magdala sieht einen Engel und einen Menschen. Im Grab sieht sie den Engel. "Frau, warum weinst du?", hört sie ihn fragen. Als sie sich umwendet aber sieht sie einen Menschen. Sie meint, es sei der Gärtner. Erst als der Mensch sie anspricht und beim Namen nennt - "Maria!" - erkennt sie Jesus und spricht ihn an: "Rabbuni - Meister!".
  • Genau besehen ist das erstaunlich: Den Engel scheint Maria als Engel zu erkennen. Aber in Jesus sieht sie zunächst nur den Menschen. Es hätte auch der Gärtner sein können.
    Was hat es auf sich mit dem Auferstandenen? Die verschiedenen biblischen Berichte lassen doch keinen Zweifel daran, dass er nicht einfach so wieder zum Leben gekommen ist wie Lazarus. Der war tot und lebte wieder als Mensch wie zuvor. In den Begegnungen mit dem Auferstandenen aber wird Jesus immer geschildert als einer, der ganz Jesus und doch anders ist. Er scheint einen anderen, neuen Leib zu haben. Wäre es da nicht viel naheliegender, Maria Magdalena hätte Jesus für einen Engel gehalten, statt für einen Menschen?
  • Offensichtlich betont auch dieses Osterevangelium: Der Auferstandene ist ein Mensch, kein Engel. Er hat nicht aufgehört, Mensch zu sein, wenn auch auf neue Weise. Und dort, wo er mit uns und wir mit ihm in Beziehung treten - Jesus spricht Maria beim Namen an -, dort erkennen ihn die, die mit ihm vertraut sind, als Jesus aus Nazareth.

2. Auf neue Weise Mensch

  • Ostern ist der Durchbruch zu einer neuen Qualität, Mensch zu sein. Papst Benedikt hat in dem eben erschienen zweiten Teil seines Jesus-Buches dafür ein Wort gebraucht, von dem er selbst sagt, dass es gewiss auch missverständlich sei: Mutationssprung, die sprunghafte Veränderung in eine neue Weise des Menschseins.
  • Die Geschichte der Evolution läuft nicht kontinuierlich, sondern kennt immer wieder solche Sprünge. So sehr die Pflanze in der Materie und das Tier in der Pflanze und der Mensch im Tier als Möglichkeit enthalten war, so sehr war es doch jeweils ein Mutationssprung. Bei aller Verwandtschaft des Menschen zu seinen affenähnlichen Vorfahren, ist das geistbeseelte Wesen Mensch doch ein qualitativ neues und anderes Wesen in der Schöpfung.
  • Wenn der Papst probeweise für das, was in der Auferweckung Jesu von den Toten geschieht, das Wort Mutationssprung benutzt, dann macht das deutlich: In Jesus als dem Erstgeborenen der Neuen Schöpfung hat der Mensch die Möglichkeit erreicht, Mensch zu bleiben und doch auf eine neue Weise.

3. Ganz aus Gottes Liebe

  • Der Sprung in das neue Leben ist wie alles Leben Schöpfung Gottes. Gott hat Jesus auferweckt. Zugleich ist das Neue aber in Kontinuität mit dem Alten. Es konnte in einer Art Mutation daraus entstehen. Das alte Leben auf Erden ist unsere Weise Mensch zu sein: Von Gott zur Freiheit und zur Liebe gerufen, als Menschen in unserem sterblichen Leib.
  • Unsere Weise Freiheit und Liebe zu leben ist dabei immer sterblich. Zu oft missbrauchen wir die Freiheit nur für uns selbst, statt sie mit der Berufung zur Liebe zu verbinden. Zu oft wird Freiheit zur Willkür, in der Menschen einander das Kreuz auferlegen und Gewalt antun. Zu oft ist die Freiheit in den Fesseln von Egoismus und Gleichgültigkeit. Aber die Freiheit und Liebe sind in uns angelegt. Deswegen konnte Jesus, ganz Mensch, in Freiheit das Kreuz auf sich nehmen und sein Leben hingeben aus Liebe zu uns. Diesen Menschen, Jesus von Nazareth, hat Gott aus der Sterblichkeit befreit. Seine Liebe endet nicht am Kreuz; sie beginnt am Ostermorgen hineinzustrahlen in die ganze sterbliche Welt.
  • Deswegen feiern wir Ostern. Wie Maria hat uns Christus in der Taufe beim Namen genannt. Im Glauben erkennen wir, dass dieser, der ganz Mensch war, mit seiner Liebe den Zeugen der Auferstehung begegnete, nicht als Engel, sondern als Mensch im neuen Leib. In diesem Leib ist er beim Vater, "bei seinem und unserem Gott" und von dort her hat er uns den Heiligen Geist gesandt.
  • Aber auch deswegen feiern wir Ostern: Weil die Auferweckung zum Neuen Leben uns dazu einlädt, schon heute die Freiheit und die Liebe zu verwirklichen, die Gott vollenden will in der Auferweckung von den Toten. Gott selbst ruft uns heute schon in das Neue Leben; noch ist es verborgen im Sterblichen, mit Christus wird es verwandelt werden zur Unsterblichkeit. Amen.