Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Palmsonntag im Lesejahr A 2023

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2. April 2023 - St. Sebastianus, Sinzig-Bad Bodendorf

 

1. Dramatik  

  • Erdbeben. Die Erde ist erschüttert, wenn Jesus am Kreuz stirbt. Dieses starke Bild findet sich nur im Matthäusevangelium. Die schreiende Ungerechtigkeit der Ermordung des einen Gerechten erschüttert die ganze Erde.
  • Die Gräber öffnen sich. Die Erde vermag die Toten nicht mehr zu halten. Eigentlich sind sie – nach biblischem Weltbild - in der Unterwelt gefangen bis zu dem Gericht, das nach dieser biblischen Vorstellung am Ende der Zeiten kommt. Doch das Matthäusevangelium will deutlich machen, dass dieses Ende schon jetzt durchbricht.
  • Dann, schreiben alle drei synoptischen Evangelisten, sei der Vorhang im Tempel von Jerusalem zerrissen worden. Das ist der Vorhang, der in der Mitte des Tempels das Allerheiligste, also Gottes Herrlichkeit, verhüllt hatte. Nur auserwählte Priester durften einen Blick hinter den Vorhang tun. Wenn dieser Vorhang reißt, bedeutet das, dass die Herrlichkeit Gottes nun vor aller Welt sichtbar geworden ist.

2. Schicksal

  • Bis zu diesem dramatischen Punkt erzählt das Evangelium fast nüchtern die Ereignisse die zu Verhaftung und Verurteilung und Hinrichtung des Jesus von Nazareth geführt haben.
  • Es reicht vollauf, dieses Schicksal nüchtern zu schildern. Mit ihm wird das Schicksal vieler Menschen, die Unrecht erleiden, sichtbar. Für mich ist es eine sinnlose Frage, ob das Leid anderer Menschen in anderen Situation, oder ob die ihnen angetane Ungerechtigkeit größer oder kleiner oder vergleichbar oder unvergleichbar sei. Wer so fragt hat nicht verstanden, warum Jesus von sich als dem "Menschensohn" spricht.
  • Das Besondere am Kreuz Jesu ist der Ort Jerusalem, wo der Tempel des einen Gottes steht, und ist,dass Gott in diesem einen Jesus von Nazareth sichtbar sein will. Er ist der Christus. Und in ihm zeigt sich Gott an der Seite der Menschen.

3. Herrlichkeit

  • Das dramatische Schildern des Erdbebens macht deutlich, dass mitten in diesem Unrecht Gott selbst erscheint. Erdbeben ist in der Sprache der Bibel eine Begleiterscheinung Gottes. Doch hier reißt das Beben den Graben auf, an dem die Abwesenheit Gottes sichtbar wird. Wo Menschen einander Gerechtigkeit verweigern und wo Gewalt herrscht, leugnen sie Gott. Gewalt ist gelebter Atheismus, selbst wenn die Gewalt mitten in der Kirche stattfindet und von höchsten Würdenträgern ausgeht. Dass die Würde des Menschen missachtet wird, definiert den Atheismus. der Gott als Urheber des Lebens leugnet.
    Doch dieser Atheismus der Menschen bedeutet nicht die Abwesenheit Gottes. Gott selbst, sein Christus, trägt das Kreuz. Das ist die Weise, wie Gottes Herrlichkeit aufscheint. Hier wird der Vorhang zerrissen.
  • Wir haben heute diese Geschichte gehört. Wir beginnen mit ihr die Heilige Woche. Wenn Gott in dieser Woche für uns gegenwärtig sein soll, dann werden wir ihn nur dort sehen, wo wir die Augen nicht davor verschließen, dass Menschen Gott durch ihr Tun leugnen: Indem sie andere verspotten, die Macht anbeten, Leid zufügen, sich abwenden, manipulieren und Gewalt anwenden. Wenn wir uns darüber hinaus erinnern, was Jesu Lehre und Lebenspraxis war, dann wissen wir, dass er ausdrücklich nicht die Welt nach Gut und Böse teilen wollte. Dann wäre nur das Leid des Gerechten der Skandal. "Jesu erster Blick galt nicht der Sünde der Anderen, sondern dem Leid der Anderen" (J.B. Metz). Daher ist sogar das Leid, das der Sünder letztlich immer auch über sich selbst bringt, auf dem Leidensweg Jesu gegenwärtig.
  • Sehen wir dies, so sehen wir den Ort der Anwesenheit Gottes. Wir könnten so viele Geschichten hören über Unrecht, das Menschen auf dieser Welt widerfährt. Wir könnten sie mitten unter uns sehen. Oft sublim, aber gegenwärtig. Wenn sie uns nicht gleichgültig lassen, dann zerreißt in der Erschütterung über dieses Unrecht der Vorhang und scheint Gottes Herrlichkeit auf.