Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Palmsonntag im Lesejahr B 1994 (Markus)

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27. März 1994 - Pfarrkirche Niederwald/Oberwallis

1. Der Verräter

  • Wie mag das "Rabbi" geklungen haben, mit dem Judas Jesus begrüßte, um ihn zu verraten? Es gibt unzählige Spekulationen über die Motive des Judas, aber alles sind nur Spekulationen; wir wissen es nicht. War es die blanke Geldgier, wie das späte Johannes-Evangelium sagte? Das Markus-Evangelium gibt uns keinen Hinweis.
  • Wie auch immer: Judas ist einer, der seine Träume und seine Begeisterung verraten hat. Dabei könnten dies sogar ganz ernste Gründe gewesen sein. Manche vermuten, Judas wollte Jesus nur dazu zwingen, sich der Welt zu offenbaren. Judas wäre dann der Ungeduldige, der sich nicht mehr hinhalten lassen möchte, der Ergebnisse will, der darauf hofft, wenn Jesus erst einmal mit der Staatsgewalt konfrontiert wird, dann wird er sich - in Jerusalem - offenbaren: als der Messias, der Israel erlösen wird
  • Es fällt leicht, Judas zu verurteilen, wenn wir uns selbst nie wirklich für etwas begeistert haben. Manche halten ihre Welt klein und ihre Träume kurz. Dann kann mir nichts passieren. Andere leisten sich nur Träume, die nach Franken und Rappen berechnet werden können. Die Größe dessen, wozu Gott den Menschen erschaffen hat, erreicht keiner der beiden Typen.

2. Einzug zum Kreuzweg

  • Mit Jesus zieht die Gruppe seiner Jünger in Jerusalem ein. Sie haben sich von Jesus wegrufen lassen von ihren Booten und aus ihren Dörfern und sind voll Begeisterung mit diesem Jesus gezogen, weil sie an seine Person all ihre individuellen und politischen Wünsche gehängt haben.
  • Prophet und Wilhelm Tell in einem. Unter dem Kreuz werden nur noch der halbwüchsige Jüngling Johannes und die Mutter Jesu anzutreffen sein. Die anderen sind vor dem Scheitern Jesu davongelaufen und haben ihren Herrn verleugnet.
  • "Anderen hat er geholfen, jetzt soll er sich selbst helfen", wird Jesus spottend zugerufen. Mit diesem Satz wird offenbart, dass der Weg Jesu sich radikal von allem unterscheidet, was wir uns ausdenken würden. So wie Gott, der Vater, die Schöpfung ganz auf sich heraus geschaffen und in die Freiheit entlassen hat, so will er in Jesus die Welt erlösen, indem er ihre ganze Wirklichkeit umfängt. Nicht sich selbst zu helfen geht Christus den Weg des Kreuzes.

3. Gott ist anders

  • Gott will die Welt begeistern, nicht beherrschen. Er will der Welt seien Geist mitteilen. Dieser Weg führt notwendig durch Enttäuschungen hindurch.
  • Wenn wir diesen Weg nicht mitgehen, die Karwoche nicht durchleiden, werden wir an Ostern nicht die Auferstehung des Wortes Gottes, sondern nur unsere eigene Selbstgefälligkeit feiern können.
  • Wir dürfen uns von Gott begeistern lassen. Wir werden dabei aber erfahren, wie viel uns daran hindert, den Weg der sich verschenkenden Liebe zu gehen. Der Herr trägt das Kreuz, damit wir in ihm die Kraft finden, unsere Enge zu kreuzigen, um mit ihm zum Leben aufzuerstehen. Amen.