Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Palmsonntag Lesejahr C 2016 (Lukas)

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20. März 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Tränen

  • "Petrus ging hinaus und weinte bitterlich." Die Überlieferung wollte dieses Detail offensichtlich nicht weglassen. Vielleicht weil es doch kein Detail ist. Zu mindest für Petrus selbst ist es das nicht.
  • Er weint bitterlich, als er erkennt, dass Jesus recht hatte. Er, Simon Petrus, der Felsen, würde drei Mal leugnen, Jesus zu kennen. Das, was Petrus für unmöglich gehalten hat, ist eingetreten. Der, den Petrus nie in sich sehen wollte, ist sichtbar geworden. Er sah sich immer als den starken Helden: "Herr, ich bin bereit, mit dir sogar ins Gefängnis und in den Tod zu gehen." Dieser Held weint nun bitterlich.
  • Zu sehr kommen wir als Christen aus der Selbstüberschätzung (oder aber fallen in Selbstunterschätzung), ohne aber so oder so im letzten Ernst dabei vor Gott zu stehen.
    Statt dessen sollten wir uns durch Christus unser falsches Selbstbild zerbrechen lassen, indem wir ihn sichtbar machen lassen, wie schwach wir in Wirklichkeit sind - und angesichts dessen die Erschütterung zulassen, die Petrus erlitten hat. )Oder wie viel Kraft uns Gott gegeben hat - und uns dieser Kraft unseren Fragen und Zweifeln zu stellen.)

2. Kennen

  • Drei Mal hat Petrus geleugnet, Jesus zu kennen. Er tat dies, weil er meinte, damit könne er das Heft des Handelns in der Hand behalten.
  • Er meinte, irgend eine geniale Befreiungsaktion würde ihm noch einfallen. Dabei ist ihm gar nicht aufgefallen, dass er in seiner Lüge die tiefste Wahrheit bereits ausgesprochen hatte: "Ich kenne ihn nicht!"
  • Die Tränen des Petrus gelten nicht dem gescheiterten Plan. Die Tränen sind heilsam, weil sie ihm die bittere Wahrheit in das Herz geschrieben haben: Ich kenne ihn nicht! Alles, was ich über ihn dachte, stimmt nicht! All das, womit ich mich groß fühlte als der erste seiner Apostel, es zerbricht hier und wird wertlos.

3. Gehen

  • Genau dies ist die Einladung des Evangelium am Beginn der Heiligen Woche. Die Texte beginnen mit dem Jubel der Anhänger und enden mit dem Spott derer, die ihn nicht kannten. Dazwischen zerbricht das Bild, das sich seine Freunde von Jesus gemacht haben. Er ist nicht der königliche Messias, an dessen Seite sie glänzen und zur Herrschaft gelangen können.
  • Vielleicht vermag der Gottesdienst des Palmsonntag ja auch bei uns zumindest ein wenig genau dies: Uns verunsichern in der Meinung, Jesus zu kennen. Vielleicht kann der Anblick des bitterlich weinenden Apostels uns etwas in die heilsame Verstörung führen, ohne die wir Gott dauerhaft aus unseren Herzen ausschließen würden.
  • Die kommenden Tage können Stationen sein, zumindest ein wenig selbst den Weg neu zu gehen, der am Ursprung unseres Glaubens steht: Mit der Gelegenheit zur Besinnung und zur Beichte am Mittwoch. Mit der Feier des letzten Abendmahles am Donnerstag, wenn uns noch einmal im Rückblick diese schon im Ansatz gescheiterte Selbstsicherheit des Petrus begegnen wird. Im Schweigen des Karfreitags, im Beugen vor dem Kreuz. Und im Vertrauen, mit dem wir der Osternacht entgegen gehen können, gerade wenn wir nicht schon wissen, was dieses Osterfest für uns am Ende bedeuten wird. Amen.