Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Pfingsten 2012 (Galater)

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26. Mai 2012 - Kleiner Michel, Hamburg

1. Praxis aus einer neuen Wirklichkeit

  • Das Versprechen Jesu heißt: Der Heilige Geist teilt uns das mit, was der himmlische Vater Jesus, dem menschgewordenen Sohn gegeben hat. Das wird für uns geöffnet, uns vorgelegt, uns gegeben. Das klingt allerdings nicht sehr praxistauglich.
  • Nichts ist im Glauben so praxisnah wie der Heilige Geist. Dass dieser Kosmos und ich in ihm nicht aus uns selbst kommen, sondern Gott ihr Schöpfer ist, ist eine wichtige Einsicht. Dass Gott selbst Mensch geworden ist und uns als Schwestern und Brüder Jesu Christi angenommen hat, das ist eine umstürzende Erkenntnis. Aber praktisch wird all das erst im Heiligen Geist: In ihm ist Gott die Kraft, die mein Leben und Handeln bestimmen kann, wenn ich mich dafür entscheide. An Pfingsten beginnt der Glaube, sich in Praxis umzusetzen.
  • Allerdings beginnt diese neue Praxis nicht damit, dass die Menschen etwas anderes tun. Die Apostelgeschichte schildert vielmehr, dass durch den Heiligen Geist Menschen beginnen, etwas anderes zu sein.
    Zunächst sind sie nur verschieden. Der Bericht listet dazu all die Völker auf, aus der die Menschen kommen. Sie bleiben auch verschieden, "Parther, Meder, Elamiter" usw.. Aber trotz der Sprachenvielfalt, die sie trennt, "hören sie in ihren Sprachen Gottes große Taten verkünden". Im Hören auf das, was Gott tut, entsteht für jeden einzelnen von ihnen eine neue Wirklichkeit. Was von den Sprachen gilt, gilt für alles, was uns Menschen verschieden und einzigartig macht. Dieser Unterschied wird nicht aufgehoben. Und dennoch entsteht durch Gott eine neue, verbindende Wirklichkeit.

2. Sein und Behren

  • Zwanzig Jahre später hat sich der Glaube schon weit ausgebreitet. Auch in der Provinz Galatien in der heutigen Zentraltürkei, gibt es christliche Gemeinden aus vielen Völkern. Der Brief, den der Apostel Paulus an diese Gemeinden geschrieben hat, ist uns erhalten. Darin geht es darum, welche Praxis daraus folgt, dass Menschen quer zu allen Unterschieden verbunden sind durch den einen Heiligen Geist, der durch Jesus Christus auf sie alle gekommen ist. In diesem Geist sind sie alle getauft und dadurch eine neue Wirklichkeit geworden. Nun gilt es, den Anregungen dieser neuen Wirklichkeit gemäß zu leben. Wie sieht das praktisch aus?
  • Es gab offenbar Christen, die ganz davon überzeugt waren, dass sie die besseren Christen sind: Sie meinten, dass sie ganz von Gottes Geist bestimmt seien. Ihnen will Paulus einen Spiegel vorhalten. Deswegen wählt er zwei Ausdrücke, die für diese Christen gängig waren: "Geist" und "Fleisch". Aber während diese Geist-Christen mit dem verächtlich gewählten Ausdruck "Fleisch" eher Leibfeindlichkeit verbunden haben, macht Paulus ihnen und damit auch uns heute deutlich, worum es in Wirklichkeit geht.
  • Die Frage lautet: 'Was bestimmt dein Denken und Handeln? Welches "Begehren" ist bei dir eigentlich die Triebkraft? '
    Nun, das hängt davon ab, wer ich bin. Wenn ich nur dieses biologische Wesen bin, das nach dem Naturgesetz des "Survival of the Fittest" genetisch darauf codiert ist, in allem seinen Vorteil zu suchen, dann ist die Selbsterhaltung, der Selbstschutz und die Gewinnmaximierung die entscheidende Triebkraft. Wenn ich aber Gottes Heiligen Geist in mir und durch die Taufe die Gotteskindschaft geschenkt bekommen habe, dann wird Gott mich erhalten und schützen und das maximieren, was meinem Leben wirklich Sinn verleiht.
    Durch den Heiligen Geist, meint Paulus, fällt die Notwendigkeit weg, Selbsterhaltung an die erste Stelle zu setzen, denn Gott hat ja sogar den, dem alles genommen wurde und der am Kreuz getötet worden war, aus dem Tod gerettet und die Fülle des Lebens verliehen.

3. Die eine Frucht des Geistes statt der Werke des Fleisches

  • Paulus macht zwei lange Kataloge. Das klingt wie eine Liste von Dingen die man tun und Dingen die man lassen soll. Die Galater kannten so etwas, denn das stand ganz ähnlich in den Erziehungsschriften, die griechische Weisheitslehrer damals unter das Volk brachten.
    "Unzucht, Unsittlichkeit, ausschweifendes Leben, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid und Missgunst, Trink- und Essgelage und ähnliches mehr" - die Negativliste. "Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung" - die Positivliste.
    Nur, Paulus schreibt eben doch nicht das selbe, was in jedem Ratgeber steht. Zwei Punkte fallen auf.
  • Erstens 'versteckt' Paulus in der Liste all der Dinge, die jeder vernünftige Mensch negativ sieht, die Stichwörter: "Spaltungen, Parteiungen". Das ist genau das, was diejenigen tun, die sich eigentlich als gute Christen und Geisterfüllte halten. Dadurch, dass sie etwas besseres sein wollen, machen sie das Werk des Heiligen Geistes zunichte. Der eine Heilige Geist und die eine Taufe heben die Unterschiede in der Kirche auf. "Spaltungen und Parteiungen" schaffen neue Grenzen.
    Letztlich, meint Paulus, kommt so ein Verhalten aus dem selben Antrieb wie "Neid und Missgunst" oder "Unzucht, Götzendienst, Streit und Eifersucht". Der Anrieb dazu kommt daher, dass Christen wieder dahin zurückfallen, nicht mehr als intelligente Tiere zu sein.
  • Das zweite, was auffällt ist: Paulus spricht von den "Werken des Fleisches", aber von "Frucht des Geistes". Darin liegt in der Tat der entscheidende Unterschied. Wer aus dem Blick auf "Gottes große Taten" lebt, der muss nicht viele "Werke" tun - immer und immer wieder darum kämpfen, dass ich gut dastehe, den "Gesetzen" gemäß lebe und nur ja nicht etwas falsch mache. Betont sagt Paulus: Aus dem Heiligen Geist wachsen "Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit" organisch wie eine einzige Frucht. "Alle, die zu Christus Jesus gehören, haben ihre Begierden gekreuzigt".
    Christsein bedeutet die Entscheidung auf Gott zu vertrauen, der selbst das Kreuz überwunden hat. Christsein bedeutet, nicht vieles zu tun, sondern darauf zu vertrauen, dass wir etwas anderes sind: Gottes geliebte Kinder. Dazu ist uns der Heilige Geist geschenkt. Um das zu erinnern feiern wir Gottesdienste, in denen wir wie damals beim Pfingstfest "Gottes große Taten verkünden". Amen.