Predigt 1. Adventssonntag Lesejahr C 1991 (Lukas)
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30.11.1991 - St. Evergislus, Bonn Bad-Godesberg
1. Advent und Angst
- Allenthalben wird bereits adventliche Stimmung verbreitet, nicht nur im Radio und im Fernsehen, nicht nur in der
Fußgängerzone, sondern häufig auch in der Familie und in der Kirche. Es ist halt Advent.
Dagegen dürften die Meisten das heutige Evangelium als stimmungsmäßig unpassend empfinden: Die Endzeitrede Jesu
passt so gar nicht in unseren Advent.
- Der Anlass für die Rede Jesu war eine naive Bewunderung der Jünger für den Tempelbau in Jerusalem. Die Antwort Jesu
auf den ungetrübten Architekturgenuss der Jünger ist: Not wird über die Erde kommen. Der Tempel wird zerstört
werden. Die Kirche wird verfolgt werden. Der Kosmos wird erschüttert werden.
- Angst, Erschütterung, Not, das sind die Themen Jesu am Beginn dieses Advents. Advent, das ist dieses Jahr im
Evangelium nicht nicht besinnlich, sondern Ankunft Gottes wie unter schmerzhaften Wehen.
2. Kriegszeiten
- Der Film Jesus von Montreal nimmt einige Motive aus dem Evangelium auf und setzt sie in einen neuen Kontext. So
findet sich dort auch die Endzeitrede Jesu. Hier ist die Szene in einen futuristischen U-Bahnhof verlegt, dessen großartige
Architektur unwillkürlich an einen modernen Tempel gemahnt: modernste Technik, gelungene Ästhetik und darin
integriert dezente Werbung. Es schreit aus der Kulisse geradezu: "Seht, was wir alles erreicht haben: Technik, Fortschritt,
Humanität"
- Vor dieser Kulisse wirkt die Rede von der Not dieser Welt, von Elend, Zerstörung und Krieg, ganz widersinnig und
unpassend. Ähnlich, wie es auch in Jerusalem angesichts des prächtigen Tempels gewesen sein mag.
- Der Karneval wurde 1991 abgesagt wegen des einsetzenden Zweiten Golfkriegs.
So tief traf uns der Schock, dass die Friedenshoffnung von 1989 sich nicht
erfüllte. Ich bin mir sicher, der nächste Karneval wird wieder stattfinden.
Dennoch bleibt ein Gefühl, das sagt: Wie kann man feiern, wenn..., wenn die Welt nicht in Ordnung ist.
3. Christus kommt
- Es ist nicht einmal unser Leid. Es ist das Leid der anderen. Es ist das Leid in anderen Teilen der Welt, fern, fremd. Wir
nennen es die Dritte Welt. Dieser Name sagt alles: Wir definieren von uns her, unserer Auswahl an Nachrichten im
Fernsehen, Katastrophen. Es sind die Meldungen über das Ferne, Andere. Uneingestanden steht womöglich das Urteil:
Eigentlich darf in dieser Dritten Welt nicht gelacht werden.
- So entlarvt sich die Humanität als eine Mischung aus Arroganz und Unsicherheit. Das aber ist ein typisches Zeichen des
Unglaubens: Der Mensch will sein wie Gott und ist dennoch zutiefst ohne Halt.
Denn das Evangelium am heutigen Evangelium ist in diese Zustandsbeschreibung der Welt hineingesprochen: "Richtet
Euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe!" Nicht apathisch oder ängstlich, sondern aufrechten
Hauptes sollen wir auf Gott hoffen.
Das Evangelium mutet uns zu die Naherwartung, dass Christus kommt, nicht historisch abtun sondern existenziell ernst
nehmen.
- Es ist nicht einfach nur irgendwie doch erlaubt, Advent und Weihnachten zu feiern, weil halt auch in Auschwitz
Weihnachten gefeiert wurde. Es ist ein Zeichen, dass wir das Heil von Gott erwarten, wenn wir in unserer Welt die
Ankunft Gottes feiern.
Deswegen sollten wir nach einem wahrhaft besinnlichen Advent suchen: Nicht mit schlechtem Gewissen, sondern in
Dankbarkeit und Hoffnung und Wachsamkeit.
Was letztlich trägt, ist sein Wort: "Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen".
Amen.