Predigt zum 10. Sonntag im Lesejahr A 2005 (Matthäus)
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5. Juni 2005 - Hochschulgottesdienst Dom, Frankfurt/Main
1. Aktualisierung
- Machen wir die Szene erst einmal so dramatisch, wie sie ist. Jesus geht durchs Frankfurter Bahnhofsviertel. Da kommt
er an einem griechischen Zuhälter namens Matthäus vorbei, der dort in seinem Protz-Cabriolet sitzt und übers Handy
"Geschäfte" macht. Jesus sagt ihm: "Folge mir nach!". Was Matthäus auch tut. Wenig später ist Jesus im Haus eines
übelbeleumundeten Börsen-Spekulanten anzutreffen, wo er mit allerlei Volk aus der halbseidenen Szene fröhlich zu
Abend isst. So viel zum Thema Zöllner.
- Auf der anderen Seite sind die Journalisten von FAZ und ZEIT, wahlweise auch der taz. Mit ihnen hat sich der Vorstand
einer Initiative für soziale Gerechtigkeit verbündet, zu der natürlich auch engagierte Christen gehören. Gemeinsam
bringen sie den Skandal an die Öffentlichkeit und bringen genüsslich die Gästeliste mit pikanten Details auf die
Titelseite. Die "Pharisäer" gehörten nicht zu den Bösen, sondern zu den Guten.
- Und wo stehen wir? Zwar kennen wir das Evangelium, haben es vielleicht hinreichend internalisiert. Aber - Hand aufs
Herz: Wie würden wir den Artikel in der Zeitung lesen, wo der selbsternannte große religiöse Guru und Prophet entlarvt
wird als Freund derer, die Schmarotzer und Profiteure sind?
2. Sünde und Gemeinschaft
- Sünder sind Leute, die gesündigt haben. Öffentliche Sünder solche, von der es jeder weiß oder wissen kann. Letztere
werden von ihresgleichen eingeladen, nicht aber von Leuten, die ihr moralisches Gewissen noch einigermaßen intakt
gehalten haben. Jesu Verhalten lese ich nicht als Aufforderung zur Naivität.
- Dem Mahl ging die Berufung voraus. Und Matthäus hat den Ruf gehört und ist Jesus gefolgt. Der Spalt in der Tür ist da.
Jesus nutzt ihn und beginnt mit dem Zöllner Matthäus einen Weg, auf dem dieser zum Apostel Matthäus wird. Die Tür
steht einen Spalt breit offen. Jesus geht hindurch und erreicht eine ganze Gruppe Zöllner und öffentlicher Sünder. Für
diese ist Matthäus zum Symbol geworden, dass auch für sie ein Weg mit Gott möglich ist.
- Das Evangelium erzählt nicht, wie nett Jesus war. Vielmehr hat Jesus in der Begegnung mit dem einen Menschen und
seinem sozialen Umfeld als Prophet ein Zeichen gesetzt. Das Zeichen gilt uns "Normalos". Wenn schon solche Leute
wie Matthäus und seine Freunde umkehren und die Gemeinschaft mit Jesus suchen - um wie viel mehr dann wir, die wir
- vielleicht - weniger Sünde zu überwinden hätten?
3. Zweierlei Mahl
- Das Matthäus-Evangelium lässt offen, wo dieses Mahl stattgefunden
hat. Im Haus des Zöllners? Bei Jesus zu Hause? Wie dem auch sei, es ist ein
Abendessen, das sie miteinander halten. Dies hat eine doppelte Dimension. Einerseits
übertritt Jesus damit Gesellschaftsregeln, durch die diese Leute ausgegrenzt
werden, mit der Folge, dass sie bei dem bleiben, was sie tun. Andererseits übertritt
Jesus dazu religiöse Reinheitsgebote, weil Zöllner wegen ihrer Tätigkeit
als unrein galten. Mit diesen schafft er Gemeinschaft.
- Jesus feiert nicht
Eucharistie mit ihnen. Kein Wort, dass er "Brot gebrochen" hätte. Wenn das
in der darstellenden Kunst so gezeigt wird (Sieger Köder: Das Mahl mit den
Sündern - als jpg)),
dann schaut der Künstler zwei verschiedene Sachen zusammen. Denn in der frühen
Kirche, von Anfang an, musste Jünger (später: getauft) sein, wer zum
Herrenmahl zugelassen werden wollte. Öffentliche Sünder mussten erst
Buße tun, um die Abendmahlsgemeinschaft wieder herzustellen. Wenn "Das Mahl"
von Sieger Köder Jesus beim Brotbrechen zeigt, dann weist er darauf hin,
dass es die soziale Gemeinschaft braucht auf dem Weg, Menschen den Weg zum Glauben,
zum Jünger-Sein und zur Eucharistie zu öffnen.
- Darin liegt die
Aufforderung an uns. Jesus hat ein Zeichen gesetzt, dass Christen den Kontakt
zu "Sündern" nicht zu scheuen brauchen, weil sie wissen, dass sie selber
Sünder sind. Motor ist die Liebe zu den Menschen, gerade denen am Rande.
Motor ist aber weder die Ignoranz gegenüber der Sünde noch gar Applaus
derselben. Vielmehr können wir uns nur in der Solidarität der Sünder,
die wir alle miteinander sind, auf den Weg machen, Kirche zu sein - und Kirche
zu werden, die miteinander sich beschenken lässt vom Tisch des Herrn. Amen.