Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel 2012 (Offenbarung)

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15. August 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg,

1. Offenbarung

  • Der Hl. Ignatius von Loyola legte Wert auf eine gute wissenschaftliche Ausbildung seiner Jesuiten. Daher ist es verständlich, dass er dem Orden - vielleicht ein wenig als Ausgleich - eine besondere Marienfrömmigkeit mit auf den Weg geben wollte. Denn das viele Studieren führt leicht zu einer Blutleere des Glaubens. Maria hilft uns, dass unser Glauben an Jesus Christus daran nicht kranke. Also will ich Sie mit einem gelehrten Blick auf die heutige Lesung zu dem Fest Mariens führen, das die Kirche heute feiert.
  • Im Buch der Offenbarung lässt der Seher Johannes die bedrängte Kirche seiner Zeit darauf blicken, was ihre Herkunft und ihre Zukunft ist. Er weiß sicher auch aus eigener Erfahrung, dass das Leben als Christ kein verklärtes Dahinschweben ist. Umso mehr ist ihm an dem Blick des Glaubens auf die harte Lebensrealität gelegen.
  • Der Abschnitt, aus dem wir einige Verse gelesen haben, erzählt in Bildern von einem Drama, das sich in Himmel in Zeichen offenbart. Er enthüllt uns das Heiligtum Gottes, den "Tempel Gottes im Himmel". Dort sieht er das "große Zeichen" einer gebärenden Frau, die unter Schmerzen eine neue Zeit entgegengeht. Denn neben dem "großen" ist ein "anderes Zeichen", ein Drache, ausgestattet mit den Machtzeichen der Gewaltherrscher dieser Erde. Dieses Zeichen steht für den römischen Staat und seine Machtinszenierungen.
    Die Machthaber wollen das Neue verhindern, ja "verschlingen". Aber, das ist die Botschaft der Bibel: So sehr der Drache auch wütet, gegen das Kind, das von der Frau geboren wird, wird er nicht siegen. Die Zahl der Kinder, die die Frau gebären wird, die Zahl der Tausendschaften seiner Armeen bei weiten übersteigen. Gott wird die Frau und ihre Kinder zum Leben führen.

2. Maria

  • Wer ist diese Frau? - Wir kennen die Symbolik aus vielen Mariendarstellungen: "Der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt". Das große Zeichen am Himmel steht aber in der Offenbarung des Sehers Johannes zunächst für etwas anderes. Es ist das Zeichen für das Gottesvolk: Israel und dann all jene, die aus den vielen Völkern der Erde zum Volk Gottes hinzukommen. Denn die Frau wird das eine Kind gebären und dann die vielen Kinder. Das ist der Ursprung. Dann aber beginnt sich schon im heute verlesenen Abschnitt das Ziel abzuzeichnen: "der rettende Sieg, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Vollmacht seines Gesalbten". Ursprung und Ziel des Heiles sind in dem großen Zeichen angedeutet. Gerade deswegen liegt die Tradition des Glaubens nicht falsch, in dem Zeichen Maria zu sehen und zu verehren.
  • Maria steht für den Ursprung. Sie ist die Tochter des Volkes Israel und repräsentiert damit das ganze Volk, aus dem nach der Verheißung der Messias, der Erlöser der Welt, geboren werden sollte.
    [In Maria wird die Sehnsucht und der Glaube, das Gebet und die Gerechtigkeit Israels sichtbar und konkret. Letztlich scheint hier das auf, was wir im Fest der "Unbefleckten Empfängnis" feiern: Gegen alle Gottesferne in der Menschheit hat Gott unter den "Kleinen und Geringen" seines Volkes eine Frau berufen, das wahre Israel zu sein, ganz Offenheit für Gottes Kommen. Wer immer teilhaben und verstehen will, wie es möglich ist, empfänglich zu sein für Gott, wird auf diese Frau schauen.]
  • Maria steht aber auch für das Ziel. Das ist es, was die Kirche heute mit dem Fest ihrer Aufnahme in den Himmel feiert. Das große Zeichen ist eben am Himmel, wo Gottes Tempel sichtbar wird. Die Frau, die die neue Zeit gebiert, ist das Gottesvolk aus Israel und allen Nationen, die Schwestern und Brüder Jesu. Sie leben jetzt noch in der großen Bedrängnis. Aber in dem großen Zeichen am Himmel dürfen Sie einen Blick der Hoffnung werden auf das Ziel, das ihnen verheißen ist.

3. Aufgenommen

  • Das "große Zeichen am Himmel" ist ein Zeichen für uns auf der Erde. Es ist aber auch ein von der Erde genommenes Zeichen. Der Blick zum Himmel verbindet uns mit unserem Ursprung des Glaubens und lässt uns daran teilhaben. Wenn wir mit Maria das Magnificat beten, dann findet genau diese Bewegung von der Erde zum Himmel und wieder zur Erde statt: Wir beten in der Tradition Israels, sind mit der Frau im Himmel verbunden, und tragen ihr Gebet in unsere Zeit.
  • Das "große Zeichen am Himmel" ist aber zugleich das sichtbare Zeichen dafür, was unser Ziel ist. Wir feiern heute, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde und im Himmel angenommen wurde. Das ist das Ziel und die Verheißung für jeden von uns. Es steht dem Seher Johannes vor Augen. Nicht eine blut-entleerte Seele, sondern einen Menschen mit seiner ganzen Lebensgeschichte und Lebenswirklichkeit sieht er dort.
  • Diesen Glauben zu feiern kann verändern. Ich darf mich mit meinem ganzen Leben, mit Leib und Seele, mit allen Teilen und Fasern meines Körpers identifizieren. Und ich darf mit all dem Gott entgegen gehen. Nichts muss ausgenommen sein. Alles will Gott in seine Gegenwart heben. An der Mutter Christi ist dies sichtbar: uns zum Zeichen. Amen.