Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest Darstellung des Herrn 2022

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6. Februar 2022 - St. Sebastianus Sinzig-Bad Bodendorf

1. Darstellung des Herrn

  • Das Hochfest der Darstellung des Herrn hat heute für viele keine Bedeutung mehr. Tatsächlich hat sich die Bedeutung bereits im Laufe der Jahrhunderte schon sehr verändert. In der Ostkirche ist es vor allem das "Fest der Begegnung", weil im Jesuskind der Christus in den Tempel kommt und dort Simeon und Hanna, dem Vertreter und der Vertreterin des Alten Bundes, begegnet. In der Westkirche war es zwischenzeitlich sehr stark ein Marienfest, wahrscheinlich, weil man sich – ganz gegen die Tradition von Jesus – wieder so sehr für kultische Reinheit interessierte, was in der Tat vom Alten Testament ein Hintergrund des biblischen Berichtes ist.
  • Aber das Eigentliche ist doch, dass am Ende der Weihnachtszeit, 40 Tage nach dem Fest der Geburt, das Kind Jesus in Jerusalem Gott als Erstgeborener dargebracht wird. Dass dies eine Opferhandlung ist, kommt an den beiden Tauben zum Ausdruck, die dargebracht werden. Sie sind die kultische Opfergabe, gemeint aber ist Jesus, der erstgeborene Sohn von Maria; Ihn bringen Maria und Josef Gott dar, so wie es das Gesetz des Mose vorsieht. Die Tradition hat deswegen dieses Fest als Ausblick auf Karfreitag und Ostern verstanden, auf Jesu Opfer am Kreuz und seine Auferstehung.
  • Das klingt alles archaisch. Das kann auch völlig krude missverstanden werden. Aber das wäre schade. Denn dieses Festgeheimnis ist etwas Wertvolles.
    Durch das Darbringen im Tempel ist im Symbol vollzogen, dass wir alles von Gott empfangen haben und darum wissen, dass es uns nur anvertraut ist. Das gilt vor allem für Kinder, die nicht Besitz und Verfügungsmasse ihrer Eltern sind, sondern als unverwechselbare eigene Menschen, ein jeder, eine jede Kind Gottes sind und ihm gehören. Für Gott sind sie heilig.
  • Zum anderen zieht sich für uns Christen von der Darstellung des kleinen Jesus im Tempel zu Jerusalem über die Hingabe am Kreuz und die Auferstehung an Ostern die Linie hin bis zu jeder heiligen Messe, in der wir am Ende des Hochgebetes den heiligen Leib und das heilige Blut Christi nehmen, seine Gegenwart im Sakrament. Der Priester singt dazu den Lobpreis Gottes: "Durch Christus und mit ihm und in ihm ist Dir, Gott allmächtiger Vater alle Herrlichkeit und Ehre!", und die Gemeinde bestätigt das feierlich mit einem "Amen!".
  • Das zweite "Amen!", dass wir sprechen werden, ist das Amen, wenn uns der Leib Christi im heiligen Brot gezeigt wird, und wir mit dem Amen bestätigen: Ja, Gott, dir zur Ehre schenkt sich Jesus für mich hin. So vollzieht sich der neue und ewige Bund zur Vergebung der Sünden. – Das ist Hohe Theologie, enthalten in einer biblischen Erzählung und in jeder Feier der heiligen Messe. Was bedeutet die Darbringung im Tempel, was das Messopfer hier?

2. Tod, Verhängnis und Schuld

  • Ich möchte Ihnen eine Geschichte von zwei Jugendlichen erzählen. – Johannes und Owen sind seit dem Kindergarten beste Freunde. Johannes ist zwar der sportlichere, aber Owen derjenige, der es tapfer trotzdem versucht. Eigentlich spielen sie Basketball, aber diesmal ist es Baseball. Was genau an dem Spiel fasziniert, habe ich nie verstanden. Auf jeden Fall gibt es den Moment, wo ein Spieler mit einer großen Latte einen Ball in eine Richtung schlagen muss. Und Owen schlägt auch mit aller Kraft. Nur leider in die falsche Richtung. Der Ball geht im hohen Bogen ins Publikum und trifft präzis die Schläfe der Mutter von Johannes.
  • Ein tragischer Unfall, keine Frage. Er wollte das nicht. Er ist nicht schuld am Tod dieser Frau. Aber die Freundschaft der beiden kann nicht einfach weitergehen wie bisher. Das Ereignis steht dazwischen. Owen kann nicht einfach sagen "Das tut mir Leid!" oder "Herzliches Beileid!" – und dann ist alles wieder wie es war. Und auch Johannes kann nicht einfach sagen "Ich vergebe dir!", denn es war nun wirklich keine Absicht, mit der Owen sich schuldig gemacht hätte. Keine Schuld. Und trotzdem steht dieser Tod zwischen den beiden Jungen. Ist die Freundschaft verloren?
    Owen weiß, er hat Johannes das Wichtigste im Leben genommen, seine Mutter. Hätte es Johannes selbst getroffen, es wäre diesem lieber gewesen. Was kann man tun. Sein Leben geben für das Leben der Mutter?
  • Wahrscheinlich kannte Owen die Bibel besser, als ihm bewusst war. Auf jeden Fall ist die Lösung, auf die er gekommen ist, zutiefst biblisch. Owen ging auf sein Zimmer und holte aus einem wohlgehüteten geheimen Fach das Wertvollste, das er hatte: Eine Sammlung von original signierten Spielkarten der größten Baseballspieler, die er kannte. Wie er an diesen Schatz gekommen ist, weiß ich nicht. Ich ahne aber die Bedeutung, die er für diesen Jungen hatte. Irgendwie ist das für einen 11-jährigen Jungen das ganze Leben.
  • Und diese Karten nun nimmt Owen, legt sie in einen Schuhkarton, geht damit zu Johannes und überreicht ihm wortlos seinen Schatz. Wie in einem Sakrament legt er sein Leben Johannes in die Hände. Er bringt ein Opfer dar.
  • Wenn nun Johannes nicht viel an der Freundschaft gelegen wäre, hätte er die Karten genommen, irgendwelche großmütigen Sätze gemurmelt und wäre mit dem wertvollen Schatz verschwunden. Denn es war völlig klar: Owen hat diese Karten geopfert, er hat sie weggegeben.
    Er hat sie anvertraut. Und Johannes nimmt sie. Sie sind nun sein. Aber Johannes behält die Gabe nicht. Er gibt die Opfergabe zurück. Und damit ist in dieser ausweglosen Situation der Schuld, die keine Schuld war, des Todes, der so verhängnisvoll die Freundschaft zerstört hatte, Versöhnung geschehen. Die Fußballkarten waren das Sakrament der Versöhnung. Owen hatte sie geopfert. Er hat sich ganz in die Hand seines Freundes gegeben. Und der hat sein Leben aus der Hand des Freundes neu zurückbekommen.

3. Das heilige Opfer – dargebracht Gott, dem Vater

  • Ich denke, ich muss nicht mehr viel erläutern, was diese Geschichte mit der Darstellung des Herren und unserer heiligen Messe zu tun hat. Das Opfer der Versöhnung, das wir feiern, ist nicht irgendwie Ausdruck, dass Gott rachsüchtig wäre oder unser Opfer nötig hätte. Die Messe ist vielmehr die Einladung und das Geschenk Gottes, dass wir ihm unser Leben anvertrauen, um es aus seiner Hand neu zurückzubekommen. Es ist die Einladung, all dem ein Zeichen und eine Sprache zu geben, was unser Leben belastet. Egal, wie viel Schuld und wie viel tragisches Verhängnis damit verbunden ist. Hier geht es nicht um moralisches Urteilen und Richten, sondern um Freundschaft. In der Liebe kann ich nur besitzen, was ich schenke.
  • In dem Augenblick, in dem Maria und Josef das Kind in Jerusalem als Erstlingsgabe darbringen, empfangen sie ihr Kind von Gott zurück; es die heilige Gabe, die sie verwandelt zurückerhalten.
  • Das genau feiern wir in der heiligen Messe, die Jesus gestiftet hat. Denn als Jesus verstanden hatte, dass seine Botschaft des Evangeliums von den Mächtigen seiner Zeit mit Verfolgung und Kreuz beantwortet werden würde, hat er das angenommen und der eigenen Ohnmacht den Sinn der liebenden Hingabe gegeben. Er gibt sein Leben nicht den Römern, sondern seinem Vater – vertrauend, dass Gott uns verwandelt schenkt, was wir ihm im heiligen Opfer anvertrauen.
  • Damit wir daran Anteil haben, hat Jesus das Brot genommen und den Wein, "mein Leib", "mein Blut" die heilige Opfergabe "zur Vergebung der Sünden". Wir dürfen das heilige Brot zum Sakrament werden lassen, das jede und jeder einzelne, heute und hier mit dem verbindet, was unser Leben ausmacht: Dies Gott anvertrauen, um uns ganz aus Gottes Hand neu zu empfangen. Amen.

Die Geschichte von Owenund seinem Freund John ist einem der großen religiösen Romane des späten 20. Jahrhunderts entnommen: John Irvings "A prayer for Owen Meany". Von der Geburtbis zum Tod hat Irving seinen Titelhelden christusförmig werden lassen und dadurch einige wunderbare Szenen geschaffen, die uns das Evangelium überraschend erschließen.