Predigt zum 21. Sonntag im Lesejahr B 1997 (Epheserbrief)
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Frankfurt 1997 - International Catholic Community - English Speaking, St.Leonhard, Frankfurt 1997
1.
- Liebe Brüder! Nicht, liebe Brüder und Schwestern, sondern: liebe Brüder! Manche von Euch haben etwas von ihrem Eigentum
mitgebracht. Ich rede nicht vom Auto vor der Tür, sondern von den Frauen und Kindern. Die habt ihr als einen Teil Eures
Eigentums mit in die Kirche gebracht - wie es sich gehört!
- Dies ist das Weltbild, das hinter der heutigen Lesung steht. Genauer: Das ist das Weltbild, das für Menschen damals
selbstverständlich war. So, auf diesem Hintergrund haben die Menschen des antiken Orients die Lesung gehört.
- Die Regelung war gar nicht so schlecht - zumindest für die Männer. Es war eine klare gesellschaftliche Ordnung und sie
funktionierte.
2.
- Paulus hat dies vorgefunden. Es ist eine gesellschaftliche
Regelung in einer nicht vom Christentum geprägten Umgebung. Eine
Gesellschaft mit vielen ungerechten Strukturen. In der Zeit der jungen
Kirche ist man weit davon entfernt, sich die Frage zu stellen,
ob und wie man die "gesellschaftlichen Strukturen" bestimmen könne. Die
Kirche war eine kleine Gruppe am Rande. Entsprechend
richtet sich die Predigt des Paulus an diese Gruppe. Er spricht darüber,
welche Regeln innerhalb dieser kleinen Gesellschaft gelten
sollen. Und Paulus geht dabei von dem, was als normal galt, aus.
- Auch wenn Christen die gesellschaftlichen Strukturen allein
bestimmen können, wird Ungerechtigkeit bleiben. Das Versagen der
Christenheit in dieser Frage ist überdeutlich. Die Jahrhunderte, die in
Europa gemeinhin als die christlichen gelten, sind weit entfernt
davon entfernt, den reinen Geist Christi aus allen Poren zu atmen. Daher
musste es auch in dieser Zeit immer wieder aus der Mitte
der Kirche die Bewegungen geben, als Kirche anders zu leben, andere
Maßstäbe zu setzen.
- Paulus aber lebt in gänzlich vorchristlichen Strukturen. Paulus
sieht jedoch diese Strukturen mit dem Augen des Glaubens. Er sieht
die Dinge, oft zu unkritisch, wie wir heute finden. Aber Paulus sieht
die Dinge und er findet in allem Verweise auf Gott, Christus
und die Kirche. - Dieser Blick allein transformiert bereits die
Strukturen. Bisher galt unzweifelhaft die Unterordnung der Frau unter
den Mann. Paulus gestaltet diese Sicht um. Er sieht darin ein Bild
Christi und seiner Kirche. So sieht er auch die Ehe nicht als
einseitiges Besitz- und Unterordnungsverhältnis, sondern wird die Ehe zu
dem einen Leib zweier Menschen, gemeinsam in
verbindlicher Liebe.
3.
- Nicht alle Strukturen erlauben diesen Zugang der Transformation. In der Lesung des Alten Testamentes haben wir eine solche
Situation. Das Volk Israel ist von Gott durch die Hand des Mose durch die Wüste in das gelobte Land geführt worden. Der
Nachfolger des Mose erfährt nun, dass die Versuchung groß ist, sich den Göttern des Landes anzunähern, die Wohlstand verheißen.
Trügerischen Wohlstand, denn er geht einher mit der Abkehr von dem lebendigen Gott.
- Die Rede des Josua spricht daher in die Situation eines Volkes,
das vor die Entscheidung gestellt ist, welchen Göttern es folgen will
und welche Bedeutung die Erfahrung mit dem eigenen Gott für das Leben
haben soll.
- Welche Situation gegeben ist: zur Transformation oder zur
radikalen Entscheidung, kann nur aus der Situation und aus dem
Blickwinkel des Glauben entschieden werden. Ob und wieweit es zur Zeit
des Paulus gelungen ist, innerhalb der christlichen Kirche
die Rechtlosigkeit der Frau umzukehren, ist heute schwer zu beurteilen.
Sicher wurde der Text des Epheserbriefes später zur
Legitimation ungerechter Strukturen missbraucht.
Jedoch wo wir heute klare Grenzen ziehen müssen oder aber wo wir gerufen
sind, das Vorgefundene nur neu zu sehen, um es zu
verwandeln, das ist und bleibt die ständige Aufgabe der Gemeinschaft der
Kirche. Es geht nie um die "Reinheit" meiner Position und
Weste, sondern um Gerechtigkeit gegenüber konkreten Menschen und die
Liebe zu ihnen. Amen