Predigt zum 21. Sonntag im Lesejahr C 2010 (Lukas)
Zurück zur Übersicht von: 21. Sonntag Lesejahr C
22. August 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Das unterscheidende Besondere
- Zwei Fragen: Was geht in Leuten vor, die sich für etwas Besseres halten, als andere? Und: Warum
halten sich so viele Leute für etwas Besseres, und nur wir hier tun das nicht? ;)
Wahrscheinlich ist es schwer, jemand zu treffen, der frank und frei heraus von sich sagt, dass er
sich für etwas Besseres hält. Ich könnte mir aber denken, dass das nicht so selten ist.
- Es gibt auch die umgekehrte Form. Menschen halten sich für besonders schlecht und leiden
darunter. Das ist aber vielleicht nur die Kehrseite des "sich für etwas Besseres halten". Denn ob
wir es wollen oder nicht: Für uns selbst sind wir immer etwas Besonderes. Wir kennen uns besser
oder haben zumindest mehr mit uns selbst zu tun als andere. Wir können anderen ausweichen, uns
selbst aber nicht.
- Das führt dazu, dass wir uns viele Fragen stellen. Wer wir sind. Was wir im Vergleich zu anderen
sind. Was aus uns wird. Diese Fragen kann ich mir ganz persönlich stellen, merken, dass ich etwas
ziemlich Einmaliges bin und doch vieles mit anderen gemeinsam habe, - und ahnen, dass jeder
Mensch etwas Einmaliges ist. Diese Fragen, die mich umtreiben, kommen aber auch im Gewand
von allgemeinen Themen wieder: Deutsche etwa scheinen sich gerne damit zu beschäftigen, wer
sie sind und was andere von ihnen halten. Gläubige Menschen könnte es beschäftigen, wer sie
sind und was ihre Beziehung zu Gott im jetzigen Leben bedeutet und "im Himmel". Die Frage
kommt, ob dies am Ende den Unterschied macht, ob ich glaube oder nicht.
2. Das verführerische Selbst-gerecht
- "Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?" Wir erfahren nicht, wer es war, der Jesus diese
Frage gestellt hat; aber diese Frage ist der Ausgangspunkt der Antwort Jesu. Daher ist alles, was
Jesus im Abschnitt des heutigen Evangeliums sagt, nur dann richtig zu verstehen, wenn wir es als
Antwort auf eine Frage verstehen, oder, besser noch, als Antwort Jesu an einen Menschen, der
diese Frage hat: "Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?"
- Ich habe den Eindruck, dass der Fragesteller sich - vielleicht wie
selbstverständlich - zu den
wenigen zählt, die gerettet werden. Vom Zusammenhang des Evangeliums ist
dann die Antwort
Jesu nämlich ganz auf Jesu Linie. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass
Jesus diejenigen entmutigen wollte, die schwach waren im Glauben. Auf
der anderen Seite konnte Jesus drastische Worte
und Bilder finden, um diejenigen aufzurütteln, die in ihrer
Selbstgerechtigkeit gefangen sind.
- Denen, die wie selbstverständlich davon ausgehen, dass ihnen die Himmelstür weit geöffnet wird,
sagt Jesus dieses kurze Gleichnis vom Herrn eines Hauses, das nur eine schmale Tür hat; und auch
diese steht nicht beliebig lang offen. Irgendwann wird der Hausherr die Tür schließen. Dann
stehen sie draußen in der Kälte. Die Selbstgerechtigkeit ist so gefährlich, weil sie dazu verführt,
jede Mühe einzustellen, jedes weitere Nachdenken für überflüssig zu halten und sich für etwas
Besseres als die anderen.
3. Der Ruf zur Nachfolge
- Die Antwort Jesu liefert keine Aufzählung, was diejenigen unterlassen haben, die sich selbst für
gerecht halten und dennoch vor der Tür stehen, wo sie "heulen und mit den Zähnen knirschen". Da
steht vielmehr das Ganze der Heiligen Schrift dahinter. "Ihr habt alle Unrecht getan" ist denen
gesagt, die nur für sich selber leben, aber das Recht der Witwen und Waisen, der Fremden und
Schwachen mit Füßen treten.
- Statt das zu wiederholen, bringt das Gleichnis etwas anderes. Die Selbstgerechten berufen sich
darauf: "Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken, und du hast auf unseren Straßen
gelehrt." Wörtlich müsste man aus dem Griechischen übersetzen: "Wir haben vor dir gegessen"
und eben nicht "mit dir". Sie behaupten zu Jesus zu gehören, haben ihm aber nicht zugehört, als er
auf ihren Straßen gelehrt hat. Sie haben für sich selbst keine Konsequenzen daraus gezogen. Die
merkwürdige Formulierung "vor dir gegessen" sagt, dass es nicht reicht, äußerlich Gemeinschaft
zu haben.
- Genau das aber bedeutet die Nachfolge, zu der Jesus ruft: Nicht einfach nur zuhören und gebildet
darüber reden, sondern zu merken, dass Gott mich ruft. Ich bin etwas Besonderes, ja. Gott hat mir
besondere Fähigkeiten und Möglichkeiten gegeben, nicht dass ich die Talente vergrabe, sondern
dass ich dadurch mitbaue an der Gemeinschaft, in der Gottes Liebe und Gottes Reich konkret
wird. Ich bin ganz einmalig von Gott geschaffen, nicht dass ich mich absondere, sondern damit ich
dabei bin.
- Das Evangelium schließt denn auch mit der Ermutigung derer, die für sich wohl erwartet hätten,
nicht dazu zu gehören. "Man wird von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und
im Reich Gottes zu Tisch sitzen." Die Plätze im Haus Gottes werden mit Zuwanderern gefüllt, die
sich auf den Weg gemacht haben. Jeder und jedem gilt die Einladung. Keine und keiner ist von
vorne herein ausgeschlossen. Das bedeutet umgekehrt, dass es sich lohnt, mich aufzumachen und
meine Kräfte - mögen sie groß, mögen sie klein sein - einzusetzen. "Bemüht euch mit allen
Kräften!", ruft Jesus jedem von uns zu. Dazu doch haben wir die
Kräfte: Nicht um sie schlummern zu lassen, weil wir eh schon was
Besseres wären und "gerettet" würden, sondern um sie
einzusetzen. Wer dann am Ende im Reich Gottes seinen Platz hat, dürfen wir getrost der großen
Liebe Gottes überlassen. "Dann werden manche von den Letzten die Ersten sein und manche von
den Ersten die Letzten." Amen.