Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 2. Weihnachtsfeiertag/Stephanus 2013

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26. Dezember 2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Angriff verteidigt nur die Angriffe

  • Angriff, sagt man, sei die beste Verteidigung. Aber es sind verfinsterte Scheiben, durch die die Welt dabei gesehen wird. Wozu soll denn der Angriff "beste" Verteidigung sein, das Beste wofür?
  • Wer Angriff für die beste Verteidigung hält, verteidigt und pflegt vor allem den Angriff. Er mag im Wechselspiel der Angriffe dadurch die Oberhand behalten, aber er beendet nicht das Spiel.
  • Darin liegt der Unterschied, den Stephanus macht: In der Nachfolge Jesu wagt er es, das AngriffsSpiel zu verweigern. Er betet für seine Verfolger und verflucht sie nicht. Er gibt Zeugnis für sein Vertrauen, dass Gott denen ein viel besseren Sieg verheißt, die Frieden stiften; selig sind, die um des Namens Jesu willen "beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet" werden (Mt 5,11). Sie sind das "Salz der Erde" und das "Licht der Welt".

2. Apostel und Verfolgte

  • Das Matthäus-Evangelium schildert (in Kapitel 10), dass Jesus die Zwölf aussendet und so zu seinen Aposteln macht. Er kündigt drastisch ihnen an, dass durch diese Sendung Familien entzweit werden. Die Zwölf und Christen zu allen Zeiten haben die Erfahrungen gemacht, die hier geschildert werden.
  • Das auch ist der Grund, warum wir am Stephanus-Tag besonders der verfolgten Christen gedenken; heute in besonderer Weise derer, die in Bagdad bei einem Weihnachtsgottesdienst von blind bombenden Fanatikern ermordet wurden, mögen die Motive der Täter auch zur Stunde noch im Dunkeln liegen. So fern der Irak, China oder Syrien sein mag: Wo Christen Verfolgung erleiden, sind wir als der eine Leib Christi mit ihnen verbunden und in unserem Vertrauen in Gott herausgefordert.
  • Die Christen, die verfolgt werden, brauchen nicht zuletzt deswegen unser Gebet, weil nur eine mit Gott im Gebet verbundene Kirche der Versuchung widerstehen kann, den Angreifern dadurch zu erliegen, dass sie selbst angreifen. Statt dessen sollen wir uns an den Gott halten, der als wehrloses Kind im Stall zu Betlehem geboren wird; er gilt als Sohn eines Zimmermanns, nicht eines Kriegers. Das Matthäusevangelium wird im Bild des Kindermordes schildern, wie blindwütig der Herrscher Herodes auf diese Provokation Gottes reagiert.

3. Nachfolgeindex Martyriumsbereitschaft

  • Das scheint und ist weit weg von unsrer Lebensrealität. Und doch geht es bei uns im alltäglichen Zusammenleben um das selbe. Märtyrer bedeutet wörtlich, Zeuge zu sein; christliche Märtyrer sind Zeuge für ihr Vertrauen in Gott, den himmlischen Vater des im Stall als wehrloses Kind geborenen Messias. Das ist keine Frage der Worte, sondern eine Frage der Lebenspraxis.
  • Jeder kann für sich den privaten Nachfolgeindex aufstellen, indem er sich ehrlich beobachtet und schaut, ob er Angriff als vermeintlich beste Verteidigung praktiziert oder es mit Vertrauen probiert. Denn jeder kennt die Versuchung, wenn er kritisiert wird mit Gegenvorwürfen zu antworten. Wer lange genug zusammen lebt, wird immer Munition haben, mit der solche Gegenangriffe zu führen sind. Die Alternative wäre, keine Angst vor Verletzung zu haben, das Herz fest zu machen in Gott und auch solche Angriffe unerwidert zu lassen, in denen ich mich unverstanden oder zu Unrecht kritisiert fühle. Wenn Stephanus, der Märtyrer, das nicht im Alltäglichen bereits eingeübt hätte, wäre er kaum bereit gewesen, als es um sein Leben ging.
  • Mein privater Nachfolgeindex markiert Verbesserungspotential. Aber wir haben zwei unter uns, die durch die Treue von 50 Jahre Ehe Zeugnis gegeben haben, dass es sich lohnt, dran zu bleiben. Es wird auch in diesen Jahrzehnten schmerzhafte Erfahrungen gegenseitiger Vorwürfe gegeben haben. Doch es wird aber auch die Erfahrung geben, dass im Letzten anderes trägt, ein anderer trägt, dem zu vertrauen lohnt, weil er das Leben mit uns lebt. Amen.