Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 28. Sonntag im Lesejahr A 2017 (Matthäus)

Zurück zur Übersicht von: 28. Sonntag Lesejahr A

15. Oktober 2017 - Aloisisuskolleg, Bonn - Internat

1. Gottes Reich ist mehr

  • Ein Geschmack von Himmel. Ein Gespür für Gott. Eine Idee davon, wie es sein könnte, aus der Gegenwart Gottes zu leben. Dafür ist Jesus gekommen. Er sagt einmal: Ich bin gekommen, damit die Menschen das Leben haben und es in Fülle haben.
  • Fülle bedeutet: Mehr als wir uns vorstellen. Nicht einfach größer, noch mehr Partygäste, noch ausgefalleneres Programm, noch irgendwas Krasses, Extremes, Abgefahrenes. Zumindest nicht in der Weise, wie wir uns das ausdenken würden.
  • Jesus sagt stattdessen: Es ist wie ein großes Festmahl. So wie es zu den großen Festen und gesellschaftlichen Ereignisses des Jahres gehört – doch dann ist dort auch Platz für die Armen und die Krüppel, ja sogar gerade für die. Und das nicht als Caritas-Aktion, in der wir etwas für die am Rande machen. Vielmehr sind die am Rande in der Mitte, ganz dabei.  Das übersteigt unsere Vorstellungskraft, weil es unsere bisherige Erfahrung sprengt.

2. Heilige Zeichen sind mehr

  • Wir feiern heute den Sonntag mit einer Eucharistiefeier: Dank für Brot und Wein, in denen Gott in unserer Mitte ist. Doch heute feiern wir zudem den Weg, der zur Eucharistie hinführt. An einem normalen Sonntag ist dieser Weg meist gar nicht so präsent. Aber die Eucharistie ist der Höhepunkt des Weges, der mit der Taufe seine Pforte öffnet zu der Gemeinschaft im Heiligen Geist. In diesem Geist wird Yidan heute durch die Firmung bezeichnet und besiegelt, nachdem sie in diesem Geist getauft werden wird.
  • Sakramente nennen wir das, was wir heute feiern: Heilige Zeichen. Doch ein Sakrament ist mehr als ein normales Zeichen, das auf etwas anderes zeigt. Das Sakrament ist vielmehr ein Zeichen, das durch sich selbst darauf verweist: Es ist immer mehr, als das was Du siehst und verstehst.
    Denn die Taufe ist das, was wir sehen: Wasser, mit dem ein Mensch übergossen wird. Aber in diesem sichtbaren Zeichen wirkt unsichtbar Gott: Er reinigt das Leben, heiligt es, nimmt es an in seine Gemeinschaft und in die Gemeinschaft der Kirche – die ja auch wie ein Sakrament ist.
  • Wir sehen oft nur die Oberfläche. Gerade bei der Kirche meinen viele, „die Kirche“, das seien der Papst, die Bischöfe,  die Priester und das ganze Personal. Ja, die gehören auch zur Kirche dazu. Aber im Evangelium betont Jesus etwas anderes: Die Armen, die Krüppel, die Blinden und Lahmen. Das ist die eigentliche Kirche Gottes: Die Gemeinschaft von Menschen, die nichts gelten. Und doch sind sie mehr Gegenwart Gottes als jeder Papst und erst recht als ein noch so prachtvoller Kirchenbau.

3. Du bist mehr

  • Wer auf diesen Glauben vertraut, kann eine grandiose Erfahrung machen: Du selbst bist mehr, als was oberflächliche Augen sehen. Durch die Taufe wird etwas als Zeichen sichtbar, was jedem Menschen geschenkt ist: Kind Gottes zu sein. Jeder Mensch ist von Gott her eine unsterbliche Seele, ein einmaliges Wesen, geliebt und angenommen.
  • Es ist ein großes Geschenk, wenn wir das spüren und erfahren. Die Bitte um die Taufe sollte nie daraus kommen, dass jemand meint, sie oder er sei besser als andere. Nichtchristen denken ja oft, Christen kämen sich als etwas Besseres vor.
  • Es sollte aber ganz anders sein: Wer wirklich Gott spürt, der ahnt, dass jeder Mensch überall auf der Welt dieses von Gott geliebte Kind ist. Das Geheimnis ist uns anvertraut, damit wir das sichtbar machen. Letztlich sind wir Arme, Krüppel, Blinde und Lahme – aber immer von Gott geliebt. Das Schwache ist stark, was unscheinbar schien, ist Gottes Gegenwart. Gerade das gibt eine Idee davon, wie viel größer die Liebe Gottes ist. Wasser, Salbung, Brot. Ein Geschmack von Himmel.  Amen.