Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 20. Sonntag im Lesejahr C 2004 (Lukas)

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17. Oktober 2004 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt

1. Geschenkgutschein

  • Geschenkgutscheine sind ungemein praktisch. Deswegen gibt es sie in jedem Kaufhaus und an der Kinokasse auch. Man muss sich nicht quälend Gedanken machen, was man schenken soll. Vorbei auch der Ärger der Beschenkten mit unpraktischen Dingen, die umgetauscht werden müssen. Statt dessen gibt es einen Gutschein im gewünschten Wert, und der so Beglückte mag selbst sehen, was er oder sie sich dafür aussucht.
  • Natürlich ist das etwas unpersönlich. Vorne drauf auf den Gutschein kann ich den Namen des Empfängers schreiben. Der Gutschein lässt sich noch mit einem Schleifchen schmücken. Aber es ist dennoch ganz offensichtlich, dass ich mich schwer tue, zu wissen, was ich schenken soll, weil ich den anderen so gut nun doch nicht kenne. Zu wissen, über welches Geschenk sich jemand richtig freuen würde, ist gar nicht so leicht. Dazu müssen zwei Menschen miteinander zumindest ein wenig ihr Leben geteilt haben und von einander wissen.
  • Es passt nicht, Gott um einen Geschenkgutschein zu bitten. Das wäre die Zumutung, Gott solle mal machen und wir würden uns dann aussuchen, wie wir den Gutschein einlösen. Es passt aber auch nicht, Gott um alles Mögliche (oder gar alles Unmögliche) zu bitten. Gott ist nicht die Versandabteilung von Quelle oder Otto-Versand. Beten ist nicht das Ausfüllen eines Bestellscheins. Im Beten lassen wir uns auf eine Beziehung ein mit Gott. Das aber bedeutet, dass wir uns aufmachen, mit einander vertraut zu werden.

2. Vom ungerechten Richter zum liebenden Vater

  • Die Witwe aus dem heutigen Evangelium weiß, was sie von ihm will. Der Richter ist dazu bestellt, Recht zu sprechen. Diese arme Witwe fordert nichts anderes als ihr Recht. Sie fordert es von dem, der dafür zuständig ist. Der aber ist korrupt und gewohnt, sich erst dann zu bemühen, wenn er geschmiert wird. Da kann eine arme Witwe nicht mithalten.
  • Die Witwe aber ist hartnäckig. Die lässt nicht locker. Sie weiß was sie will. Ja, sie weiß auch, dass sie ein Recht darauf hat. Und so setzt sie dem Richter unablässig zu. Nicht weil er der Gerechtigkeit dienen will, nicht weil er der Witwe helfen will, sondern nur wegen ihrer Hartnäckigkeit gibt der Richter der Witwe schließlich doch ihr Recht. Er fürchtet, sonst werde sie womöglich noch kommen, und ihm die Augen auskratzen. „Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern?“
  • Drei Punkte sind an diesem Vergleich wichtig.
    • Da ist zunächst die Hartnäckigkeit. Jesus schildert die Jünger, als „Gottes Auserwählte“, die „Tag und Nacht zu ihm schreien“. Beten kann also auch die ganze Hartnäckigkeit der Witwe haben. Es ist erlaubt, Gott auf die Pelle zu rücken.
    • Zweitens vergleicht Jesus Gott nicht mit einem ungerechten Richter, sondern sagt: Wenn schon ein ungerechter Richter – um wie viel mehr dann der gerechte Gott und Vater!
    • Und schließlich geht es auch bei den Bitten der Jüngern nicht um X-Beliebiges, sondern um Recht. Jesus fordert seine Kirche auf, zu Gott zu schreien, wo das Recht seiner Auserwählten gebeugt wird

3. Der Gebetssegen vom Berg

  • Das Evangelium ist also nicht so leicht zu testen. Auch wenn wir Tag und Nacht zu Gott flehen um eine Portion Eiscreme, könnte Gott zögern. Wer meint, Gott sei ein Selbstbedienungsladen und das Gebet ein Blanko-Bestellformular, dürfte enttäuscht werden. Das Gebet, das Jesus meint, ist Teil und Frucht einer Beziehung zwischen Gott und den Menschen. Die Bitte, zu der Jesus auffordert, ist gewachsen aus dem Vertrauen, mit dem Menschen ihr ganzes Leben auf Gott setzen, sich ganz ihm anvertrauen und als Gottes Volk leben.
  • Im Kern spricht Jesus hier von der ersten Bitte des Vater Unser: „Dein Reich komme!“ Diese Bitte trägt und umfasst alle anderen. Wo die Witwe ihr Recht fordert, bitte sie um das Kommen des Reiches Gottes. Dieses Reich der Gerechtigkeit ist uns verheißen. Darm sollen wir Tag und Nacht zu Gott beten. Dies müssten wir beginnen, um zu erfahren, wie Gottes Wirken Realität wird unter uns.
  • Die Frucht dieses Gebetes ist die Hoffnung und das Vertrauen. Im Gebet um Gottes Reich wird es unter uns gegenwärtig. Für mich sind Mose auf dem Berg und die beiden, die seine zum Gebet ausgebreiteten Arme stützen, das Bild dieses Betens. Es ist wie in der Lesung aus dem Buch Exodus. Das Volk in der Ebene sieht diese Beter und kann dadurch dem Ansturm des Feindes Stand halten kann. Ich erfahre das, wenn ich in eineKirche komme, und dort Christen im Gebet treffe. Ihr Gebet stützt und trägt mich. Es lässt in mir die Hoffnung wachsen und stärkt mein Vertrauen. Deswegen schließt Jesus sein Gleichnis mit der nachdenklichen Frage: „Wird der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?“. Es ist an uns, einander in diesem Glauben zu stärken. Gott jedenfalls will an unserer Seite sein. Amen.