Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 33. Sonntag im Lesejahr A 2008 (Matthäus)

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16. November 2008 - Universitätsgottesdienst St. Antonius, Frankfurt

1. Identifizieren

  • Der Campus Westend der Universität Frankfurt wird neu gebaut. Dort habe ich beobachtet, was auf dem alten Campus nie zu sehen war. Studenten zeigen ihren Eltern "ihre" Uni - und die Körperhaltung zeigt so etwas wie Stolz. Die anspruchsvolle Architektur des neuen Campus bewirkt, was die Betonbrutalität des alten verhindert hat: Studenten können sich mit ihrer Uni identifizieren.
  • Identifikation macht einen großen Unterschied. Wer sich von seiner Umgebung abgestoßen fühlt und Zweifel hat am Sinn des ganzen Ladens, wird vielleicht seine Arbeit tun. Mehr aber auch nicht. Von daher wird sich erst zeigen müssen, ob der neue Campus mehr bewirkt als signifikant weniger Vandalismus. Ich merke es bereits an mir: Ich spreche gerne von "unserer Universität" an der unsere KHG ist.
  • Den Unterschied kennt noch mehr, wer in einer Firma arbeitet, mit der er sich identifiziert oder eben nicht. Ich kenne Banker, die von ihrer Bank fast nur abschätzig sprechen. Nicht erst seit den jüngsten Ereignissen haben viele Zweifel, ob sie da noch mittun wollen. Und eben dies ist die Welt, aus der Jesus ein Gleichnis für das Himmelreich bildet.

2. Engagieren

  • Ein Großkaufmann verteilt sein Vermögen an drei seiner Angestellten (wie Arbeitssklaven heute genannt werden). Offensichtlich weiß er um deren unterschiedliche Fähigkeiten. Er gibt dem einen drei, dem anderen zwei und einem nur ein Zentner Münzen; das meint das Wort Talent ursprünglich, ein Mengenmaß für Münzen, die ein Arbeiter in 16 Jahren Tageslohn verdienen könnte. Der Großkaufmann vertraut das Vermögen den Angestellten an und verreist auf unbestimmte Zeit. Handy und eMail gab es damals nicht. Er ist einfach verreist.
  • Der eine der drei macht nichts. Er macht auch nichts falsch. Er vergräbt das Geld. Es gehört ihm nicht. Es geht ihm nichts an. Ein wenig ist er sauer, dass ihm nicht so viel anvertraut wird, wie den anderen. Aber der betonte Charakterzug dieses dritten ist, dass er Angst hat. Er lässt sich nicht auf "Geschäfte" ein. Er bleibt distanziert. Das Geld gehört ihm nicht - was soll's?
  • "Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder." Ängstlicher Trotz ist das. "Hier hast du es wieder", ich habe nichts damit zu schaffen. Während die ersten beiden das Vermögen wie ihr eigenes Vermögen gesehen haben, sich das Anliegen ihrer "Firma" zu eigen machen konnten, identifiziert sich der dritte nicht im Geringsten.

3. Teilhaben

  • Aus diesem Bild formt Jesus ein Gleichnis für das Himmelreich, das Reich Gottes. Dieses Reich kann ich als etwas sehen, das mich nichts angeht. In der Taufe habe ich es anvertraut bekommen. Aber letztlich geht es mich nichts an. Ich bin ich und Gott ist Gott. Meine Talente - jetzt in dem Sinn, den das Wort in Folge des Gleichnisses im Deutschen gewonnen hat - brauche ich nicht einzusetzen. Identifizierung Null. Diesen Spiegel hält das Gleichnis uns Menschen vor, denen in Taufe und Firmung das Reich Gottes anvertraut wurde. Es fragt mich, ob ich einer bin, der sein Leben im Glauben und in der Kirche so gestaltet, als ginge es mich selbst eigentlich nichts an.
  • Die anderen beiden haben das offensichtlich anders gesehen. Sie machen sich das Anliegen ihres Chefs zu eigen. Sie identifizieren sich damit. So werden sie erfahren haben, was jeder kennt, der sich mit dem "Laden", in dem er studiert oder arbeitet identifiziert. Bei aller Anstrengung macht die Arbeit Spaß. Auch Dursstrecken lassen sich durchstehen. Erfolg ist nicht nur meine Karriere - das auch. Erfolg misst sich aber darüber hinaus am Ganzen. Deswegen kann Jesus das Bild von den Angestellten des Großkaufmanns in ein Bild des Lebens aus Gott drehen. Den beiden, die sich engagiert haben, kann Jesus, der Herr, nun im Bild des irdischen Herrn sagen: "Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!" Das Himmelreich beginnt mit der Freude hier. Es vollendet sich in der Freude in der unverhüllten Gegenwart Gottes dort.
  • Von da her lässt sich verstehen, was mit dem Jüngsten Gericht gemeint ist. Denn darum kreisen alle Gleichnisse im 25. Kapitel bei Matthäus. Dieses Gericht ist nicht ein äußerliches, bei dem willkürlich der Daumen gehoben wird oder gesenkt. Vielmehr entscheidet sich das Himmelreich hier, in unserer Gegenwart. Hier sind wir eingeladen, uns mit Gottes Werk und Gottes Volk zu identifizieren. Gerade das Engagement in der Kirche, menschlich, allzu menschlich, kennt Durststrecken und den anstrengenden Kampf gegen kleinkarierte Borniertheit und verkrustete Strukturen. Der Auftrag der Kirche, der Gemeinschaft aller Getauften, ist es, in unserem Reden und Tun den Reichtum Gottes in dieses Leben und zu den Menschen zu tragen. Die Talente sind uns anvertraut von einem Chef, mit dessen "Laden" wir uns getrost identifizieren können. Im Gericht wird nur offenbar, ob wir uns mit diesem Chef, der der Gott der Liebe ist und sich den Menschen zuwendet, identifizieren. Wir können uns darauf einstellen, entweder am Schluss zu sagen: Hier hast Du Dein Zeug zurück, ich habe nichts damit zu tun. Oder wir machen uns auf zu entdecken, dass die Freude eines sinnvoll gelebten Lebens, ein Engagement für Gott und die Identifikation mit seinem Projekt schon hier beginnt. Denn das will Christus jedem Menschen sagen können: "Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!" Amen.