Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 4. Adventssonntag Lesejahr A 2004 (Matthäus)

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19. Dezember 2004 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt

1. Emmanuel

  • Josef dürfte wenig erfreut gewesen sein. Die Verlobung war damals ein verbindlicher Rechtsakt. Damit ist Josef mit Maria verbunden, auch wenn sie noch nicht zusammen waren. Wenn nun deutlich wird, dass sie schwanger ist, hat Josef ein Problem. Er ist wenig erfreut. Wir brauchen uns die Gedanken, die ihn bewegen, nicht im Detail auszumalen.
  • Josef ist aber zugleich verwirrt. Er kennt Maria genug, dass für ihn das Naheliegende nicht nahe liegt. Deswegen lässt er seinen Entschluss, sich von ihr zu trennen, lieber eine Nacht ruhen. Dies sollte man immer tun, wenn man einsame Entscheidungen nicht alleine fällen, sondern Gott eine Chance lassen will, seinen Boten zu schicken.
  • Im Traum der Nacht fügt sich zusammen, was in der Hektik des Tages verwirrt.
    • Die eigene Identität: Josef, du bist ein Sohn Davids.
    • Die Vertrautheit mit der Hl. Schrift: Josef, der Herr hat "durch den Propheten gesagt: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen".
    • Vor allem aber die Erfahrung dieser Nacht in dieser Situation: Josef, Gott ist mit uns, Emmanuel. Ganz klar hört er den Namen Emmanuel und versteht, dass Gott hier am Werke ist.

2. Die Scheu des Josefs

  • "Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen". Der Engel im Traum trifft Josef in einer Situation, in der er sich entscheiden muss. Josef stellt sich der Situation. Gottes Bote lässt ihn nicht darin allein. So kann er die Gründe wägen.
  • Es gibt einen naheliegend Grund, warum Josef sich fürchten könnte, Maria als seine Frau zu sich zu nehmen. Es ist eine Entscheidung nicht nur in damaliger Zeit, zu einer Frau zu stehen, die ein Kind erwartet, das offensichtlich nicht von ihrem rechtmäßigen Mann stammt. Das Risiko ist groß, mit dem Menschen verurteilt zu werden, zu dem man steht. Wer sich mit Verurteilten abgibt wird selbst verurteilt.
    Eine zweite Möglichkeit, die Furcht des Josef zu verstehen, geht in eine ganz andere Richtung. Was, wenn Josef verstanden hat, was es bedeutet: "das Kind, das Maria erwartet, ist vom Heiligen Geist"? Was wenn Josef seine Maria so gut kennt und ahnt, was mit ihr vorgeht, dass er klar erfasst, dass Gott selbst diese Frau in einzigartiger Weise berührt hat? Was, wenn Josef sich fürchtet, sich Maria zu nähern, weil er spürt, dass er heiligen Boden betritt? Diese Haltung gibt es auch heute - wenn auch paradox verkehrt: Das Tabu, das heute weitgehend über dem Thema Religion liegt, könnte in Wirklichkeit in der uneingestandenen Furcht gründen, sich dem Heiligen zu nähern. Über Sex kann man bei jeder Cocktailparty unbefangen reden. Beim Glauben aber würde es ernst - daher hält man sich das Thema lieber mit Spott vom Leibe.
    Ob aus Scheu, mit der Verstoßenen verstoßen zu werden, oder ob aus Scheu, sich der Frau zu nähern, die Gott in so einzigartiger Weise angenommen hat - Josef muss sich entscheiden.
  • Josef geht nicht unvorbereitet in diesen Entscheidungsprozess. Er ist mit dem Wort Gottes vertraut, da er wie jeder fromme Jude, die Heiligen Schriften liest, im Gottesdienst hört, darüber nachdenkt und mit anderen spricht. Das ist der zentrale Grund, warum er sich im Traum nicht von jedem dahergelaufenen Engel etwas naseweis machen lässt. Was dieser Engel aber ihm sagt, erschließt ihm den eigenen Glauben. Er versteht.

3. Gottes Nähe rettet

  • Das Evangelium ist nicht ein Auszug aus Tagebucheintragungen des Josef. Es gibt guten Grund zu vermuten, dass der erzählerische Kern des Evangeliums von den Verwandten Jesu stammt, die zur jungen Gemeinde in Jerusalem gehören. Dass und wie es aber uns gesagt wird, ist Evangelium: gute Botschaft für uns, heute, nicht nostalgische Erinnerung an Vergangenes. Das "Fürchte dich nicht!" gilt jedem, der im Glauben sich an der Stelle findet, an der Josef stand.
  • Gott ist mit uns. Nur wer erfasst, wie groß Gott ist, wird ermessen, wie groß der Glaube ist. Gott wohnt in unserer Mitte. Dieser Glaube Israels ist so ganz anders als ein philosophierender Gedanke an ein höchstes Wesen. Es ist eine Grunderfahrung des Glaubens, dass Gott mit uns ist. Gottes Botschaft vermag Orientierung zu geben.
  • Josef, der Nachfahre Davids, erfährt aber, dass nun Neues geschieht. Der Gott, der mit uns ist, schickt einen Retter. Die heillose Welt soll Heil erfahren. Darum wird er dem Kind "den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen". Denn dieser eine wird Gottes Botschaft leben. Dieser Jesus wird selbst Gottes Botschaft sein. Er wird Mensch in unserer Mitte, nicht aus dem Willen des Vaters, nicht aus dem Willen des Fleisches, sondern weil Gottes Geist Ernst macht. Er ist mit uns. Amen.