Predigten zum 7. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C 2001
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27. Mai 2001 - Klosterkirche Reinhausen (St. Michael, Göttingen)
1. Wie wir die Hl. Messe feiern
- Ein Erlebnis: Vor drei Jahren komme ich in eine Gemeinde in
Frankfurt, um in Vertretung des Pfarrers dort die Messe am
Sonntag zu feiern. Ich komme in die Kirche und finde dort zwanzig oder
dreißig Leute, verteilt auf vielleicht vierhundert
Plätze. Jeder im größtmöglichen Abstand zum anderen. Dies, wohl bemerkt,
nicht am Werktag, sondern am Sonntag. -
Ich habe mich geweigert, unter diesen Umständen zu beginnen. Wer, habe
ich die Leute gefragt, der in diese Kirche
hineinkommt, soll ahnen können, was wir hier feiern? Wie können wir den
Bund feiern, in dem uns Gott verbunden hat,
wenn wir die Zersplitterung so überdeutlich leben? Einige wenige haben
daraufhin den Kirchenraum verlassen. Die
anderen sind zusammengerückt. Wir haben zusammen die Heilige Messe
gefeiert.
- Ein zweites: Eine geistliche Gemeinschaft ist seit einiger
Zeit in einer Gemeinde aktiv. Sie haben viele Leute motiviert,
ihren Glauben bewusst zu leben. Sie haben neue Lieder eingeführt, die
aus der Tradition dieser geistlichen Gemeinschaft
stammen, und ein Marienbild aufgestellt, das die Gruppen dieser
Gemeinschaft verbindet. Das alte Marienbild der Kirche
wurde entfernt. Wer heute in diese Gemeinde kommt, kann sofort sehen,
dass hier eine aktive Gemeinde ist. Erst auf den
zweiten und dritten Blick wird man fragen, ob hier eine Gruppe auf
Kosten der Vielfalt ihren Stil durchgesetzt hat, die
Sprache einer Gruppe zur Sprache der ganzen Gemeinde gemacht hat und
andere dadurch ausgrenzt hat.
- Am letzten Abend, den Jesus mit seinen Jüngern zusammen ist,
hinterlässt er ihnen sein Testament. Es ist der "neue
Bund", das "neue Testament in seinem Blut", den auch wir feiern. Jesus
spricht lange zu seinen Jüngern. Es ist Abschied,
und Jesus legt den Jüngern all das ans Herz, was ihm wichtig ist. Vor
allem das eine Gebot "Liebt einander, wie ich euch
geliebt habe". Dann spricht Jesus ein Gebet. Alles, was er getan
hat, vertraut er Gott, dem Vater, an. Auch die Jünger,
auch die Kirche die entstehen wird, wenn die Jünger die Frohe Botschaft
verkündigen werden. Für alle "die durch ihr
Wort an Jesus glauben" betet er: "Alle sollen eins sein".
2. Was wir feiern
- Sicher wäre dieses Evangelium ein guter Anlass, darüber zu
sprechen, wie es um den Dialog innerhalb der gesamten
Christenheit geht. Mit seinen Vorstößen zum ökumenischen Dialog hat
Johannes Paul II. deutlich gemacht, dass ihm
dieses Thema neben dem Dialog mit anderen Religionen das wichtigste
seiner Amtszeit ist. Wir werden in den Fürbitten
mit ihm darum beten. Jetzt aber ist es gut, erst einmal auf das zu
schauen, was wir hier machen.
- Keine der beiden Erfahrungen, die ich geschildert habe, sind
unsere hier. Die erste kommt unserer Realität wohl näher als
die zweite.
Es gibt immer die Tendenz, sich im weiten Kirchenraum zu verteilen und
ich verstehe sehr gut warum. Die Mitfeier der
Messe ist für viele in der Woche ein sehr wichtiger und persönlicher
Ort, wo das Leben ausgerichtet werden kann und in
eine Ordnung hineingebracht wird, die keiner von uns - auch wir alle
zusammen nicht! - erschaffen können. Nicht
umsonst rede ich betont von der "Heiligen Messe".
- Wir müssen aber gut acht geben, was wir feiern. Als Katholiken
sollten wir ein waches Gespür dafür haben, dass äußere
Formen nicht gleichgültig sind, sondern in lebendiger Beziehung zu dem
stehen, was wir glauben: An den einen Gott, der
durch Jesus Christus in unserer Lebensrealität gegenwärtig ist und durch
seinen Geist eine heilige, allgemeine
Versammlung bilden will.
3. Wozu wir feiern
- Es geht Gott um uns. Es geht Gott aber nicht nur um uns. Acht Mal
kommt in dem kurzen Abschnitt des Evangeliums
das Wörtchen "damit" vor (hina - in der Übersetzung ist das
nicht ausgedrückt). Jesus macht deutlich, dass das alles kein
Selbstzweck ist: Die Einheit.
Die Liebe zueinander hat Jesus den Jüngern aufgetragen. Um die Einheit
der künftigen Kirche betet Jesus zum Vater. Die
Einheit ist also nicht nur kein Selbstzweck; die Einheit ist etwas, das
nicht aus uns heraus machbar, sondern nur in dem
Maße, in dem sie aus Gott heraus kommt: Wenn wir in ihm sind.
- Das hilft uns vielleicht, die Mitte zu finden zwischen erzwungener
Uniformität und Zerstreuung zwischen den
Kirchenbänken.
- Nicht nach dem Maßstab einer uniformierten Truppe - "Alle sehen
gleich aus, alle denken gleich, alle sprechen
gleich" - sollen wir eins sein.
- Nicht wie eine Büffelherde - "Wird einer angegriffen, senken
alle die Hörner" - sollen wir eins sein.
- Wir sollen eins sein, wie Jesus im Vater ist und der Vater in
Jesus - also in Beziehung: Du - ich - wir. Die Liturgie
sieht vor, dass der Friede, den Christus uns hinterlässt in einem
Zeichen ausgedrückt wird: Früher war es der Kuss,
heute ist es die Hand, die wir einander geben.
- Aber auch hier steht ein "damit": "damit die Welt glaubt"
und "damit die Welt erkennt". Nicht dass wir uns wohl fühlen
ist das Ziel, sondern damit die Weise, wie wir den Glauben leben und
zeigen, für andere ein Zeugnis dafür wird, dass wir
hier nicht uns selbst verkünden, weder als Individuen noch als
Schmuseclub, sondern als Beginn einer Gemeinschaft, in
der Gott diese Welt verändert. Amen.