Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Sonntag Christkönig im Lesejahr B 2009 (Offenbarung)

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22. November 2009 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Auf die Zukunft schauen

  • 'Lebe ganz im Augenblick!', 'Carpe diem!'. Das Motto dürfte heilsam sein für Menschen, die die Gegenwart verpassen, weil sie sich dauernd um die Zukunft sorgen. Das Motto ist aber Gift für Menschen, die in ihrer Perspektive eh schon im Heute gefangen sind.
  • Der Blick auf die Zukunft kann befreien. Ein Volk, das durch die Wüste zieht, erlebt nur die Mühsal und den Durst. Jetzt an das Ziel des Weges denken, ist nicht einfach nur Vertröstung. Es ist die Perspektive dessen, was ich will. Wie würde ich, wenn ich das Ziel erreicht habe, gerne auf mich zurückschauen wollen, auf jene Zeit, als ich noch unterwegs war? Will ich einst der sein, der heute aufgegeben hat, oder will ich einst auf mich zurück schauen können als einen, der weiter gegangen ist?
  • Der Blick auf die Zukunft trägt heute, wenn die Zukunft trägt. Was ich heute sehe, kann mir nur vage versprechen, wie es weiter geht. Da gibt es viele Unwägbarkeiten. Die Erfahrung der Geschichte allein recht nicht hin; sie zeigt vielmehr, dass es nicht einfach immer gut geht. Keine Versicherung der Welt kann diese Ungewissheit nehmen. Keine Versicherung der Welt. Auf diese bauen aber Christen im Letzten nicht für ihre Hoffnung.

2. Die Zukunft offenbart die Gegenwart

  • Das Buch am Ende der Bibel stellt sich unter einem Titel vor. "Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat." Aufgezeichnet wurde diese Offenbarung von einem Seher mit Namen Johannes. Es ist aber die Offenbarung Jesu Christi - oder mit dem griechischen Wort seine "Apokalypse". Christus "hat es durch seinen Engel, den er sandte, seinem Knecht Johannes gezeigt." (Offenb 1,1).
  • Das Buch der Offenbarung scheint in seinem Hauptteil von der Zukunft zu handeln. In großen, filmreifen Bildern wird das Ende dieser Welt und die Ankunft des Messias geschildert. Aber gerade deswegen handelt die Apokalypse von der Gegenwart. Der Kirche seiner Zeit öffnet der Seher Johannes die Zukunft, damit sie die Gegenwart verstehen und Mut gewinnen. Für die Kirche am Ende des ersten Jahrhunderts sah es düster aus. Im Blick auf die Herrlichkeit des kommenden Christus durchschauen die Christen, dass die machtvolle Verfolgung durch den römischen Kaiser nicht das letzte Wort behält. Ja, sie sind verfolgt in der Gegenwart. Sie können aber stark bleiben, im Blick auf die Zukunft. Sie schauen auf das große Fest, das beginnen wird. Willst du dann zurück schauen und auf dich sehen als einen, der aus der Bedrängnis des Augenblick heraus alles aufgegeben hat?

3. Der zum König gesalbte wird König

  • "Jesus Christus ist der treue Zeuge". Das versichert die Offenbarung. "Jedes Auge wird ihn sehen", auch die, die ihn jetzt noch verspotten. Sie sehen ihn jetzt als den Gescheiterten und Gekreuzigten und fühlen sich heute als Sieger, weil sie zur Staats- und Leistungselite gehören. Nicht anders sehen ihn die Christen. Aber wer glaubt, traut der Treue Gottes. Seine Königswürde ist dem Auge, das im Jetzt gefangen ist, noch nicht offenbar. Aber der Blick, der mit den Augen Gottes sieht, sieht in der Liebe des Gekreuzigten ihn bereits zum König gesalbt - zum christos, zum Messias.
  • Uns fällt es schwer, das Buch der Offenbarung zu verstehen. Das nicht nur wegen der vielen Zitate und Anspielungen aus dem Alten Testament, die erst den Sinn entschlüsseln. Uns fällt es schwer, das Buch zu verstehen, weil wir nicht in der Zeit der Verfolgung und Bedrängnis leben, wie die Christen, für die das Buch geschrieben wurde.
  • Die Botschaft des Buches aber kann auch für uns entscheidend werden. Ob wir im Vollgefühl unseres Erfolges leben, ob wir in der Monotonie eines wenig herausfordernden Alltags gefangen sind, ob wir die Wüste des Zweifels und die Dornen enttäuschter Liebe erleben: Die Offenbarung fragt uns, ob wir es dabei belassen wollen, oder ob wir einst auf den heutigen Tag zurück schauen wollen, um dann, wenn Christus als "Erstgeborener der Toten und Herrscher über die Könige der Erde" erscheint, uns als die zu sehen, die einst seine Treue mit ihrer Treue, seine Liebe mit ihrer Liebe beantwortet haben. Was immer sich heute uns gegenüber als machtvoller König gebärdet: Aus dem Blick der Zukunft zurück wird das belanglos sein, denn Christus ist der Anfang und das Ende, sein Evangelium "das Alpha und das Omega". Amen.