Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Sonntag Christkönig im Lesejahr B 2021 (Fest Christkönig)

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21. November 2021 - St. Peter Sinzig

1.  Ein Thron für den wahren Herrscher

  • Ein leerer Thron. Darüber ein Kreuz. Das ist in frühen und byzantinischen christlichen Kirchen als Fresko, Relief oder Mosaik zu sehen (Hetoimasia, die Thronbereitung). Es stand manchmal wohl auch ganz konkret in den Kirchen ein Thron – und niemand hat sich je daraufgesetzt.
  • Damit haben die Christen in ihrer Liturgie und heiligen Vollzügen symbolisiert, dass wir gegenüber den Throninhabern der Welt distanziert sind. In Zeiten der kaiserlichen und königlichen Monarchie muss das eine ziemliche Provokation gewesen sein. Egal ob der auf dem Thron unsichtbar ist oder ob der Thron noch darauf wartet, dass der Christus ihn besteigt, für den wir ihn aufstellen: Jedes Mal ist klar, dass allein Christus der König ist, dem der Herrschaftssitz, der Thron gebührt.
  • Daneben gibt es eine andere Entwicklung im Kirchbau der ausgehenden Antike. An die Stelle, an der in der staatlichen Basilika der Thron des Statthalters des Kaisers stand, stellten Christen den Sitz für den Bischof. Der Bischof sollte natürlich nicht Statthalter des Kaisers sein, sondern natürlich Statthalter Christi, als Apostel des HERRN in seinem Namen die heiligen Riten des Gottesdienstes leiten und ihnen vorstehen. (In der Spätantike gingen mehr und mehr Rechte des Bischofs auch auf die Priester über, die in der Fläche den Gottesdiensten vorstanden. Der ursprüngliche Bischofssitz, der leerblieb, wenn der Bischof nicht da war, wurde zum Priestersitz. Im Westen verlagerte sich allerdings der Gottesdienst im Mittelalter an den Altar und erst das II. Vatikanum hat die anderen liturgischen Orte wieder betont – und damit den Priestersitz, wo „in persona Christi“ derm Feier des HERRN vorsteht.)

2. Symbolische Darstellung und reale Macht

  • Dann aber kam der Untergang des römischen Reiches. Die öffentliche Ordnung brach zusammen.  Söldnerheere und wandernde Stämme belagerten die Städte. In dieser Zeit geschieht, was wir heute wiederum sehen, wenn in failing states, also Situationen, in denen der Staat nicht mehr funktioniert, christliche Gemeinden oder auch Moschee-Gemeinden in islamischen Ländern soziale oder medizinische Versorgung übernehmen müssen, Recht sprechen und die Menschen vor willkürlicher Gewalt schützen.
  • Damit rückte die Kirche in staatliche Aufgaben, wurden zum Ersatz für die fehlenden kaiserlichen oder königlichen Gewalten. Das ist der Ursprung einer politischen Machtstellung der Kirche im Westen und teilweise auch im Osten, die das Christentum für mehr als ein Jahrtausend prägen sollte. Das ist auch letztlich der Hintergrund der Diskussion heute, wie wir mit Macht der kirchlichen Hierarchie umgehen sollen. Vor allem zeigt es einen Punkt, von dem aus wir diskutieren könnten.
  • Wo die symbolische Darstellung der Stellvertretung zur realen Macht in Institutionen und Hierarchien geworden sind, reicht die theologische Begründung nicht mehr hin. Symbole und reale Machtverhältnisse müssen unterschieden werden. Die Rolle des Bischofs (und Priesters) in der Liturgie hat gute Gründe im Glauben und in der Hl.Schrift. Im Gottesdienst stellen wir die himmlische Wirklichkeit dar, in der Christus die Mitte ist. Die Macht eines Generalvikars, Bischofs oder Pfarrers in der Welt der irdischen Strukturen, Vermögens- und Abhängigkeitsverhältnisse ist nicht symbolisch und darf nicht solcherart vergeistigt werden. Das gilt zumal, wenn die Macht in der Kirche keinerlei Gewaltenteilung und Kontrolle kennt.

3. Die weltliche Seite der Kirche

  • Das Fest Christkönig ist vor einhundert Jahren eingeführt worden. Es war von Anfang an politisch. Es hat sich seitdem in Zeiten der Diktatur bewährt: Christen haben durch dieses Fest deutlich gemacht, welche Grenzen irdischer Macht gesetzt sind. Deswegen haben auch manche Kirchen der Reformation im englischsprachigen Raum dieses Fest übernommen.
  • Damals (wie heute) hatte das Fest seine Bedeutung nach außen. Es muss aber auch nach innen wichtig werden. Auch in der Kirche gibt es Menschen, denen Verantwortung über Menschen und Güter übertragen wird. Deswegen ist auch in dieser „äußeren Kirche“ richtig, was wir in der Liturgie der äußeren Welt gegenüberstellen.  Hier ist derselbe skandalöse Zustand, wie wir es auch in Bezug auf die katholische Soziallehre sehen: Sie ist voll von guten Grundsätzen und Ideen – die aber allesamt nicht mehr zu gelten scheinen, wenn es um kirchliche Behörden und Institutionen geht.
  • Der leere Thron befreit; er ist zwar wiederum ‚nur‘ Symbol. Hier ist ‚nur‘ heiliges Spiel, Darstellung der geistlichen, himmlischen Wirklichkeit. Dieses ‚nur‘ ist aber nicht harmlos. Ich glaube und vertraue, dass die Wirklichkeit Gottes, die wir im Gottesdienst zum Ausdruck bringen, Reiche erschüttern und Unrecht bekämpfen kann. Dazu müssen wir es aber selbst ernst nehmen, ganz zuerst in den eigenen Strukturen. Wir brauchen dringend den leeren Thron. Amen.

Danke für die Anregung an Egbert Ballhorn: feinschwarz.net/der-leere-thron/