Predigt zur Hochzeit - Bei einander bleiben
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10. September 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Das Wichtigste
- Chirurgen und Zahntechnikerinnen gehören von Haus aus den praktischen Menschen. Sie
haben gelernt, zu reparieren, wenn etwas kaputt ist. Keiner von uns wünscht sich, professionell
mit ihnen zu tun zu bekommen, und doch sind wir froh, wenn sie ihre Arbeit gut machen, sollte
es einmal dazu kommen, dass wir ihre Dienste in Anspruch nehmen müssen. Dann freuen wir
uns, wenn wir in die Hände von Menschen wie Philipp und Svenja fallen, denen wir vertrauen.
- Ich habe die beiden kennen gelernt, zwei, die ausstrahlen, dass sie zusammen gehören und
gerne zusammen sind. Von ihrer praktischen Art her sind sie eher nicht die Menschen, die das
in komplizierten Wendungen poetisch ausdrücken. Und doch spürt man die selbstverständliche
Tiefe ihrer Liebe zu einander. Bei der letzten Vorbereitung dieses Tages habe ich sie gefragt,
was ihnen wichtig ist für die heutige Feier. Da kamen keine langen Erklärungen. Es ist ihnen
einfach wichtig, hier, öffentlich und vor Gott das zu bestätigen, was ihnen zur Grundlage des
Lebens geworden ist: dass sie zusammen sein wollen, in guten und in schlechten Tagen, in
Gesundheit und Krankheit.
- So ist für die beiden diese Feier hier ebenso wichtig wie unwichtig. Sie ist unwichtig, weil das,
was hier gefeiert wird, für sie schon selbstverständlich da ist: ihre Liebe zu einander. Sie ist
wichtig, weil hier zum Ausdruck kommt und in besonderer Weise gefeiert wird, was Svenja
und Philipp das Wichtigste ist: ihre Liebe zu einander. Die Hochzeit in der Kirche ist also
gerade nicht das Sahnehäubchen, das halt zu manchen Kuchensorten dazu gehört. Das
Sakrament der Ehe ist vielmehr alles. Es besteht nicht nur aus dem Versprechen, das die beiden
sich geben werden, sondern erfüllt sich darin, dass sie wollen, dass Gott in ihrer Liebe zu
einander und in der Familie, die sie gründen wollen, zum Ausdruck kommt - gerade weil es
nicht gerade ihr Ding ist, das in vielen Worten zum Ausdruck zu bringen; den Job haben sie an
mich delegiert.
2. Die Liebe
- Bei den Lesungen, die Svenja und Philipp für heute ausgewählt haben, ist nichts Originelles
dabei. "Unsere Hochzeit ist selbst schon originell genug", haben sie entschuldigend gesagt. Und
es sind ja auch tragende Texte aus der Heiligen Schrift, die wir gehört haben. Einerseits das
Evangelium, in dem Jesus von seinen Jüngern Abschied nimmt, um zugleich bei ihnen zu
bleiben, immer da, wo sie einander lieben.
Der Text ist deswegen für unseren Gottesdienst passend, weil Jesus deutlich macht, dass
einerseits öffentlich sichtbar werden soll, was uns wichtig ist. Andererseits sollen die sichtbaren
Zeichen 'nur' auf das verweisen, was das Leben ausmacht: "Daran werden alle erkennen, dass
ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt."
- Was dieses "einander lieben" bedeutet, kommt in der Lesung zum Ausdruck, die ein Teil des so
genannten "Hohelied der Liebe" aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Kirche in
Korinth ist. "Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib dem
Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts." Paulus schreibt das an eine
Gemeinde, in der viele Christen viel Engagement und viele Gaben haben. Er will das nicht
abwerten, aber macht doch deutlich, dass alles nichts ist, wenn der Respekt vor den anderen
fehlt.
- Damit markiert Paulus auch den Unterschied zwischen Verliebtheit und Liebe. Und wenn ich
bis über beide Ohren verliebt wäre, wenn mein Herz Luftsprünge macht und Schmetterlinge im
Bauch rumschwirrten, "hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts".
Die treue Liebe, von der Paulus schreibt, kann allein die Wahrheit und Echtheit der Liebe
bewahren. Denn Verliebtheit ist ein Gefühl, ein wunderbares und hoffentlich eines, das nicht
verloren geht. Es kann aber auch ein tyrannisches Gefühl sein, weil es immer auch ein wenig
egoistisch ist. All this crazy, stupid love ist immer auch in Gefahr, dass ich mich meine
Gefühlen ausliefere und alles zusammenbricht, wenn die Gefühle nicht mehr so da sind. Dem
gegenüber ist die Liebe treu. Sie "sucht nicht ihren Vorteil", sagt Paulus. Liebe will nicht die
eigenen Gefühle optimieren; Liebe respektiert den anderen, will das Gute für den anderen und
entschließt sich deswegen zur Treue.
3. Aussprechen
- All das drückt das Versprechen aus, das Svenja und Philipp sich heute geben werden. Es baut
auf dem auf, was da ist, und schafft zugleich etwas Neues. Das Sakrament, das die beiden sich
spenden, fasst in Worte, was unaussprechlich da ist und beiden wichtig ist. Sie wollen, dass wir
ihr Versprechen hören, und bitten uns dadurch, ihr Versprechen mit zu tragen, in guten und in
schlechten Tagen.
- Ganz bewusst tun sie dieses nicht in einem Standesamt, sondern mit und vor Gott. Denn dies
hat Gott mit der Liebe gemeinsam, dass er tragender Grund ist für das Leben. Gott ist so
selbstverständlich wie die Luft, die wir atmen, und wie die treue Liebe die Philipp und Svenja
einander versprechen. Sie spüren und wissen das, auch wenn sie als eher praktische Menschen
das nicht immer in großen Reden sagen.
- Weil Gottes Liebe zu uns immer da ist, erscheint es fast überflüssig davon zu sprechen.
Dennoch braucht es gerade das. Es braucht das Fest, damit wir ahnen, wie groß das Geschenk
des Lebens ist. Es braucht das öffentliche Versprechen der Liebe, damit das, was immer da ist,
hörbar wird. Es braucht das Loblied im Gottesdienst und die Vertrautheit im Gebet, damit wir
erfahren und uns sagen, was uns trägt. Amen.