Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Geschaffen zur Ehe

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23. Juli 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Gott will uns

  • Tatjana und Michael sind sich mit 13 Jahren das erste Mal begegnet. Dann, so sagten sie mir, hätten sie sich aus den Augen verloren. Aus den Augen, aber offenbar nicht aus dem Sinn. Durch die Segnungen des Internets konnten sie so wieder Kontakt aufnehmen, Freunde bleiben - und mehr. 'Da haben sich zwei gefunden', sagt man gemeinhin. Wir könnten auch sagen 'Da wurden zwei zusammen geführt'.
  • Wir haben als erste Lesung den Abschnitt gehört, in dem die Bibel versucht zu beschreiben, wer wir Menschen von Gott her sind. Das Buch Genesis im Alten Testament, aus dem der Abschnitt stammt, formuliert keine abstrakte Theorie über den Menschen, sondern erzählt es als eine Geschichte: Der Mensch ist wie alles andere, das es gibt, nicht zufällig da, sondern weil Gott es will. Gott will, dass es uns gibt. Er ist unser Ursprung, wie alles, was wir im ganzen Universum sehen und erfahren, seinen Ursprung in Gott hat.
  • Das Besondere in dem Bibel-Abschnitt heute ist der Satz: "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt." Es ist kein Zufall, dass wir Menschen nach Gemeinschaft suchen. Es ist vielmehr Gott selbst, der die Liebe in unser Herz gelegt hat. Die Bibel sagt sogar, dass der Mensch Gott ähnlich ist. Der Grund ist diese Fähigkeit zur Liebe, denn Gott ist Liebe. Deswegen macht sich Gott - nach dieser Erzählung, die natürlich symbolisch gemeint ist! - an die Arbeit und erschafft die verschiedensten Tiere. Das Zusammensein von Mensch und Tier ist also gut für uns. "Aber eine Hilfe, die dem Menschen entspricht", finden wir darin nicht. Denn bislang ist in unserer Erzählung der Mensch immer noch nur einer, weder Mann noch Frau; 'das Mensch' sozusagen. Da kein Tier dem Menschen ganz entspricht, so die Erzählung weiter, 'verdoppelt' Gott das Menschenwesen, das er geschaffen hat. Nun erst ist es "Bein von seinem Bein und Fleisch von seinem Fleisch"; nun erst ist 'das Mensch' tatsächlich Mann und Frau. Wie sehr die beiden sich vertraut sind, drückt die Geschichte aus indem sie sagt: "Beide, Adam und Eva, waren nackt, aber sie schämten sich nicht voreinander." All das ist gut, denn Gott hat es gemacht. Gott will uns Menschen. Gott will Euch, Tatjana und Michael.

2. Gott verbindet Euch

  • Die Geschichte, wie Ihr Euch kennen gelernt habt, könnte man trocken erzählen. Dann und dann habt Ihr Euch gesehen. Irgendwelche Schaltungen im Gehirn haben eine Erinnerung abgespeichert. Dann und dann und unter diesen und jenen Umständen habt ihr Euch wieder getroffen. Und irgendwelche chemischen Reaktionen im Gehirn haben dazu geführt, dass Ihr einem biologisch einprogrammierten Paarungszwang erlegen seid.
    Einem Naturwissenschaftler mag dies genügen. So ist es halt gewesen. Er hätte damit aber nichts verstanden. Es wäre so abstrakt wie beim Juristen am Standesamt, vor dem die beiden die Zivilehe geschlossen haben mit den juristischen Folgen, die so lange gelten, bis der Ehevertrag wieder gekündigt wird. Einem Juristen und Verwaltungsbeamten mag das genügen. Auch die Pharisäer, mit denen Jesus sich im Evangelium auseinander setzen muss, bleiben bei so einem juristischen Denken stehen.
  • Dass Tatjana und Michael hier sind zeigt jedoch: Den beiden genügt das nicht. Sie spüren, ahnen und glauben, dass da mehr ist als biologische Reflexe mit juristischen Folgen. Schon weil sie weder Naturwissenschaftler noch Juristen sind, würden sie das nicht tun. Sie spüren, ahnen und glauben vielmehr, dass Gott selbst sie hier her geführt hat.
  • Sie könnten ihre Geschichte, ihre ganze Lebensgeschichte, erzählen, wie Gott sie geschaffen und ihnen viele liebe Menschen (und vielleicht auch Tiere) zugeführt hat. Es ist eine spannende Geschichte, die zurück reicht in die Zeit, als es noch die Sowjetunion gab. Der Wechsel nach Deutschland. Viele Erlebnisse, viel Neues, viele Kontakte, Freunde, Verwandte. "Aber eine Hilfe, die Tatjana, die Michael entsprach, fanden sie nicht", bis dass sie einander begegnet sind. Sie spüren, ahnen und glauben dass da Gott selbst am Werk ist. Vor Gott selbst und seiner Kirche wollen sie daher einander das Eheversprechen geben.

3. Ihr traut Euch einander an

  • Bevor Michael und Tatjana nachher einander das Sakrament der Ehe spenden, werde ich beide fragen: "Bist du hierher gekommen, um nach reiflicher Überlegung und aus freiem Entschluss den Bund der Ehe zu schließen?" Diese Fragen sind keine Nebensächlichkeit; sie gehören fest zum Sakrament der Ehe. Denn so sehr ich glaube, dass Gott die beiden geführt und getragen hat, so wenig steht das im Widerspruch dazu, dass sie aus freiem Entschluss einander die Treue versprechen.
  • Wie war das bei unseren Eltern? Jeder von uns hier wird da eigene Erfahrungen gemacht haben. Vater und Mutter können manchmal ziemlichen Einfluss nehmen auf den Lebensweg, den wir gehen. Manche Eltern sind da geschickt drin, merken es vielleicht selber nicht, wie sehr sie ihre Kinder lenken und bestimmen. Es gibt aber auch das andere: Dass es Eltern gelingt, ihren Kindern so viel Liebe und Vertrauen zu geben, dass diese selbst ihren Weg gehen können. Das ist die Weise, wie Gott unser Leben führt. Gott trägt und hilft uns, selbst da, wo wir gar nicht an ihn denken. Nie aber steht Gott im Widerspruch zu unserer Freiheit. Der himmlische Vater unterscheidet sich darin letztlich von jedem irdischen Vater. Daher heißt es auch in der Bibel, wird der Mensch "Vater und Mutter verlassen" und sich an einen neuen Menschen binden und mit ihr oder ihm "ein Fleisch werden".
  • Liebe Tatjana, lieber Michael. Wir sind gespannt. Ihr habt Euch vorgenommen, heute einander das Leben anzuvertrauen und aus freiem Entschluss die Treue zu versprechen. Uns alle gebt Ihr damit ein wunderbares Zeugnis Eures Vertrauens und Eures Glaubens. In Eurem Ja-Wort wird Gottes Ja zu uns Menschen sichtbar. Wenn ihr Euch verbindet, verbindet Gott Euch. "Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen." Amen.