Predigt zur Hochzeit am 28. Mai 2010 - Mk 4,30-32 - Senfkorn Liebe
Zurück zur Übersicht von: Hochzeit
29. Mai 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
Die Predigt ist für eine Hochzeit, bei der einer der Partner ungetauft ist. Auch in der Hochzeitsgemeinde sind vorraussichtlich kaum Christen, die regelmäßig Gottesdienste besuchen.
1. Senfkorn Liebe
- Armes, kleines Senfkorn. Es ist das "kleinste von allen Samenkörnern". Jeder steht jetzt da und
sagt, es müsse nun "größer als alle anderen Gewächse" werden; es solle stark genug sein, um alle
möglichen Vögel auszuhalten, die in seinen Zweigen nisten. - Es lastet schon ein großer Erwartungsdruck auf diesem kleinen Samenkorn. Fragt man, wer denn die schlimmen Leute sind, die so
hohe Erwartungen über das kleine Senfkorn häufen, dann will es wieder keiner gewesen sein.
Jeder will ja schließlich nur das Beste.
- Mir scheint, ein wenig so steht es um die Liebe. Jeder will nur das Beste. Jeder lobt die Liebe.
Und das kleine Samenkorn der Liebe muss es aushalten, dass jedermanns Vogel sich in seinen
Zweigen einnistet. Die Liebe ist das Höchste und Größte, sagt ein jeder - und dann wundern wir
uns, wenn die Liebe unter der Last der in sie gesetzten Erwartungen zusammenbricht.
- Deswegen sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich etwas nüchterner bin, auch wenn es am Hochzeitstag einen Hauch unromantisch klingt. Es ist auch nicht ganz leicht, das Richtige zu sagen.
2. Bund vor Gott
- Heute ist für K. und O. ein Freudentag - und doch auch ein sehr ernster Tag, denn heute
versprechen sie etwas für ihr Leben. Es ist heute etwas anderes als gestern beim Standesamt.
Gestern haben die beiden einen staatlich anerkannten Ehevertrag geschlossen. Ein solcher Vertrag
gilt so lange, bis er gekündigt wird. Deswegen gehört das Scheidungsrecht zur Abteilung
Eherecht.
- O. und K. wollen heute aber noch etwas Anderes. Für O., für den sein christlicher
Glaube von Bedeutung ist, und für K., die eher etwas die Stacheln ausfährt, wenn die Rede
von Gott ihr zu nahe kommt, wird das, was hier feiern, Verschiedenes bedeuten. Aber beide haben sich
zusammen entschlossen, heute in der Kirche und vor Gott diesen Bund zu schließen. Ein Bund der
anschließt, an den Bund, den Gott in der Taufe mit O. geschlossen hat: "Ich will dich lieben,
achten und ehren alle Tage". Das ist die Zusage Gottes in der Taufe, in der sichtbar und sinnlich
erfahrbar wird, dass wir als Menschen alle Kinder Gottes sind.
- So steht vor die Liebe zweier Menschen, die wir leicht mit unserer Sehnsucht überfrachten, und
die dann darunter zusammenbricht, die belastbare Liebe eines barmherzigen Gottes. Ihn erfahren
Menschen, wenn sie mit offenen Augen und empfindsamen Herzen das Wunder dieser Welt
sehen. Die Botschaft der Heiligen Schrift spricht von diesem Gott, dem Ursprung, der in allem
wirkt. Christen vertrauen glaubend, dass Gott sich in dieser Welt offenbart hat: Gott hat sich
gezeigt in der Begegnung mit Menschen und indem er in Jesus Christus selbst Mensch geworden
ist, um als Mensch unter Menschen die Liebe zu leben.
- Das ist das Senfkorn, von dem das Evangelium spricht. Und in der Tat, dieses Senfkorn ist
belastbar. Trotz allem Schrecklichen, was Menschen einander angetan haben, verliert Gott den
Glauben an den Menschen nicht. Obwohl es so viele Gründe für Gott gäbe, nicht mehr an den
Menschen zu glauben und 'Atheist' zu werden, macht er doch das Gegenteil. Er stellt sich an die
Seite des Menschen. Gott ist treu seinem Bund.
3. ...und hätte die Liebe nicht
- In Korinth gab es offensichtlich Christen, die sich sehr viel auf ihren Glauben und mystische
Erlebnisse zugute gehalten haben. Ihnen schreibt Paulus in seinem Brief, aus dem wir die Erste
Lesung gehört haben: "Wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle
Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte
aber die Liebe nicht, wäre ich nichts." Das ist eine Mahnung an Christen: Niemand kann Gott
erfahren und aus Gott leben, wenn der grundlegende Respekt vor dem anderen Menschen fehlt.
- Ich glaube nicht, dass K. und O. die Lesung ausgesucht haben, weil sie fürchten, zu viel
zu beten. Vielmehr ist das der Abschnitt aus der Bibel, der als erster erscheint, wenn man unter
"Lesung Hochzeit" googelt, weil das Wort Liebe hier so oft vorkommt. Immer wieder sagt Paulus
in diesem Brief, dass alles nichts wäre ohne die Liebe. Allerdings ist hier nicht romatische
Verliebtheit gemeint, sondern ganz nüchtern der liebende Respekt und die Bereitschaft, einander
zu dienen. caritas ist das griechische Wort, das im Original steht.
- "Wenn Du den größten Erfolg hättest", so müsste man den Gedanken des Paulus säkular anwenden, "und wenn du immer den Müll runterbringst und das beste Essen kochst, hättest aber nicht
den liebenden Respekt, dann wäre das alles nur Show, mit der du verbirgst, dass es dir nur um
dich selber geht."
- Auch die zärtlichste Verliebtheit kann diese grundlegende, diese treue und respektvolle Liebe
nicht ersetzen. Sie ist wie das Salz in der Suppe. Ohne sie wird alles fad und fragwürdig. Man
sollte aber auch umgekehrt nicht vergessen, dass Salz alleine auch keine Suppe macht. Die
respektvolle Liebe kann nicht alles ersetzen; sie muss nur in allem enthalten sein.
- Dass diese Liebe Euch trägt, das wünsche ich Euch! Die romantische Liebe beginnt "größer als
alle Gewächse" und allerlei Vögel nisten in ihren Zweigen. Aber sie wird leicht das "kleinste von
allen Samenkörnern", wenn nicht zugleich die andere Liebe wächst: Die treue Liebe, die respektvolle Liebe, die in sich "guten und schlechten Tagen" bewährt.
- Wir können nur so viel Liebe schenken, wie wir empfangen. Ich weiß nicht wirklich, was für Euch
beide im Letzten der Grund ist, warum ihr nach dem Vertrag beim Standesamt nun hier vor Gott
auch den Bund der Ehe schließen wollt. Aber ich hoffe, dass Ihr ahnt, dass Eure Liebe von einer
anderen Liebe getragen ist, auf die Ihr bauen könnt. Es ist ein Gott jeden Tag an Eurer Seite. Es ist
ein Gott da, der Mensch geworden ist, um bei Euch zu sein. Es ist ein Gott da, dem wir begegnen
dürfen in den Wundern seiner Schöpfung, in der Stille des Gebetes und in der Gemeinschaft derer,
die auf ihn vertrauen. Vertraut auch Ihr auf diese Quelle Eurer Liebe. Dann wird sie wachsen und
tragen. Amen.